Weit mehr als bekannt

EU-Coronahilfe: Jetzt 750 Milliarden Euro geplant

Ausland
27.05.2020 12:12

Die EU-Kommission will noch weit mehr Geld als bisher bekannt für die wirtschaftliche Erholung Europas nach der Corona-Krise mobilisieren. Insgesamt soll das Volumen der Hilfsleistungen 750 Milliarden Euro umfassen. Davon entfallen 500 Milliarden auf nicht rückzahlbare Zuwendungen und 250 Milliarden auf Kredite. Das EU-Budget soll zudem auf 1,1 Billionen Euro aufgestockt werden, womit 1,85 Billionen Euro zur Bewältigung der Pandemie bereitstünden. Der Großteil der Hilfen soll an Italien und Spanien gehen, Österreich sollen vier Milliarden Euro aus dem Topf zustehen.

Damit fällt das von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen entworfene Programm noch deutlich größer aus als eine deutsch-französische Initiative für ein 500-Milliarden-Euro-Paket. Daneben schlägt von der Leyen einen regulären mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 im Umfang von 1,1 Billionen Euro vor. „Die Krise, mit der wir jetzt umgehen müssen, ist gewaltig. Aber ebenso gewaltig ist die Chance für Europa und unsere Verantwortung, in dieser Situation das Richtige zu tun. Dies ist Europas Moment“, erklärte die Kommissionspräsidentin am Mittwoch.

Schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg
Mit dem Wiederaufbauplan soll die schlimmste Rezession in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg bewältigt werden. Wegen des zeitweiligen Stillstands während der Pandemie wird die Wirtschaft in der EU nach einer offiziellen Prognose dieses Jahr um 7,4 Prozent schrumpfen. Einige Länder wie Italien, Spanien und Griechenland sind besonders hart getroffen. Die EU-Staaten haben bereits ein gemeinsames Sicherheitsnetz mit Kredithilfen von bis zu 540 Milliarden Euro gespannt.

Das Programm zur wirtschaftlichen Erholung im Rahmen des Haushaltsplans ist nun der nächste Schritt. Neu: Die über Kredite finanzierten Mittel sollen überwiegend als Zuwendungen an die EU-Staaten vergeben werden, die nicht die Empfänger, sondern alle gemeinsam zurückzahlen.

Besondere Rolle für Merkel
Vergangene Woche hatten Deutschland und Frankreich vorgeschlagen, die EU-Kommission solle mittels Garantien der EU-Staaten 500 Milliarden Euro Kredit aufnehmen und als Zuwendungen an Krisenstaaten und -branchen vergeben. Die deutsche Position wird besonders aufmerksam beobachtet, weil die Bundesrepublik die stärkste Volkswirtschaft und der größte Nettozahler der EU ist. Darüber hinaus übernimmt Deutschland zum 1. Juli den rotierenden Vorsitz der EU-Länder. Man werde diesen dem Kampf gegen die Corona-Krise widmen, hieß es am Mittwoch aus Berlin.

Angela Merkel, der damit in den kommenden sechs Monaten eine besondere Rolle bei der Bewältigung der Krise zukommt, möchte sich „nach Kräften Mühe geben“, eine gemeinsame Einigung zu erzielen. Sie habe die Pläne noch nicht im Detail prüfen können, es gebe aber noch „viele, viele Fragen zu klären“. Sie erwarte sich schwierige Verhandlungen, das Ziel müsse aber sein, diese noch in diesem Jahr abzuschließen. 

Eigenmittelobergrenze soll drastisch erhöht werden
Von der Leyens Wiederaufbauplan ähnelt dem deutsch-französischen Konzept. Auch von der Leyen will das Programm mit Krediten finanzieren. Dafür sollen die EU-Staaten mit Beitragszusagen zum Haushalt garantieren. Im Fachjargon: Die Eigenmittelobergrenze soll drastisch erhöht werden. Die Schulden sollen dann über Jahrzehnte aus dem EU-Budget abgestottert werden. Dabei sollen nach dem Willen der EU-Kommission neue eigene Einnahmen für die EU aus Steuern und Abgaben helfen. Im Gespräch ist eine Ausweitung des Europäischen Emissionshandels sowie eine Digitalsteuer oder eine Plastikabgabe.

