Eskalation bei Demo

I: 190 Polizisten bei wütenden Bahn-Protesten verletzt

Ausland
04.07.2011 07:00
Die Proteste gegen eine Hochgeschwindigkeitstrasse im Norden Italiens eskalieren. Zum zweiten Mal binnen weniger Tage kam es am Sonntag bei einer Demonstration gegen das Milliardenprojekt der Bahn mitten im Piemont zu heftigen Zusammenstößen zwischen Teilnehmern und der Polizei. Laut den Behörden wurden dabei mindestens 400 Personen verletzt - darunter alleine 188 Polizisten, die nach den Krawallen medizinisch behandelt werden mussten. Mehrere Personen wurden festgenommen.

Rund 6.000 Menschen demonstrierten am Sonntag zunächst friedlich in Chiomonte an der Baustelle eines Tunnels für die Schnellstrecke im Val di Susa in der Nähe von Turin. Im Verlaufe des Protests kam es dann an mehreren Stellen zu Zusammenstößen. Die Demonstranten warfen den Angaben zufolge Steine und Feuerwerkskörper auf die Beamten. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Menge zu zerstreuen. Einigen Teilnehmern sei es gelungen, die Bauzäune zu überwinden, teilte die Polizei mit.

Viele Demonstranten, die in die Zusammenstöße verwickelt gewesen seien, hätten den Protest für Gewalt ausgenutzt. Mehrere Teilnehmer seien aus dem Ausland angereist. Unter den Demonstranten sollen sich auch Gruppen des berüchtigten linksextremistischen "Schwarzen Blocks" befunden haben. Der italienische Präsident Giorgio Napolitano verurteilte die Gewalt gegen die Sicherheitskräfte und erklärte, es werde nicht zugelassen, dass gewalttätige Teilnehmer die Proteste infiltrierten.

7,5 Kilometer langer Tunnel erhitzt die Gemüter
Die Trasse wird für eine Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Turin und Lyon gebaut und zum Teil mit EU-Geld finanziert. Sie soll den transeuropäischen Bahnkorridor von Lissabon nach Kiew schließen. In Chiomonte geht es um einen 7,5 Kilometer langen Tunnel. Die Arbeiten dort begannen Ende Juni als Startschuss für den gesamten Bauabschnitt. Der Plan wird von Trassengegnern seit Jahren heftig bekämpft.

Die Bewohner des Alpentales wehren sich nach wie vor mit allem Nachdruck gegen das 15 Milliarden Euro teure Projekt, das aus ihrer Sicht der Umwelt schadet und die Landschaft verschandelt. Dabei werden sie zunehmend von überregionalen Gruppen unterstützt. Die Bandbreite reicht dabei von Anarchisten bis zu Katholiken.

Starkomiker Grillo nennt Demonstranten "Helden"
Der für seine bissigen Kommentare zur italienischen Politik bekannte Starkomiker Beppe Grillo hat die Teilnehmer an den Protestaktionen als "Helden" bezeichnet. "Ihr macht eine außergewöhnliche Revolution, in ganz Italien läuten die Glocken", erklärte Grillo nach Angaben des "Corriere della Sera" am Sonntag vor den Demonstranten in Chiomonte.

Grillo beschuldigte die Sicherheitskräfte, "verbotenes Tränengas", das eine "krebserregende Kriegswaffe" sei, gegen die Protestteilnehmer einzusetzen. Die Ereignisse seien "technische Beweise einer Diktatur". Zur Frage, ob es unter den Demonstranten Vertreter des "Schwarzen Blocks" gebe, meinte der aus Genua stammende Komiker: "Sucht sie doch im Parlament". Er fügte hinzu: Die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon sei der "Betrug des Jahrhunderts", Warentransporte mit 300 Stundenkilometern eine Sache der 1970er-Jahre.

Politiker der großen Parteien kritisierten die Ausführungen Grillos scharf und betonten, Gewalt sei in keiner Weise zu rechtfertigen. Der Abgeordnete der oppositionellen PD, Stefano Esposito, warf Grillo vor, mit seinen "irrwitzigen Phrasen" Öl ins Feuer zu gießen, indem er von einer Revolution gegen die Diktatur spreche. Grillo hatte mit seiner "Fünf-Sterne-Bewegung" ("Movimento 5 stelle") bei den italienischen Kommunalwahlen im Mai einen Überraschungserfolg erzielt.

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