„Krone“-Interview

Lisa Eckhart: „Man kann nur lachen – oder leiden!“

Steiermark
17.09.2020 06:00

Eine veritable Empörungswelle ist in den vergangenen Wochen und Monaten über Kabarettistin Lisa Eckhart hereingebrochen. Im Grazer AK-Saal war die gebürtige Steirerin mit ihrem Debütroman „Omama“ zu Gast. Die „Krone“ traf sie backstage zum Interview.

Haben Sie eigentlich, wenn sie in die Steiermark kommen, ein Gefühl von Heimspiel?
Als Heimspiel würde ich es nicht bezeichnen, im Gegenteil: Es ist wahrscheinlich umso herausfordernder, weil das Publikum jetzt mit einem Gefühl des Verlassen-Werdens daherkommt und ich muss mich jetzt umso mehr bemühen, ihre Gunst wieder zu gewinnen, damit sie sich nicht allzu sehr als Waisenkinder fühlen, die Steirer.

Denken Sie an ihre 17 Jahre in der Steiermark eigentlich gerne zurück?
Ach, auch wenn das viele ganz anders interpretieren, bin ich kein sonderlich nostalgischer Mensch, der an irgendeine Epoche seines Lebens sonderlich sentimental zurückblickt. Aber würde ich es tun, wäre es sicherlich nicht mit Freude darüber, hier entkommen zu sein. Ich wohne jetzt zwar in der Stadt, aber nehme das zum Glück überhaupt nicht wahr. Und ob es mich irgendwann wirklich wieder hierher ziehen könnte? Ich kann es nicht ausschließen. Und wenn, dann mit Sicherheit in die Steiermark und nicht ins grässliche Wien.

Sie stehen jetzt ja schon seit einigen Jahren als Lisa Eckhart auf der Kabarettbühne und ich nehme an diese Bühnenfigur wurde bewusst als Provokation, als Überzeichnung konstruiert. Waren sie überrascht, dass es jetzt plötzlich Empörung und Polarisierung gab? Oder waren Sie eher überrascht, dass es so lange gedauert hat, bis die Empörung kam?
Ich habe meines Erachtens nach nie bewusst über die Stränge geschlagen. Da ich immer sehr zurückgezogen gelebt habe, waren mir gar nicht die Grenzen der Menschen bewusst. An die bin ich dann erst langsam gestoßen und habe gemerkt: Aha, Dinge, die für mich ein sehr sinnvolles Tabu darstellen, sind es für andere nicht und etwas, das ich als sehr harmlos empfinde, darüber haben sich die Menschen völlig in Rage versetzt. Dass es jetzt diese Empörung gibt, hat mich nicht überrascht, da ich ja bei weitem nicht die Erste und Einzige bin. Es fügt sich ja wunderbar in eine Zeit ein, in der Comedians schon ihr Frühwerk abklopfen und sich für Dinge prophylaktisch entschuldigen, die ein findiger Rabauke da aus dem Archiv fischen und ihnen einen Strick drehen könnte. Also insofern bin ich nicht überrascht, das schließt aber nicht aus, dass es einen dann persönlich trifft und das hat es schon getan. Ein leichtes Taumeln will ich nicht leugnen, aber jetzt, wo sich der Nebel lichtet, kann ich sagen: Sie haben mich nicht zu Fall gebracht. Es haben ihnen letztlich auch die Argumente gefehlt.

Sie haben auf die Vorwürfe aber auch nicht mit einer eindeutigen Entschuldigung oder Distanzierung reagiert. Wäre es nicht einfacher gewesen zu sagen: Ich entschuldige mich, falls ich da über die Stränge geschlagen habe?
Nein, es wäre in keinem Fall einfacher gewesen. Zum einen, weil es keinen Präzedenzfall gibt, wo so eine Entschuldigung dann irgendwie akzeptiert wurde - diese Menschen standen weiterhin in Ungnade. Und zum zweiten, hätte ich mich da entschuldigt, hätte ich mich wahrscheinlich nicht mehr im Spiegel anschauen können, weil es gab nichts zu entschuldigen und ich kann mich nicht dafür entschuldigen, dass Menschen mutwillig etwas missverstehen.

Elie Rosen, der Präsident der Jüdischen Gemeinde in Graz, der unlängst Oper eines antisemitischen Angriffs wurde, hat auf Twitter mit großer Empörung und Wut auf ihre Aussagen im Interview bei Barbara Stöckl reagiert und warf ihnen Antisemitismus vor. Wenn ihre Comedy, wie in diesem Beispiel, die Sphäre des Kabaretts verlässt und in der Realität sehr realen Schmerz verursacht, was macht das mit Ihnen?
Also man muss eines klar sagen: Wenn Antisemitismus kein reales Problem wäre, würde ich es ja gar nicht erwähnen. Die Menschen sagen dann immer, sie seien verletzt von dieser oder jener Pointe, aber die Verletzung geht der Pointe ja voraus. Der Humor reagiert ja auf die Verletzung. Das ist ja dann eine sehr schöne Form von Hybris, mit der man sich versucht über die Kränkung zu erheben - man kann leiden oder man kann lachen, das sind die zwei Möglichkeiten. Und ich persönlich kann auch nicht über Dinge lachen, die ich nicht ernst nehme. Das bedingt also schon, dass alle Themen, die ich behandle, eine reale Verankerung haben. Und natürlich gab es aus der jüdischen Gemeinschaft Menschen, die das kritisiert haben. Es gab aber auch sehr viele, die den Umgang mit mir kritisiert haben. Durch den Antisemitismusforscher Götz Aly etwa gab es schnell Kontakte nach Israel, von wo ich nun schon Einladungen zu Stand-up-Abenden bekommen habe.

