Paketbomben-Alarm

Zwei Verletzte bei Anschlägen auf Botschaften in Rom

Ausland
23.12.2010 21:31
Bei Anschlägen auf die Botschaften der Schweiz (Bild) und Chiles in Rom sind am Donnerstag zwei Menschen verletzt worden. Ein weiteres verdächtiges Paket wurde in der ukrainischen Botschaft gefunden, die Polizei stellte jedoch fest, dass es harmlos war. Zu den Attentaten hat sich eine italienische Anarchistengruppe bekannt, berichtete am Abend die italienische Nachrichtenagentur Ansa.

"Wir haben uns entschlossen, von neuem unsere Stimme zu Gehör zu bringen, mit den Worten und den Taten. Wir zerstören das Herrschaftssystem", heißt es im Bekennerschreiben der Anarchisten-Gruppe, bei der es sich laut Ansa-Angaben um die "Federazione Anarchica Informale" handelt. Das Schriftstück habe sich in einer kleinen Schachtel befunden, die neben einem der beiden Botschaftsmitarbeiter, die bei den Explosionen verletzt worden waren, gelegen habe, hieß es weiter.

In sämtlichen Botschaften und Konsulaten der italienischen Hauptstadt fanden nach der Explosion der Sprengsätze Überprüfungen statt. Auch die österreichische Botschaft in der italienischen Hauptstadt verschärfte ihre Sicherheitsvorkehrungen.

Erste Bombe explodierte in Schweizer Botschaft
Der erste Sprengsatz explodierte gegen Mittag, als ein Angestellter der Schweizer Botschaft eine Postsendung öffnete. Dabei erlitt der 53-Jährige schwere Verletzungen an den Händen. Der Mann musste notoperiert werden, die Amputation eines Arms konnte abgewendet werden. Rund drei Stunden später explodierte eine weitere Paketbombe in der chilenischen Botschaft. Dabei wurde ebenfalls ein Mitarbeiter der Botschaft an den Händen verletzt. Laut den Ermittlern steckten die Sprengsätze in gelben Umschlägen. Die Pakete hatten demnach die Größe einer Videokassette.

Das italienische Außenministerium warnte alle diplomatischen Vertretungen in der Hauptstadt vor der Gefahr von Sprengsätzen. In der österreichischen Botschaft wurden wie in anderen Auslandsvertretungen auch die Sicherheitsvorkehrungen erhöht, berichtete Botschafter Christian Berlakovits im Gespräch. Aus Sicherheitsgründen wurden dort keine Briefe geöffnet.

Ermittler verdächtigten gleich Anarchisten
Die römischen Ermittler verdächtigen von Beginn an anarchistische Gruppen, weil die Paketbomben in Italien und nicht - wie anfangs vermutet - in Griechenland aufgegeben wurden. Sie hatten vermutlich denselben Absender. Die italienische Polizei schloss dennoch weiterhin nicht aus, dass die Paketbomben von der selben terroristischen Organisation gesendet wurden, die im November von Griechenland aus Briefbomben an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und den italienischen Premier Silvio Berlusconi geschickt hatten.

Die Ermittler verbanden die Explosion in der Schweizer Botschaft konkret mit einigen italienische Anarchisten, die seit April in der Schweiz inhaftiert sind. Zu ihnen zählt Luca Bernasconi, ein in Italien wohnhafter Tessiner. Mit zwei weiteren italienischen Anarchisten, Costantino Ragusa und Silvia Guerini, war er im vergangenen April von den Schweizer Justizbehörden festgenommen worden. Für ihre Freilassung sprach sich der Schweizer Anarchist Marco Camenisch aus, der 1991 in Italien festgenommen worden war. In den vergangenen Tagen war der als "Ökoterrorist" bekannte Camenisch aus Solidarität mit den drei inhaftierten Anarchisten in den Hungerstreik getreten.

Im Oktober war vor der Schweizer Botschaft in Rom bereits ein kleiner Sprengkörper gefunden worden, der jedoch nicht explodierte. Unweit des Sprengkörpers lag ein Brief mit Parolen für die Freilassung der drei in der Schweiz inhaftierten italienischen Anarchisten.

Verdächtiges Paket in U-Bahn entschärft
Erst am Dienstag war in der römischen U-Bahn-Station Rebibbia ein verdächtiger Sprengkörper entdeckt worden, der sich jedoch als harmlos erwies. Das Päckchen wurde von einem U-Bahn-Fahrer in einem leeren Waggon unter einem der Sitze gefunden und von Experten entschärft (Bericht in der Infobox).

Dementiert haben die Behörden inzwischen, dass eine Paketbombe auch in der ukrainischen Botschaft eingetroffen sei. Kontrollen ergaben, dass ein verdächtiger Brief, den die Botschaft erhalten hatte, völlig harmlos war.

Außenminister Frattini verurteilte die Anschläge
Der italienische Außenminister Franco Frattini verurteilte die Anschläge und drückte den Opfern seine Solidarität aus. "Der Anschlag hat internationale Aspekte", sagte der römische Bürgermeister Gianni Alemanno, der den Schweizer Botschafter Bernardino Regazzoni traf. Innenminister Roberto Maroni sagte im Fernsehen, die Polizei verfolge wegen ähnlicher Vorfälle im November in Griechenland eine Spur "anarchistischer Aufständischer". Es gehe um eine äußerst gewalttätige Gruppe, die auch in Spanien und Griechenland aktiv sei und deren Mitglieder engen Kontakt hielten. Maroni sagte, dass alles unternommen werde, um die Attentäter ausfindig zu machen.

Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey verurteilte den Anschlag auf die Schweizer Botschaft als "heimtückische und unverzeihliche Tat" und sprach dem verletzten Mitarbeit laut Agentur sda ihr Mitgefühl aus. Derzeit würden die Sicherheitsmaßnahmen bei Botschaft in Rom in Absprache mit den italienischen Behörden verstärkt, hieß es aus Bern. Der chilenische Botschafter in Italien, Oscar Godoy, zeigte sich ebenfalls bestürzt: "Was in unserer Botschaft passiert ist, war ein Akt des Terrorismus, absolut irrational und brutal", sagte Godoy. Das Päckchen sei an die Kulturabteilung der Botschaft adressiert gewesen. "Uns ist unerklärlich, warum wir auf diese Art und Weise angegriffen wurden." "Überall war Blut", sagte Godoy.

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