Letzten Kampf verloren

Tumor zu aggressiv: Senator John McCain ist tot

Ausland
26.08.2018 07:06

Der bekannte US-Senator John McCain, der vor Kurzem seine Krebsbehandlung eingestellt hat, ist tot. Der Vietnamkriegs-Veteran, der einer der profiliertesten Kritiker von US-Präsident Donald Trump innerhalb der republikanischen Partei war, starb am Samstag im Alter von 81 Jahren. Der Tumor sei zu aggressiv gewesen. Der Politiker hinterlässt seine Frau Cindy und sieben Kinder. Seine Frau und weitere Familienmitglieder seien in den letzten Momenten bei ihm gewesen, hieß es.

Es ist eine Szene aus dem US-Senat, die immer wieder im Fernsehen gezeigt wird, auch im Ausland. Es geht um die Abschaffung von „Obamacare“, und diesmal scheinen die Republikaner nahe am Ziel. Alles hängt nun an einem Mann. Langsam geht John McCain ins Zentrum des Rampenlichts, dann dreht er den Daumen nach unten. Es ist das Ende für das Gesetzesvorhaben seiner Parteifreunde.

Er hatte es wieder getan: Courage gezeigt, sich widersetzt, ganz der „Maverick“, der Querdenker, die Idealfigur des Unangepassten - ein Image, das sich John McCain in den Jahren seiner politischen Karriere aufgebaut und sorgsam gepflegt hat. Er machte Trump einen Strich durch die Rechnung bei dessen Herzensanliegen, die verhasste Krankenversicherung seines Vorgängers abzuschaffen. Erst vor wenigen Tagen hatten Ärzte bei McCain einen Gehirntumor entdeckt, ein Glioblastom. Das war im Sommer 2017.

Nun, ein Jahr später, hat dieser Mann seinen letzten Kampf verloren - und Amerika mit ihm einen der wichtigsten Politiker der Gegenwart, einen aus der schwindenden Zahl jener, die sich im Laufe der Jahre große Achtung über Parteigrenzen hinweg erworben haben. McCain starb am Samstag um 16.28 Uhr im Kreise seiner Familie, wie sein Büro mitteilte. „Bis zu seinem Tod hatte er den Vereinigten Staaten von Amerika 60 Jahre treu gedient“, hieß es in der Erklärung.

Konservativen Kollegen in die Suppe gespuckt - auch Trump
Mehr als einmal hat McCain seinen eigenen konservativen Kollegen in die Suppe gespuckt, sich auf die andere Seite geschlagen. Er war milder in Immigrationsfragen als seine Parteifreunde, strikt gegen Folter, für Transgender im Militär. Und: Seit dem Amtsantritt von Donald Trump, der umgehend via Twitter kondolierte, entwickelte er sich zu einem der schärfsten Kritiker des Präsidenten unter den Republikanern, oft mit harten Attacken. 

Letzten Monate in seiner Heimat verbracht
McCains letzte Abstimmung im Senat war am 7. Dezember 2017. Als einer von wenigen Republikanern stimmte er gegen eine temporäre Übergangsfinanzierung der Regierung. Er sagte damals, er tue das, weil das dem Militär schade. Wenige Tage später teilte sein Büro mit, McCain lasse sich zu Hause in Arizona behandeln, er wolle im Jänner nach Washington zurückkehren. Es sollte anders kommen. Die vergangenen Monate verbrachte der schwer kranke Senator in der Heimat.

McCain war im Kern immer ein Konservativer, ein Abtreibungsgegner etwa, ein stolzer „Reagan-Republikaner“. Nach Berechnungen der Nachrichtenwebseite „FivethirtyEight“ stimmte er in gut 90 Prozent aller Fälle im Sinne von Trump. Sicherheitspolitisch war McCain stets ein ausgesprochener Hardliner. Einer mit tiefem Misstrauen gegen die traditionellen Feinde der USA wie Russland und China. Trumps seltsame Hinwendung zu Russland war ihm stets ein Dorn im Auge. Dessen Gipfel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Juli bezeichnete er als den „schändlichsten Auftritt eines amerikanischen Präsidenten in der Erinnerung“.

