"Er ist im Krieg"

Breivik-Anwalt plädiert auf Geisteskrankheit

Ausland
26.07.2011 19:11
Der Verteidiger des norwegischen Doppel-Attentäters Anders Behring Breivik plant, im Verfahren gegen seinen Mandanten Unzurechnungsfähigkeit geltend zu machen. "Die ganze Sache deutet darauf hin, dass er geisteskrank ist", zitierte die Nachrichtenagentur NTB am Dienstag Breiviks Anwalt Geir Lippestad (Bild links). Unterdessen wurde bekannt, dass nach dem Oslo-Attentat noch mehrere Angestellte der Justizbehörde vermisst werden.

"Anders Breivik glaubt, er ist in einem Krieg, und in einem Krieg könne man derartige Dinge tun", so Pflichtverteidiger Lippestad. Der 32-jährige Attentäter habe am Dienstag die Behauptung wiederholt, es gebe noch zwei Zellen seiner Organisation in Norwegen und weitere im Ausland, was Sicherheitsbehörden allerdings bezweifeln.

Derweil wurde am Dienstag bekannt, dass Norwegens Justiz Breivik möglicherweise wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anklagen will. Laut der norwegischen Zeitung "Aftenposten" könnte ein Paragraf des Strafgesetzbuches zur Anwendung kommen, der unter anderem die Verfolgung von Menschen wegen ihrer politischen Überzeugung umfasst.

Jetzt doch bis zu 30 Jahre Haft?
Der Strafrahmen wäre hier mit bis zu 30 Jahren Haft höher als bei den maximal 21 Jahren für den bisher ins Treffen gebrachten Terror-Paragrafen. Norwegen gehört zu den weltweit 20 Staaten, die die lebenslange Haft abgeschafft haben. Wie in Österreich, wo lebenslang die gesamte Lebensdauer umfasst, gibt es aber auch dort die Möglichkeit, dass ein Gericht nach der Haft die "Sicherheitsverwahrung" ausruft, womit der Verurteilte praktisch auf unbestimmte Zeit in Gewahrsam bleibt.

Immer noch ist nicht klar, wie viele Menschen durch Breiviks Taten ums Leben kamen. Bereits am Montag hatten die Behörden die Zahl der Amoklauf-Opfer von Utöya nach unten korrigiert, aber gleichzeitig betont, dass vermutlich noch nicht alle Leichen entdeckt worden seien. Am Dienstag hieß es dann, dass in Oslo noch mehrere Mitarbeiter des Justizministeriums als vermisst gelten. Die Büros der Behörde waren von dem Autobomben-Anschlag besonders schwer getroffen worden.

Breivik glaubte, auf Weg zum Gericht erschossen zu werden
Breivik ist unterdessen davon überzeugt, dass einige Menschen ihn sogar tot sehen wollten. Wie Anwalt Lippestad dem norwegischen Fernsehsender NRK mitteilte, rechnete der Attentäter damit, am Montag auf dem Weg zum Gericht erschossen zu werden.

Breivik wurde aber unversehrt ins Gerichtsgebäude und auch wieder zurück ins Gefängnis gebracht. Lediglich eine kurze Tritt-Attacke auf den Gefangenentransport musste die Polizei abwehren. Die Anhörung vor dem Haftrichter dauerte 35 Minuten und fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ursprünglich hatte Breivik geplant, dort vor den TV-Kameras seine kruden Thesen zu rechtfertigen. Außerdem wollte er in Uniform vor dem Haftrichter erscheinen, was jedoch abgelehnt wurde.

Der 32-Jährige räumte vor Gericht zwar erneut die ihm zur Last gelegten Taten ein, plädierte aber gleichzeitig auf "nicht schuldig". Da die norwegische Polizei einen Selbstmordversuch des inhaftierten Attentäters befürchtet, sei er im Gefängnis unter "permanenter Beobachtung", wie der Osloer Kriposprecher Pal Hjort Kraby erklärte.

Polizei veröffentlicht Namen der Toten
Unterdessen hat die Polizei hat am Dienstag damit begonnen, die Namen der Todesopfer vom vergangenen Freitag zu veröffentlichen. Sie nannte zunächst vier Namen, die übrigen sollen nach und nach freigegeben werden, sobald die Opfer identifiziert sind und die Angehörigen unterrichtet wurden. Drei der nun erstmals genannten Opfer waren bei der Explosion im Osloer Regierungsviertel ums Leben gekommen. Es handelte sich um zwei Frauen im Alter von 61 und 56 Jahren sowie um einen 32 Jahre alten Mann.

Ebenfalls genannt wurde der Name eines 23 Jahre alten Mannes, der bei dem Massaker auf der Insel Utöya von dem Attentäter Anders Behring Breivik getötet worden war. In Norwegen ist nach größeren Katastrophen die Veröffentlichung von Namenslisten der Opfer üblich.

Kritik am "zu langsamen Eingreifen" wächst
Die norwegische Polizei steht nach wie vor in der Kritik, weil sie nach Meinung vieler Betroffener zu spät beim Massaker von Utöya eingegriffen habe. "Warum seid ihr nicht früher gekommen?", schrien Überlebende die Polizisten an, als die Spezialeinheit eine Stunde nach dem Hilferuf auf Utöya eintraf. Auch zahlreiche Zeitungen schließen sich mittlerweile der Kritik an. Die Spezialeinheit landete erst um 18.25 Uhr per Boot auf Utöya. Zwei Minuten später ergab sich Breivik ohne Gegenwehr.

Die Polizei habe "eine fantastische Arbeit" geleistet, meinte dagegen Justizminister Knut Storberget am Dienstag nach einem Gespräch mit dem Osloer Polizeichef. Er wehrte auch Kritik ab, die Polizei habe Drohungen rechtsextremer Fanatiker in Norwegen ignoriert. "Ich weise Behauptungen zurück, dass wir die Rechtsextremen nicht unter der Lupe gehabt hätten."

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