Interview mit Ortschef

Warum trifft es die Gemeinde Brandenberg so hart?

Tirol
03.04.2020 08:00

Hier sind keine Touristenhorden, hier will man nicht mit Après-Ski Geld schaufeln - trotzdem ist das kleine Brandenberg ein Virus-Hotspot. Bürgermeister Hannes Neuhauser im „Krone“-Interview.

Als Krisenmanager hängt der Ortschef nonstop am Telefon, er will für jedes Anliegen offene Ohren haben („zu Mittag ist mein Akku leer“). Mit 40 Coronafällen und drei Todesopfern ist der 1520-Seelen-Ort unverhältnismäßig schwer getroffen. Und das, obwohl Brandenberg ein selten beschauliches Seitental abseits des zentralen Siedlungsraumes ist. Die „Krone“ erreichte Neuhauser telefonisch im Büro seines Hotels „Neuwirt“.

„Krone“: Herr Bürgermeister, können Sie sich die vielen Infizierungen erklären?
Neuhauser: Leider sind wir das Ischgl des Bezirks Kufstein, obwohl wir das Gegenteil eines belebten Skiorts sind. Wir haben viele Pendler, einige wenige könnten das Virus eingeschleppt haben. Dazu kommt ein reges Vereinsleben. In der Woche vor dem 15. März, als noch Versammlungen bis 100 Personen erlaubt waren, hatten wir eine Registerprobe bei der Musik, eine Chorprobe und eine Agrarversammlung. Da kamen unglückliche Umstände zusammen.

Wen hat es in der Bevölkerung genau getroffen?
Es ist eine eigenartige Mischung. Personen aus allen Altersgruppen und Ortsteilen sind dabei – bis hin zu Fällen weit oben am Berg auf einem Bauernhof. Auch unsere Hausärztin wurde positiv getestet, sie öffnet ihre Praxis nun aber wieder.

Das Altenwohnheim haben Sie bereits schließen müssen?
Ja, die Bewohner sind nun im Rehazentrum Münster untergebracht. Dabei ging es aber nicht um bestätigte Infizierungen, sondern darum, dass nur mehr vier von neun Pflegemitarbeitern völlig gesund oder nicht in Quarantäne waren. Die Gesunden helfen in Münster mit. Unser Altenwohnheim wird jedenfalls gründlichst gereinigt, bevor es wieder öffnet.

Können sich die Gemeindebürger im Kampf gegen das Virus einbringen?
Wir verwenden Materialien aus meinem Hotel zum Nähen von Schutzmasken, 1700 Stück sollten dank 30 Näherinnen am Montag fertig sein. Da sind beispielsweise die Kindergärtnerinnen und die Ortsbäuerinnen aktiv. Weiters helfen die Vereine mit – die Feuerwehr liefert Medikamente aus, die Landjugend Lebensmittel von Spar und die Fußballer holen den Müll ab, wenn es notwendig ist.

Die Stimmung im Ort?
Panisch war sie nie, aber es wird unter anderem diskutiert, wer den Virus eingeschleppt hat. Diese Schuld-Debatte mit Gerüchten bringt nichts. Wenig erfreulich ist, dass draußen im Inntal manche um Brandenberger einen doppelt so großen Bogen machen.

Was erwarten Sie von den kommenden Wochen?
Das Zuhause bleiben ist weiter oberstes Motto, teilweise bröckelt dieses aber. Man muss sich nämlich wundern, wenn hinten nahe des Kaiserhauses zwölf auswärtige Autos stehen – von Bikern, die von dort zu Touren aufbrechen. Ausgerechnet bei uns.

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