Kritiker sahen in McCain einen „Überhawk“ - einen ausgeprägten Falken und Verfechter militärischer Stärke. Im Irakkrieg unter George W. Bush etwa rief er nach mehr US-Truppen, in Syrien drang er früh auf Bombardierungen durch die Luftwaffe und Unterstützung der Rebellen. In der Ukraine forderte McCain laut Waffenhilfe für Kiew. Fast immer lautete sein Credo: Härte ist besser als Vertrauen.

Der Schlüssel für vieles, was den Politiker und Menschen McCain ausmachte, lag in seiner Familiengeschichte und seiner späteren Kriegsgefangenschaft. John Sidney McCain III kam am 29. August 1936 auf einer Marinebasis in Panama zur Welt. Sowohl sein Vater als auch sein Großvater waren Admiräle - keine Frage für John, dass er versuchen würde, in ihre Fußstapfen zu treten. Nach der Highschool besuchte er die Marineakademie in Annapolis, nach einem nicht gerade fulminanten Abschluss diente er von 1958 bis 1981 in der Navy.

Fünfeinhalb Jahre in Kriegsgefangenschaft
Am 26. Oktober 1967 geschah, was ihn wohl prägte wie nichts anderes. John McCain wurde über Nordvietnam abgeschossen, brach sich beide Arme und ein Bein. Fünfeinhalb Jahre verbrachte er in Kriegsgefangenschaft in Hanoi, mit Folter und Einzelhaft. Er lehnte eine vorzeitige Freilassung ab, seien doch Kameraden länger in Haft als er. Für den Rest seines Lebens konnte er seine Arme nicht über Schulterhöhe heben.

Seine politische Karriere startete McCain 1977, zunächst als Verbindungsmann der Marine zum Kongress. 1983 wurde er selbst Abgeordneter, 1987 zog er in den Senat ein. Im Jahr 2000 versuchte er sich erstmals als Präsidentschaftsbewerber, 2008 ein zweites Mal und wurde Kandidat seiner Partei. Dazu rückte er innerparteilich nach rechts und gab damit Kritikern Wasser auf die Mühlen. Manche haben ihm angelastet, dass er längst nicht so geradlinig gewesen sei, wie er auf viele gewirkt habe. Bei allem, auch seinem Parteirebellentum, sei es immer zuallererst um ihn selbst gegangen.

Gegen Obama verloren - wohl wegen Palin
McCain verlor gegen Barack Obama, dazu beigetragen hat wohl auch der möglicherweise größte politische Fehler seiner Karriere: seine Entscheidung für die völlig unbeleckt erscheinende Sarah Palin als Vize-Kandidatin. Nach der Niederlage widmete sich McCain wieder voll seiner Arbeit im Kongress.

Auch im Ausland wurde der hochdekorierte Mann als Sicherheitsexperte hoch geschätzt. Dort kam auch gut an, dass er sich zu einem der wenigen offenen Kritiker Trumps im eigenen Lager entwickelte, oft in beißender Schärfe, manchmal beinahe fassungslos.

Spitzname „weißer Tornado“
Mehr als einmal warf er dem Präsidenten mangelhaftes Wertebewusstsein, Unwissenheit und Impulsivität vor. Aber auch McCain selber war dafür bekannt, schnell auszurasten, oft soll er dabei sogar vulgäre Schimpfworte gebraucht haben. Das soll auch neben seinem frühzeitig weißen Haar zu seinem Spitznamen „weißer Tornado“ beigetragen haben.

Für Medien war McCain attraktiv, einer ihrer ausgesprochenen Lieblinge, weil er ein offenes Wort pflegte und in Zeiten oft holzschnittartiger Vereinfachung in der Lage war, politische Komplexität angemessen darzustellen. Keine Frage: John Sidney McCain III hinterlässt neben seiner Frau Cindy und sieben Kindern aus zwei Ehen eine große Lücke und ein schillerndes politisches Vermächtnis.

Neben seinen Familienmitgliedern trauerten auch zahlreiche Politiker um den streitlustigen Senator:

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