Rom vs. Berlin

Streit um EU-Marine-Mission „Sophia“ eskaliert

Ausland
23.01.2019 17:05

Deutschland hat den Rückzug des derzeit einzigen deutschen Bundeswehr-Schiffs aus der EU-Mission „Sophia“ im Mittelmeer angekündigt und damit eine heftige Debatte über die Zukunft des Einsatzes vor der libyschen Küste ausgelöst. Italiens Innenminister Matteo Salvini drohte am Mittwoch, einer weiteren Verlängerung der Operation nur zustimmen zu wollen, wenn es künftig zu einer fairen Verteilung von Migranten kommt, die während des Einsatzes aus Seenot gerettet werden. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erhob hingegen schwere Vorwürfe gegen die italienische Einsatzleitung. Diese soll zumindest das von Deutschland bereitgestellte Schiff bereits seit einem Dreivierteljahr nicht mehr in Mittelmeer-Regionen schicken, in denen Schleuserbanden unterwegs sind.

Das deutsche Verteidigungsministerium hatte am Dienstag bestätigt, dass Deutschland nach dem turnusmäßigen Abzug der Fregatte „Augsburg“ am 6. Februar zunächst kein Schiff mehr zu der Mission in den Gewässern zwischen Italien und Libyen entsenden werde. Kernpunkte des Einsatzes sind die Bekämpfung von Schleusern im Mittelmeer sowie die Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte. Deutsche Schiffe hatten zudem seit 2015 mehr als 22.000 Schiffbrüchige aufgenommen, im vergangenen Jahr aber kaum noch.

Von der Leyen: „Bundeswehr-Soldaten hatten seit Monaten nichts zu tun“
Von der Leyen übte deutliche Kritik am italienisch geführten Oberkommando der Mission. Dieses habe das deutsche Schiff „in die entlegenste Ecke des Mittelmeers geschickt, wo es überhaupt keine Schmuggelrouten gibt und auch keine Flüchtlingswege“, sagte die Ministerin am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Die deutschen Soldaten seien dort seit Monaten „ohne eine sinnvolle Aufgabe“ gewesen. Hintergrund ist, dass Italien sich seit geraumer Zeit weigert, gerettete Flüchtlinge an Land zu lassen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte dazu, dass Deutschland der Forderung nach deren gerechter Verteilung in Europa weiterhin positiv gegenüberstehe. Wichtig sei aber eine dauerhafte Regelung, damit „nicht jedes Mal von Einzelfall zu Einzelfall“ entschieden werden müsse.

Salvini: „Regeln von Mission gegen italienische Interessen“
Italiens Innenminister Matteo Salvini pochte in Rom erneut auf eine Änderung der bisherigen Einsatzregeln, wonach aus Seenot gerettete Menschen zunächst in einen italienischen Hafen gebracht werden sollen. Andernfalls müsse “Sophia“ beendet werden, sagte er. Sollte die Mission beendet werden, wäre dies für Italien kein Problem. “Was für ein Interesse hat Italien, sich an einer internationalen Mission zu beteiligen, wenn alle geretteten Migranten nur von uns aufgenommen werden müssen?", fragte Salvini bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Rom.

Über 43.00 Migranten gerettet
Zwischen Juli 2015 und 31. Dezember 2018 seien im Rahmen der Sophia-Mission 43.227 Menschen gerettet worden. Alle seien in Italien gelandet. „Was ist das für eine internationale Mission, wenn alle Migranten nur in Italien eintreffen?“, fragte Salvini. Sollte die Mission beendet werden, „werden wir damit leben“, erklärte der Innenminister und Chef der rechten Lega. An „Sophia“ - offiziell heißt die EU-Mission EUNAVFOR MED - sind 24 EU-Staaten beteiligt, darunter auch acht Stabsoffiziere aus Österreich.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos warb in Brüssel für eine Fortsetzung der Mission, die bisher „eine Erfolgsgeschichte“ gewesen sei. So sei eine große Zahl von Schleusernetzwerken aufgedeckt worden. Avramopoulos räumte aber ein, dass es letztlich die Entscheidung Italiens sei, ob „Sophia“ fortgesetzt werde.

„Sophia“-Mission: Nur noch drei Schiffe im Einsatz
Derzeit sind für die Mission nur noch drei Schiffe im Einsatz. Der bisher als Ablösung für die „Augsburg“ vorgesehene deutsche Einsatzgruppenversorger „Berlin“ soll nun zunächst in der Nordsee in Bereitschaft gehalten werden, könnte aber laut Verteidigungsministerium „jederzeit“ ins Mittelmeer entsandt werden. Weiter hob das Ministerium hervor, dass Deutschland „Sophia“ weiterhin unterstütze, auch durch die Entsendung von Offizieren in deren Hauptquartier.

Die „Augsburg“ sei zuletzt aber nur noch abseits der Flüchtlingsrouten zur Kontrolle möglicher illegaler Waffen- und Öllieferungen vor der libyschen Küste eingesetzt worden. Vor dem Einsatz eines neuen Schiffes müsse sich dies ändern. Die deutschen Grünen und Linken forderten, die Militärmission durch eine zivile Seenotrettungsinitiative der EU zu ersetzen.

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