Wüsten-Weihnacht

“Krone”-Reporter berichtet aus dem Tschad

Österreich
22.12.2008 19:16
Oh Tannenbaum! Bei 50 Grad Hitze hält sich in der Wüste kein Bäumchen. So ist auch der symbolische Weihnachtsbaum aus der Heimat im Tschad-Lager bei Abéché eine Plastiktanne. Selbst Kärntner Würstl, Tiroler Speck und Gitarrenmusik lassen bei der vorweihnachtlichen Feier mit Minister Darabos keine echte Heiligenabend-Stimmung aufkommen. "Ein wirkliches Weihnachtsgefühl kann ich hier nicht empfinden", gibt ein Kärntner "Tschad-Soldat" (28) offen zu, wie gefährlich der Afrika-Einsatz wirklich ist.

Vor allem das Wissen um die Armut und Angst der 300.000 Darfur-Flüchtlinge dämpfen die Adventfreude. Freude bringt dafür das Geschenk des Ministers: Darabos hat vier Laptops mit Internetanschlüssen für die Soldaten installieren lassen. Somit können die 160 Österreicher ab nun via Bildschirm mit ihren Lieben in der Heimat kommunizieren.

Mord und Totschlag an der Tagesordnung
"Da der Herr Minister auch eine Digital-Kamera unter den Christbaum gelegt hat, werden wir ab jetzt Bilder schicken. Damit sich unsere Familien nicht allzu große Sorgen machen", fasst ein Elite-Soldat die wahre Stimmung zusammen. Denn die Sorge in der Heimat ist nach wie vor berechtigt. Mord, Totschlag, Überfälle und Vergewaltigung stehen an der Tagesordnung. Seit Februar wurden allein im Raum Abéché 100 Frauen und Kinder Opfer von Gewalt: 50 starben, 50 wurden schwer verletzt.

Auch wenn die Österreicher hier im Osten eines Landes, das fünfzehnmal so groß ist wie die Alpenrepublik, militärische Aufklärungsarbeit leisten, ist die Langzeitwirkung ihres Auftrages mehr als fraglich. Vor allem für medizinische Betreuung sind die Leute dankbar: Im Tschad kommt auf 50.000 Menschen ein Arzt! Dennoch, die 3.200 Soldaten aus Europa verlieren sich in dem riesigen Wüstengebiet gleichsam im Sand.

Planungsfehler der EU-Leitung
Katastrophale Planungsfehler der EU-Leitung sorgten von Anfang an dafür, dass der Afrikaeinsatz unter einem Unstern stand: Nach dem Rebellenangriff – 2.000 Kämpfer stürmten die Hauptstadt N'Djamena - stand die Mission sogar kurz vor dem Abbruch. Haarsträubende Logistikpannen unterbanden dann wieder den Truppentransport der 3.200-Mann-EU-Truppe. Zudem gelang es den Brüsseler Bürokraten nicht einmal, die benötigte Hubschrauber-Flotte aufzustellen.

Erst Uralt-Geschwader der polnischen und sogar russischen Armee wurden schließlich als Notlösung nach Afrika verlegt. Umso erfreulicher, dass es den in die Wüste geschickten rot-weiß-roten Soldaten dennoch gelungen ist, sich im Tschad durchzusetzen.

Einsatz-Kosten: 19 Millionen Euro
"Auch wenn es weiterhin Banditenüberfälle im Osten des Tschads gibt, so hat die EUFOR-Truppe dafür gesorgt, dass 40.000 Flüchtlinge in ihre Dörfer zurückkehren konnten", wertet Minister Darabos den Einsatz (Kosten rund 19 Millionen Euro) als Erfolg. Selbst wenn die EU-Truppe keine politische Lösung herbeiführen könne, so sei es von humanitärer Bedeutung, den Menschen zu helfen. Sollte es im März ein dementsprechendes UNO-Mandat geben, will sich Darabos für die Verlängerung der bisherigen Afrika-Mission einsetzen.

"Die Leute haben so gut wie gar nichts", erzählt Major Alexander Schüller von seinen Patrouillenfahrten. Eine Armut, die in der vorweihnachtlichen Zeit auch zu denken gibt. "Obwohl die Menschen von der Hand in den Mund leben, sind sie fröhlich. Die Kinder wissen nichts vom Kaufrausch oder einer neuen Playstation. Sie freuen sich über Kleinigkeiten wie einen alten Autoreifen als Spielzeug." Umso ärgerlicher, wenn man bedenkt, dass der Tschad extrem reich an Erdöl und Bodenschätzen ist.

Tschad-Reichtum nur für den Diktator
Ein riesiger Reichtum, der aber nur dem von Frankreich unterstützten Clan des Diktators Déby zugute kommt. Während das Regime das Land brutal ausbeutet und sich nicht um die Armen kümmert, herrscht zumindest dort Weihnachtsfrieden, wo Österreichs EU-Soldaten patrouillieren...

aus dem Tschad berichtet "Krone"-Reporter Christoph Matzl

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