AfD appeliert an sparsame Vier“
Die großen Parteien im Europaparlament haben den Vorschlag für ein europäisches Konjunkturprogramm grundsätzlich begrüßt. „Wir sehen keine Alternative, als jetzt zu investieren“, meint Manfred Weber von den Christdemokraten, die gemeinsame Schulden normal nicht gutheißen würden. Liberale und Sozialdemokraten sehen einen bemerkenswerten und ambitionierten Plan, die Grünen orten einen „kleinen Schritt in die richtige Richtung“. Lediglich die AfD reagierte mit strikter Ablehnung. Der Abgeordnete Jörg Meuthen appellierte an die „sparsamen Vier“, das Wiederaufbauprogramm zu stoppen. EU-Ratspräsident Charles Michel hofft auf eine Einigung über den Wiederaufbaufonds noch vor dem Sommer. Der Vorschlag soll am 19. Juni gemeinsam mit den Staats- und Regierungschefs diskutiert werden.

Niederlande erwarten lange Verhandlungen
Dass aus Krediten stammendes Geld als Zuwendung und nicht nur als rückzahlbares Darlehen an Krisenstaaten fließen soll, stößt bei den kritischen EU-Ländern auf Widerstand. Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark - die „Sparsamen Vier“ - haben gemeinsam Einspruch erhoben. Nach Einschätzung der Niederlande ist der Vorschlag nicht konsensfähig. „Die Positionen liegen weit auseinander“, kommentierte ein niederländischer Diplomat. Es sei daher schwer vorstellbar, dass dieser am Ende auch so angenommen werde: „Die Verhandlungen werden Zeit brauchen“.

Großteil geht an Spanien und Italien
Der Großteil der Hilfen aus dem Wiederaufbauplan der EU-Kommission soll an die besonders betroffenen Krisenländer Italien (173 Milliarden Euro) und Spanien (140 Milliarden Euro) gehen. Dabei seien gut 81 Milliarden für Italien und mehr als 77 Milliarden Euro für Spanien als Zuschüsse vorgesehen, der Rest wird als Kredite reserviert. Der italienische Premier Giuseppe Conte begrüßt den EU-Wiederaufbauplan. Nun gehe es darum, die Ressourcen möglichst schnell zur Verfügung zu stellen. Wie aus internen Berechnungen der EU-Kommission vom Mittwoch hervorgeht, erhält nach dem Plan der EU-Kommission auch Österreich Zuwendungen in Höhe von vier Milliarden Euro.

Kurz spricht sich für Kredite aus
„Nun liegt der Vorschlag der EU-Kommission als Verhandlungsbasis vor“, so Kurz am Mittwoch. „Das ist der Startpunkt für die Verhandlungen. Positiv ist anzumerken, dass die Zahlungen aus dem Wiederaufbaufonds zeitlich befristet sein sollen und sichergestellt ist, dass es dadurch keinen Einstieg in eine dauerhafte Schuldenunion gibt. Was noch verhandelt werden muss, das ist die Höhe sowie das Verhältnis zwischen Zuschüssen und Krediten. Es ist naheliegend, dass die Südländer möglichst viel einfordern, dass die Visegrad-Staaten darauf schauen, dass Geld auch in den Osten Europas fließt. Genauso gibt es die Länder, die zahlen müssen, wie die Niederlande, die Schweden, die Dänen und wir. Wir sprechen uns daher aus Verantwortung gegenüber unseren Steuerzahlern klar für Kredite aus“, erklärt der Kanzler.

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