"Krone" am Tatort

24 Stunden mit der Polizei: Ein Lokalaugenschein

Österreich
15.03.2014 17:00
Beschützer oder Abkassierer, Freund oder Feindbild - die Polizei polarisiert. Wenn bei der Exekutive gespart werden soll, dann steigen die Österreicher auf die Barrikaden. Ein "Krone"-Lokalaugenschein, um die Frage zu klären: Wie sehen die Polizisten ihre Lage selbst?

Die Polizei ist plötzlich wieder "in" - in den Schlagzeilen nämlich. Und in den Köpfen der Bürger. Es geht um Postenschließungen im großen Stil, Zusammenlegungen, den vermeintlichen Sparkurs, einen Kahlschlag, einen Anschlag auf unsere Sicherheit. Es geht um sperrangelweit geöffnete Ostgrenzen, um die Ohnmacht gegenüber Einbrecherbanden. Worum es in der Diskussion allerdings nie geht: um die Polizisten selbst. Ja, in der hitzig geführten Debatte werden Herr und Frau Inspektor in eine Nebenrolle gedrängt - in eine Statistenrolle!

Beruf oder Berufung? Ein Tag als Polizist - Buben- und Mädchentraum zugleich. Tschüss, lieber Redaktions-PC, wir sehen uns in 24 Stunden wieder. Stolz zippen sich der "Krone"-Reporter und sein neuer "Kollege" Alois Hayden die gut bekannten Dienstjacken mit dem Polizeischriftzug zu. Die Glock im Halfter, den Pfefferspray und die "Achter" sicher verstaut - das hat aber freilich nur der echte. Brauchen wird er sie im Moment nicht - Schulwegsicherung ist angesagt.

Alltag einer Polizeiinspektion in Niederösterreich
Es ist 7.30 Uhr, über der idyllischen Wienerwald-Gemeinde Eichgraben in Niederösterreich hängt eine dicke Nebeldecke, es regnet leicht. Der Postenkommandant regelt den Verkehr vor der Volks- und Mittelschule höchstpersönlich. Vielseitigkeit ist gefragt. Das Wachzimmer ist nur einen Steinwurf vom Schulkomplex entfernt, die Menschen grüßen höflich. Doch im 6.000-Seelen-Ort herrscht Unruhe.

Im Sommer sperrt die Inspektion, in der überschaubare fünf Mann hoch den Dienst versehen, zu. Schluss, aus - die Zusammenlegung mit dem Posten Altlengbach ist beschlossene Sache. Keine Schulwegsicherung mehr, kein Salutieren auf der Straße, keine Jagd auf dreiste Einbrecher, die aktuell die Gegend heimsuchen? "Natürlich nicht, es wird sich nichts ändern", kündigt Hayden an.

Der 46-Jährige sollte es als amtierender Postenkommandant ja wissen, dafür letztlich auch die Hand ins Feuer legen. Dass die "Krone" für ihren 24-Stunden-Dienst bei der Polizei gerade diesem Rayon zugeteilt wurde, darf nicht verwundern. Alois Hayden ist das, was man gemeinhin als Vorzeigepolizist bezeichnet - und als Vorzeigemenschen. Ehemann, Vater einer 14-jährigen Tochter, dienstbeflissen, korrekt, aufmerksam, Nichtraucher, makelloser Lebenslauf. Und mit dem Gespür, das Richtige zu tun.

Sinn für Gerechtigkeit führt zu Berufswahl
Vor knapp 30 Jahren entschloss sich der Niederösterreicher, in den Polizeidienst zu treten. "Mein Onkel hat mich dazu angestiftet", erzählt Hayden zwischen zwei Anhaltungen auf der Landstraße, "ich wollte es einfach probieren." Es war wohl der Sinn für Gerechtigkeit, der ihn letztlich auf diesen Pfad geführt hat. Mit 15 (!) Jahren, damals noch als Gendarm. "Sonst hätte ich wahrscheinlich irgendwas mit Handwerk gemacht." Das ist ewig her, bereut hat er die Entscheidung nie.