War es eigentlich für Sie schwierig, so schnell vom Liebling des Feuilletons zu einem Problemfall zu werden, von der nun sogar die Fürsprecher sagen: So jemanden muss die Kunst „aushalten können“?
Es war schon lehrreich, um das Prozedere von Medien zu verstehen. Es gab Zeitungen, die ungelogen vorher noch Hymnen verfassten oder meine Texte mit äußerst schmeichelhaften Danksagungen abgedruckt haben, und sich einen Monat später nicht entblödeten zu bekennen: Wir haben sie immer schon gehasst. Grundsätzlich bin ich nicht um mich persönlich beunruhigt, weil ich den Eindruck habe: So wichtig kann ich mich gar nicht nehmen, dass ich das Problemkind bin. Sondern die Menschen behandeln Humor, Satire und im Größeren auch Kunst und Kultur als Problemkinder. Zum Glück - und tragischerweise - ist das Problem also viel größer als nur „die Eckhart“.

Verstehen Sie, warum sich so viele Menschen über Sie empören?
Die Menschen sind bestrebt nach Kränkungen zu suchen, das ist eine sehr eigenartige Form des Masochismus, verbunden mit einer schwindenen Resilienz und Resistenz gegen Schmerz. Ich glaube auch, dass wenn Menschen sagen „Das ist nicht meine Art von Humor“, sie sich darüber hinwegzutäuschen versuchen, dass sie Humor an sich nicht verstehen. Es gibt eben zwei Arten, wie Menschen auf Schmerz und die Zumutung der Sterblichkeit reagieren - entweder sie erhöhen es zum Tabu oder sie degradieren es zum Witz. Und da gibt es wenig Kommunikation zwischen den beiden Gruppen. Und denen, die den Schmerz zum Tabu erhöhen, wird der Witz immer als Schadenfreude erscheinen, für sie ist es immer mit Häme und Schmerz verbunden. Und diese Menschen fordern dann immer: Du musst nach oben treten! Wo ich immer sage, Humor kann nicht nach oben treten, das ist seine Attitüde, dass über dem Humor nichts mehr ist: Man wird immer „über“ etwas lachen und „unter“ etwas leiden.

Tut es ihnen leid, dass ihr erster Roman „Omama“ nun ganz im Schatten einer Empörung steht? Oder ist es dem Ganzen gar zuträglich?
Ach, ich glaube das, wodurch das Buch jetzt überschattet wird, hätte es vorher gar nicht an Aufmerksamkeit bekommen. Was nicht bedeutet, dass ich das Ganze, hätte ich die Wahl und könnte ich die Zeit zurückdrehen, auch selber anfachen würde. Und ich muss mich wahrscheinlich der gleichen Frage stellen, wie die Menschen dort in Hamburg. Wir beide werden immer ein bisschen damit einschlafen: Na wer ist jetzt schuld am Erfolg - war es ich selber und die „Omama“ oder waren sie’s? Aber sie wird der Zweifel weitaus größer plagen als mich, dass es jetzt ein Bestseller geworden ist.

Wie ist es eigentlich zur Idee gekommen, diesen „Omama“-Roman zu schreiben, über eine Generation der Kriegskinder und ihr Leben?
Diese Generation stirbt ja langsam weg und dieses Faktum verleitet viele Enkel dazu, sie noch mal tattrig ans Diktiergerät zu zerren und mit gütigem Blick auf deren Vergangenheit zu blicken. Erstens wollte ich da einen anderen Blick ergänzen. Zweitens habe ich eine wahre Russengeschichte mitbekommen, die so weit vom Klischee entfernt war, dass ich sie einbringen wollte. Und ich bin mit meiner echten Großmutter viel auf Reisen und habe davon Briefe in die Heimat geschickt. Man hat mir nahegelegt, doch nicht so geizig zu sein und diese Reiseberichte zu veröffentlichen. Es gab also viele Motive, mich an dieses Buch zu setzen und sie waren wohl auch alle nötig, damit ich an einem so großen Projekt drangeblieben bin.

War es eine bewusste Entscheidung, diesen Blick auf die Großelterngeneration nicht milde zu gestalten, sondern bewusst die Sprache und Literatur zu verwenden, um alles ins Böse zu drehen?
Nein, ich treffe vor dem Schreiben keine bewussten Entscheidungen. Ich glaube es wäre tötlich, wenn das jemand täte und dann noch meint, Kunst zu betreiben. Da erwarte ich trotz aller technischen Präzision, dass etwas Unbewusstes bleibt und man nicht nur einem vorgefertigten Plan folgt und letztlich eine Botschaft to-go für das Publikum parat hält. Das war die mir einzige Möglichkeit, diesen Roman zu schreiben.

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