Armut und Gewalt

Mordserie an Straßenkindern schockt Indonesien

Ausland
22.03.2010 13:31
Hudaiva schaut in die Ferne, als sie über ihren Sohn Arif spricht. Der Siebenjährige verschwand im Mai 2008 von den Straßen von Jakarta. Einen Tag später fand die Polizei in einem Karton an einer Bushaltestelle die verstümmelten Überreste eines Burschen. Erst vor wenigen Wochen erfuhr Hudaiva, dass es die Leiche ihres Sohnes war. Arif wurde Opfer einer Mordserie unter Straßenkindern, die Indonesien schockiert und die Behörden aufrüttelt.

Über den Verbleib von Arif erhielt seine Mutter erst Gewissheit, als ein 48-jähriger Verdächtiger festgenommen wurde. Der auch als Babeh (Vater) bekannte Mann war bis dahin nicht polizeibekannt und bei seinen Nachbarn beliebt. Nun gestand er mindestens 14 Vergewaltigungen und Morde seit 1995, alle an Buben, die auf der Straße lebten und arbeiteten. Eines seiner Opfer soll das Bettlerkind Arif gewesen sein.

Babeh ist nicht der einzige, der die Wehrlosigkeit der obdachlosen Minderjährigen brutal ausnützte: Einem anderen Mann, bekannt als Abang Kaca Mata (Bruder mit Brille), wird die Vergewaltigung von mindestens 15 Straßenkindern vorgeworfen.

Offiziell 300.000 Straßenkinder registriert
Nun fragen sich die Indonesier, warum ihre Regierung nach einem Jahrzehnt demokratischer Reformen und wirtschaftlichen Wohlstands die wehrlosesten Mitglieder der Gesellschaft noch immer nicht zu schützen vermag. 4,4 Millionen Kinder gelten in Indonesien als hilfsbedürftig - manche sind Waisen, andere Opfer häuslicher Gewalt. 300.000 davon sind offiziell als Straßenkinder registriert.

Verlässliche Daten über sexuellen Missbrauch solcher Kinder gibt es kaum. Mangelnde Vorgaben und Kontrollen führen dazu, dass fast jeder eine Anlaufstelle für obdachlose Kinder anbieten kann. Der mutmaßliche Serienmörder Babeh machte sich dies zunutze und bot sein Haus als Unterschlupf an. Dort tötete er viele seiner minderjährigen Opfer.

"Diese Männer versuchen es immer wieder"
Die zwölfjährige Straßenmusikerin Ela Nurilasari erinnert sich an Arif als liebenswürdigen Buben, der seine Betteleinnahmen mit ihr teilte. Ela trägt eine Ukulele mit grellfarbenen Aufklebern. "Ich kann zwei Lieder spielen", sagt das hübsche Mädchen und lächelt unter schweißverklebten Haaren hervor. Damit verdient sie 20.000 Rupien, umgerechnet etwas mehr als drei Euro an einem Neun-Stunden-Tag.

In ihren fünf Jahren auf der Straße wurde sie wiederholt belästigt, wie sie sagt. "Ein Mann bot mir 50.000 Rupien. Ich hatte Angst, dass er mich vergewaltigt, also rannte ich davon. Diese Männer versuchen es immer wieder, deshalb haben wir sie eines Tages mit Steinen beworfen." In ihren langen Tagen auf der Straße träumt Ela von einem anderen Leben: "Ich möchte Ärztin werden. Aber wie, wenn ich den ganzen Tag arbeiten muss? Meine Eltern sind Straßenkehrer. Wenn ich nicht arbeite, haben wir nicht genug zu essen."

Ankündigung der Behörden stößt auf Unglauben
Unter dem Druck der täglichen Berichte über die grausamen Morde wollen die Behörden aktiv werden. Doch ihre Ankündigung, die Straßen der Hauptstadt bis 2011 von Straßenkindern zu räumen, stieß auf Unglauben. "Sie können das Problem nicht in einem Jahr lösen", sagt Arist Merdeka Sirait von der Nationalen Kinderschutzkommission. "Sie müssen den Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen. Wenn sie etwas lernen, müssen sie nicht mehr auf der Straße arbeiten."

Das Sozialministerium erwägt, umgerechnet knapp vier Millionen Euro für den Bau weiterer Kinderheime bereitzustellen. Doch darauf will Arifs Mutter Hudaiva nicht warten. Sie möchte Geld sparen für einen Verkaufsstand, den ihre vier überlebenden Kinder betreiben sollen. "Auf der Straße sollen sie nicht mehr arbeiten", sagt sie.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele