Talk zu USA-Protesten

„Müssen uns fragen, warum die Leute wütend sind“

Ausland
10.06.2020 20:17

Rassismus, Polizeigewalt, Arbeitslosigkeit - die USA stecken tief in der Krise. Doch die Protestwelle ist nach dem Tod von George Floyd in die ganze Welt übergeschwappt, die 50.000 Demonstranten letzte Woche in Wien sprechen hier klar für sich. Die weltweite Bewegung hat Katia Wagner gemeinsam mit ihren Gästen zum Anlass genommen, sich für #brennpunkt dem Thema Rassismus, und dessen Verbreitung auch in Österreich und ganz Europa, zu widmen.

Oliver Papacek ist für die „Krone“ zuletzt immer wieder in die USA gereist, um sich vor Ort ein Bild von der Lage des krisengebeutelten Landes zu machen. Die Welle von Protesten sei auch damit verbunden, dass es im Moment ein „Heer von Arbeitslosen“ in den Vereinigten Staaten gibt: „Die Arbeitslosenzahlen werden auf über 30 Millionen Menschen geschätzt. Dabei ist die afroamerikanische Bevölkerung besonders betroffen.“

„Polizeigewalt ist großes Problem in den USA“
Der Tod von George Floyd habe, auch aufgrund der Hässlichkeit der Szenen im Video, in Folge zurecht zu den Protesten geführt. Dass in den USA überproportional viele Menschen an Polizeigewalt sterben, sei ein Problem, vor allem für Afroamerikaner, wie Papacek erklärt: „60 Prozent der amerikanischen Bevölkerung sind Weiße, 15 Prozent sind Schwarze. Trotzdem ist die Chance für Afroamerikaner, bei einem Polizeieinsatz getötet zu werden, bedeutend höher.“

„Rassismus findet überall statt“
Das Gewaltfälle wie jener von Floyd, bei jeder Polizei passieren können, meint die Aktivistin Imoan Kinshasa. Sie war Mitorganisatorin der „Black Lives Matter“-Demo in Wien, bei der über 50.000 Menschen teilgenommen haben. Zwar sei es schön, dass sich Polizisten in Wien auch solidarisch gezeigt haben,trotzdem findet Kinshasa, dass „die Polizei neu gegründet werden müsste“: „Es braucht mehr Empathie und Menschenkenntnis. Dass Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert werden, muss aufhören.“

Abgesehen vom „Racial Profiling“ (Anm. auf äußerliche Merkmale basierendes Agieren der Polizei), würden schwarze Menschen im „sehr rassistischen Österreich“ aber ohnehin ein schwereres Leben führen. „Rassismus findet für betroffene Menschen überall statt. Mal ruft jemand einem das N-Wort hinterher, schlägt sich in der Arbeit mit rassistischen Kollegen herum oder findet oft keinen Job oder Wohnung aufgrund der Hautfarbe.“

„Demonstrationen will eigentlich keiner“
„Rassismus kennt keine Grenzen“, meint auch Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl in der Hinsicht, dass dieser ein „integraler Bestandteil in Österreich“ sei. Strobl unterscheidet zwischen „Alltagsrassismus“ und „systematischem Rassismus“. Abgesehen davon, dass beide Arten „verletzend“ für die Betroffenen seien, müsse jede Privatperson vor allem beim Alltagsrassismus Verantwortung übernehmen.

Zu den Demonstrationen meint die Extremismus-Expertin, dass diese „eigentlich gar keiner will“, aber es für die vielen unterdrückten Menschen keinen anderen Ausweg mehr geben würde: „Wenn man, so wie in Amerika, 450 Jahre unterdrückt und nicht gehört wird, ist man wütend. Wir müssen uns fragen, warum die Leute wütend sind.“

Österreichs Botschafter in Washington, Martin Weiss, berichtet via Skype, dass die Lage sich in den letzten Tagen etwas beruhigt hat. Hauptgrund für die vielen Proteste, seien ganz klar die Szenen im Video von Floyds Verhaftung gewesen.

„Teile von Umdenken bereits sichtbar“
Auch wurden bereits erste Schritte gesetzt und Teile von einem Umdenken würden bereits sichtbar werden: „Auch das politische Establishment ist bereits eingestiegen. Es muss eine Lösung gefunden werden, auch weil die Protestwelle bereits in die ganze Welt übergeschwappt ist.“ Alttagsrassimus würde uns „alle angehen“, wobei Rassismus in Amerika einen ganz anderen Stellenwert durch die jahrelange Geschichte haben würde.

„Fehlerkultur steht für Weiterentwicklung“
Der stellvertretende Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Reinhard Schnakl, betont, dass man bei der Polizei in Österreich viel tun würde, damit so etwas wie in Amerika nicht passiert. So würde man bereits in der Grundausbildung über Menschenrechte und Diskriminierung aufklären: „Bei der Ausbildung schlüpfen die angehenden Polizisten auch in unterschiedliche Rollen, um sich hineinversetzen zu können.“

Auch würde den Beamten übermittelt werden, sich stets nach den Grundlagen des Rechtsstaats zu richten. Trotzdem gesteht Schnakl ein, dass in der Vergangenheit nicht immer alles richtig gemacht wurde: „Auch wir lernen dazu. Wir müssen in Österreich eine Fehlerkultur leben.“

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