1 Mrd. Euro wert

D: Mann versteckte über Jahrzehnte Nazi-Raubkunst

Ausland
04.11.2013 14:35
Der Sohn des Münchner Kunstsammlers Hildebrand Gurlitt hat offenbar über Jahrzehnte eine riesige Sammlung von verschollener Nazi-Raubkunst in seiner Wohnung versteckt - darunter Gemälde von Picasso, Matisse und Chagall. Zollfahnder hatten die insgesamt rund 1.500 Werke laut einem Bericht des deutschen Nachrichtenmagazins "Focus" bereits 2011 entdeckt und beschlagnahmt, den Sensationsfund allerdings geheim gehalten. Dem Bericht zufolge wird der Wert der Kunstwerke auf rund eine Milliarde Euro geschätzt.

Bereits im Frühjahr 2011 sollen die bayerischen Zollfahnder nach Informationen des Nachrichtenmagazins in der Münchner Wohnung von Cornelius Gurlitt die bislang verschollenen Bilder von Dutzenden Meistern der klassischen Moderne entdeckt haben. Darunter befinden sich "Focus" zufolge Werke von Pablo Picasso, Henri Matisse, Marc Chagall, Emil Nolde, Franz Marc, Max Beckmann, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Ernst Ludwig Kirchner und Max Liebermann. Der Gesamtwert der sichergestellten Kunstwerke belaufe sich einer Schätzung zufolge auf rund eine Milliarde Euro.

Behörden hielten Razzia geheim
Als die Fahnder die Wohnung des Münchners in einer mehrtägigen Aktion leer räumten und die Bilder abtransportierten, habe der Mann keinen Widerstand geleistet. Die Aktion des Zolls lief unter Ausschluss der Öffentlichkeit und wurde von den Behörden geheim gehalten. Die beschlagnahmten Gemälde befinden sich dem Bericht zufolge seither in einem Sicherheitstrakt des bayerischen Zolls in Garching bei München. Die zuständige Staatsanwaltschaft Augsburg wollte den "Focus"-Bericht auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa am Sonntag weder bestätigen noch dementieren.

Bilder in zugemüllter Wohnung gehortet
Wie das Nachrichtenmagazin weiter schreibt, sollen die Nationalsozialisten die Werke von jüdischen Sammlern geraubt oder als "entartete Kunst" konfisziert haben. Demnach hatte der Vater des 79-Jährigen, ein Kunsthändler, die Gemälde in den 1930er- und 1940er-Jahren aufgekauft. Seit mehr als 50 Jahren soll sie der Sohn dann in seiner Wohnung gehortet haben - in verdunkelten, zugemüllten Zimmern mit selbstgeschreinerten Regalen. Im Laufe der Jahre habe er einzelne Bilder verkauft und von dem Erlös gelebt.

Raubkunst in Linz? Stadt sieht keinen Zusammenhang
Ein Teil dieser Raubkunst soll laut einem ORF-Bericht sogar nach Oberösterreich in die Neue Galerie Linz - das Vorgängermuseum des heutigen Lentos-Kunstmuseums Linz - gelangt sein. Wolfgang Gurlitt, ein Cousin von Hildebrand Gurlitt, war in den 50er-Jahren auch der Direktor der Neuen Galerie.

Die Stadt Linz sieht jedoch keinen Zusammenhang mit den bisher verschollenen Gemälden von Meistern der klassischen Moderne, die der Nazi-Raubkunst zugeordnet werden. Die Sammlung von Wolfgang Gurlitt sei 1953 angekauft worden, mit Hildebrand Gurlitt habe es jedoch keine Geschäftsbeziehung gegeben, stellte der Linzer Kulturdirektor Julius Stieber am Montag fest - "nach heutigem Wissensstand", schränkte er aber ein.

Manche Bilder seien aus späterer Sicht von zweifelhafter Herkunft gewesen, deshalb habe man seit Längerem Nachforschungen betrieben und auch einige Bilder an ihre rechtmäßigen Eigentümer restituiert. Die Provenienzforschung im Lentos sei inzwischen abgeschlossen. Aktuell seien noch drei Bilder bei der Kunstrückgabekommission.

Mann bei Kontrolle während Zugfahrt aufgefallen
Die Zollfahnder hatten den Kunstschatz jedenfalls nur durch Zufall entdeckt. Wenige Monate vor der Beschlagnahmung sei Cornelius Gurlitt dem Zoll bei einer Bargeldkontrolle während einer Zugfahrt von der Schweiz nach München aufgefallen. Die Fahnder recherchierten weiter und erwirkten schließlich eine Durchsuchung der Wohnung des Mannes. Der 79-Jährige sei ein Einzelgänger, dessen Existenz in Deutschland bislang keiner Behörde bekannt gewesen sei. Nach der Razzia habe er zumindest ein weiteres Gemälde - ein Bild von Max Beckmann - für rund 865.000 Euro bei einem Auktionshaus in Köln versteigern lassen, heißt es in dem Bericht.

Mindestens 300 Werke "entarteter Kunst" zugerechnet
Eine Berliner Kunsthistorikerin versuche nun, die Herkunft und den Wert der sichergestellten Werke zu ermitteln. Den Untersuchungen zufolge gehören mindestens 300 der aufgetauchten Werke zu den verschollenen Exponaten der "entarteten Kunst". Für mindestens 200 Werke liegen offizielle Suchmeldungen vor. Eines der beschlagnahmten Matisse-Gemälde soll etwa dem jüdischen Kunstsammler Paul Rosenberg gehört haben, dem Großvater der französischen Journalistin Anne Sinclair. Sinclair, die seit Jahren um die Rückgabe der von den Nazis gestohlen Gemälde kämpft, hat laut "Focus" bisher von dem Matisse-Bild nichts gewusst.

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