„GVB-Papst“ in Pension

Im ersten Leben Priester, dann Straßenbahnfahrer

Steiermark
29.07.2018 08:00

Einer der beliebtesten und bekanntesten Straßenbahnfahrer von Graz ist das letzte Mal in die Remise gefahren - also in Pension gegangen. Dass Karl Lechner Straßenbahner wurde, kann man getrost als göttliche Fügung bezeichnen. Er war früher nämlich Geistlicher. Daher kommt auch sein Spitzname „GVB-Papst“.

„Das war der 1. Oktober 1993“, erinnert sich Lechner an seinen ersten Arbeitstag, als ob es gestern gewesen wäre. Fast ein Vierteljahrhundert war Lechner Straßenbahnfahrer. Vor ein paar Wochen wurde er von seinen Arbeitskollegen mit einer Sonderfahrt vom Jakominiplatz zur Remise 3 in der Alten Poststraße in die „Pensi“ verabschiedet. „Ich möchte mich auf diesem Wege noch einmal bedanken, auch bei der Chefetage und beim Betriebsrat, die das ermöglicht haben“, betont er.

Die Grazer Verkehrsbetriebe waren die zweite Station in seinem Berufsleben. „Nach dem Militär bin ich in den Franziskanerorden eingetreten und habe Theologie studiert“, erzählt er. Das war 1977. Zehn Jahre später wurde er zum Priester geweiht. Doch irgendwann - er war damals Kaplan im Grazer Franziskanerkloster - merkte er, dass er vieles nicht mehr ehrlich vertreten konnte, was er eigentlich vertreten sollte.

„Habe neuen Job gebraucht“
„Ich habe also einen neuen Job gebraucht“, sagt Lechner. Und so bewarb er sich bei den GVB, wie die Grazer Verkehrsbetriebe früher hießen und auch heute noch von vielen genannt werden. Warum ausgerechnet dort? „Ich war immer schon ein Fan von Schienenfahrzeugen“, sagt er. Als Kind habe er entweder Pfarrer werden wollen oder Lokführer. Wenn es ihn vorher nicht nach Graz verschlagen hätte, wäre er vermutlich zu den ÖBB gegangen: „Ich bin in Bad Hofgastein aufgewachsen, da gab es keine Straßenbahn.“

Straßenbahnfahrer als zweite Berufung
Bei den Graz Linien, wie die GVB heute heißen, fand er seine zweite Berufung. „Es war die richtige Entscheidung“, sagt er heute. Zuerst fuhr er mit den alten Sechs-Achsern, „260er“ genannt. „Die haben beim Fahren geheult, und es gab keine Trittstufen, man musste also hineinklettern“, denkt er zurück. Am besten gefahren sei er mit dem Cityrunner - „ein g’führiges Fahrzeug“, meint er. Seine Lieblingslinie war der 1er: „Mariatrost ist ja fast wie am Land. Da hat es sein können, dass ein Rehbock auf dem Gleis steht.“

Der Seelsorger spricht aus ihm
Mit den Fahrgästen sei er immer gut ausgekommen. Und wenn einmal jemand unfreundlich war, dann hat er das nicht persönlich genommen. „Vielleicht hat derjenige einen schlechten Tag gehabt“, spricht der Seelsorger aus ihm. Früher seien oft Kinder vorne gestanden und hätten ihn ausgefragt, „heute geht das bei den meisten Fahrzeugen nicht mehr, weil die Fahrer in einer Glaskabine sitzen“.

In der Pension möchte er in andere Städte reisen und sich die dortigen Verkehrsbetriebe anschauen. In Dresden und in Bratislava war er schon. Und ist dort mit einem Konstruktor sogar Straßenbahn gefahren. „Ich habe eben ein Faible für das Ganze“, schmunzelt er. Eines will er noch loswerden: „Ich bin sehr dankbar für die Kollegialität, die es bei den Verkehrsbetrieben gab, und die Freundschaften, die mir geblieben sind. Und auch meiner Frau, die meinen Beruf immer mitgetragen hat - schließlich muss man als Straßenbahnfahrer oft am Abend und am Wochenende arbeiten.“

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