Einfach - wenn auch abgesichert - ist der Job nicht. Meist zu spät am Tatort und auf der Straße als Abzocker verschrien. Nicht angeschnallt, das Handy am Ohr, zu schnell, beschwipst - der Griff ins Geldbörsel der Bürger ist fix. Der Feind trägt blau. Doch wenn an der Exekutive gerüttelt wird, sehen die Österreicher rot. Auch in der aktuellen Diskussion um Postenschließungen. 138 sollen bis Sommer dichtmachen. Gespart wird dadurch nicht ein Cent, beteuert das Innenministerium, die "moderne Polizei" bringt nur mehr Beamte auf die Straße. Das wird sich zeigen.

Polizist: "Man weiß nie, was passieren wird"
Dealer, Einbrecher, Schulkinder - Polizeialltag in Eichgraben. Noch nie musste der 46-Jährige einen Schuss abgeben, wenngleich er auf diesen Extremfall natürlich vorbereitet wäre. "Das Herausfordernde und Interessante am Job ist, dass man nie weiß, was passieren wird. Dass er nie Routine wird."

Es ist ein ruhiger Vormittag. Ein junger Mann gibt eine Verlustanzeige auf, ein anderer kommt vorbei, seine Strafe zu zahlen - nicht angeschnallt. Wie aus dem Nichts springt das Funkgerät an. Alarm in der Raiffeisen in Neulengbach. Blaulicht, Sirenen, Adrenalin - in fünf Minuten sind wir am Tatort. Zum Glück Fehlalarm - ein Mitarbeiter der internen Revision hatte irrtümlich den falschen Knopf gedrückt. Polizeialltag in Eichgraben. Schon in der Vergangenheit war der Posten nachts nicht besetzt - so auch heute.

Über die Außenring-Autobahn geht's nach Perchtoldsdorf im Bezirk Mödling. Hinter einem Eingangsportal, das eher einem Mauseloch gleicht, verbirgt sich eine Polizeistation ganz nach dem Geschmack der Innenministerin. 30 Beamte kümmern sich hier um die Sicherheit der Marktgemeinde, der Altersschnitt liegt bei knapp 30 Jahren - wenn man den Kommandanten und seinen Vize ausnimmt, weit darunter: "Diese Konstellation erhöht natürlich auch die Sicherheit unserer Beamten", so Ministerin Johanna Mikl-Leitner, "keiner ist mehr allein unterwegs."

Auf der Jagd nach einer Autobande
Eine eigene Partie für Kriminaldelikte, Drogen, Fußball-Fans und Cyber-Crime. Allesamt mit dem Jagdinstinkt ausgestattet. Schon seit Wochen sind die jungen Wilden einer Autobande auf der Spur. Kurz vor Mitternacht wird stiller Alarm in einem der überwachten Autohäuser ausgelöst.

Vier Streifen sind bereits im Bezirk unterwegs, in der Inspektion schnappen sich weitere sechs Polizisten die Jacken und stürmen zu den Einsatzwagen. Adrenalin. Zugriff um jeden Preis? Nein, die Falle schnappte um wenige Sekunden zu spät zu. Zwar mussten die Täter ihre Beute zurücklassen, sie konnten aber im Schutze der Dunkelheit entkommen. Sauer kehren wir ins "Mauseloch" zurück.

Kommandant: "Wir leben unserenBeruf"
Mittendrin Michaela Fischer. Die blonde Mähne zu einem Zopf zusammengebunden, sitzt die 29-Jährige am Computer. Papierkram eben. Seit sechs Jahren steht die Niederösterreicherin im Dienst. Das Chemiestudium hat sie abgebrochen - der Job als Polizistin ging vor. "Mit Menschen zu tun haben, Gerechtigkeitssinn und anderen zu helfen", so begründet sie ihre Berufswahl. Klischeehaft? Vielleicht. Ehrlich? Mit Sicherheit.

Die fehlgeschlagene Aktion gegen die Auto-Marder wurmt sie. Genauso wie die anderen. Und auch der vermeintliche Alko-Lenker, der sich der Anhaltung durch Vollgas entzog. "Wir leben unseren Beruf", so Postenkommandant Erwin Biegler. Dabei hätte er die Gauner ebenfalls gerne dingfest gemacht - allein beim Gedanken daran blitzen seine Augen. Polizeialltag, nicht nur in Perchtoldsdorf.

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