Handyverbot in Öffis

In Graz bald “Benutzen erlaubt, sprechen nicht”

Österreich
12.04.2008 15:04
Der Grazer ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl bleibt dabei: In Graz wird es ein Handyverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln geben - wenn auch in abgemilderter Form. Die ersten Pickerl mit durchgestrichenem Mobiltelefon will das Grazer Stadtoberhaupt kommenden Mittwoch, am "Welttag gegen den Lärm", selbst an Bus und Bim anbringen. "Benutzen erlaubt, sprechen nicht", lautet die Devise. Kritik äußerten am Freitag das Forum Mobilkommunikation sowie die SPÖ.

Wie Nagl am Freitag sagte, habe man Gespräche mit dem Vorstand der Grazer Stadtwerke AG und dem Direktor der Tochtergesellschaft, Grazer Verkehrsbetriebe, eingeleitet. "Benutzen erlaubt, sprechen nicht", ergänzte Nagl seine Sichtweise. Extra Kontrollen werde es nicht geben, aber ähnlich wie bei anderen Formen der Belästigung, etwa dem Essen, gebe es zumindest eine Handhabe für den Fahrer bzw. die Fahrerin.

Konkret ist nicht etwa ein Gesetz, sondern eine Änderung der Beförderungsbedingungen vorgesehen. In einem von GVB-Direktor Antony Scholz an den Stadtwerke-Vorstand übermittelten Entwurf, heißt es sinngemäß: "...wird ersucht, vom Gebrauch des Handys Abstand zu nehmen". Nach dem Vorstand muss auch noch der Aufsichtsrat mit der Änderung befasst werden. Ein Hardcore-Verbot, wie von Nagl zuerst gefordert, wird es also nicht.

Mobilfunker wenig begeistert
In der Diskussion hatte sich am Freitag auch das Forum Mobilkommunikation (eine Art Verband der Mobilfunker) eingeschaltet. Gefordert werden Sensibilisierungskampagnen statt Verboten. Für FMK-Sprecher Maximilian Maier sei ein Verbot ein "völlig falscher Ansatz und Fokus". Es sei natürlich nachvollziehbar, dass ein zu laut geführtes Gespräch stören könne. Das Handy dürfe nicht zum Sündenbock werden, Kommunikation sei ein Grundrecht.

Außerdem stelle sich die Frage, was dann als Nächstes untersagt werde: Musik hören oder starkes Parfum, so Maier. Es gelte vielmehr Handykompetenz zu vermitteln. Er sei jedenfalls sicher, dass im Rahmen der Anti-Lärmoffensive in Graz "andere Wege gefunden werden, um den Bürgern geeignetere Ruhe- und Erholungszonen zu gönnen, als die Zehn-Minuten Straßenbahnfahrt", so Maier.

SPÖ: "Verfassungsrechtlich nicht haltbar"
Die SPÖ lehnte am Freitag ein Handy-Verbot in öffentlichen Verkehrsmitteln erneut ab. Bundesgeschäftsführer Josef Kalina bezeichnete die Ideen aus Linz und Graz als "völlig anachronistische Idee". Ein Handyverbot sei wohl auch verfassungsrechtlich nicht haltbar, meinte Kalina. Der Umgang mit dem Handy sollte von jedem so gewählt werden, dass man damit seine Umgebung nicht belästigt. Das sei eine Frage des Verhaltens von Menschen untereinander und der gegenseitigen Rücksichtnahme, so Kalina.

Nagl: "90% der Gespräche müssten nicht sein"
Die Diskussion um das Handyverbot hatten die Städte Linz und Graz losgetreten. Bürgermeister Nagl, wollte das Telefonieren in Bus und Bahn anfänglich gar nur mehr in Notsituationen erlauben, schwächte seine Forderungen dann aber ab. Nagl sagte, 90 Prozent der in öffentlichen Verkehrsmitteln geführten Gespräche müssten nicht sein. Er mache sich daher für ein Handyverbot in Bus und Bahn stark. Einzige Ausnahme: Notsituationen.

Das gewünschte Totalverbot des Bürgermeisters stieß bei den Grazer Stadtwerken zunächst aber auf wenig Verständnis. Vorstandsdirektor Wolfgang Messner befürchtete, mit dem Verbot vor allem junge Menschen und jene, die ihr Handy beruflich nutzen, abzuschrecken. Anstatt mit Verboten zu arbeiten, solle man bei den Fahrgästen mehr Rücksicht einfordern, so Messner.

Linz: Ausmaß der Lärmbelästigung "nicht mehr angenehm"
Auch in Linz zieht man ein Handyverbot in Betracht, unternahm allerdings noch nicht Konkretes. Die Linz AG zeigt sich durchaus aufgeschlossen, will aber keinen Alleingang versuchen, wie Vorstandsdirektor Walter Rathberger betonte. Stattdessen wolle man das Thema im Mai bei einer Tagung des Fachverbands für Schienenverkehr auf die Tagesordnung setzen. Aus der Stadtpolitik habe er allerdings bereits negative Signale erhalten. Neben der Lärmbelästigung spiele auch die Strahlenbelastung eine Rolle, argumentiert die Linz AG.

Sollten alle Landeshauptstädte gemeinsam ein Handyverbot erlassen, wäre Linz dabei, so Rathberger. Allerdings müssten vorher noch rechtliche Fragen und die Art der Kontrolle geklärt werden. Beschwerden von Fahrgästen gebe es. Sie würden sich in erster Linie auf die Lärmbelästigung beziehen, die "sicher ein Ausmaß angenommen hat, wo es nicht mehr angenehm ist". Man wolle sich aber auch wissenschaftlich mit dem Thema Strahlung auseinandersetzen, erklärte Rathberger.

Sollte kein Handyverbot zustande kommen, überlegt die Linz AG andere Maßnahmen, um die "mobile Telefonitis" in den Straßenbahnen einzudämmen. Rathberger kann sich eine Plakatkampagne vorstellen oder Durchsagen, in denen man die Fahrgäste ersucht, vom Telefonieren Abstand zu nehmen. Sogar an spezielle Störsender wird gedacht. Ein Vorschlag, der laut SPÖ-Bundesgeschäftsführer Kalina "völlig absurd" ist. "Was kommt dan als Nächstes? Ein absolutes Schweigegelübde?"

Wiener Linien: Kein Handyverbot in Sicht
Bei den Wiener Linien denkt man indes nicht an solche Maßnahmen: "Schließlich haben wir ja das Mobilfunknetz in der U-Bahn erst um viel Geld ausgebaut", so Sprecherin Sandra Stehlik. Außerdem gebe es wenige bis gar keine Beschwerden über Handyfonierer.

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