"Krone"-Interview

Warum tun Sie das, Frau Lindner?

Österreich
18.10.2013 16:17
Verrat, Täuschung, Geldgier: Die ehemalige ORF-Chefin und nunmehr wilde Abgeordnete Monika Lindner muss sich schwere Vorwürfe gefallen lassen. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht sie über Eitelkeit, Ehre und Gewissen.

Ein Gründerzeithaus in Wien-Josefstadt. Das Türschild trägt einen unaufdringlichen Firmennamen. "Wir haben es nur angemietet", erklärt Monika Lindner, die selbst die Tür öffnet. Sie trägt ein graues Kostüm, dazu eine Korallenkette. Fotos hat sie sich verbeten. "Ich bin ja auch nicht ganz uneitel", sagt sie frei heraus und lacht. Maske und das alles wäre zu umständlich gewesen.

Hier gibt es drei Hörproben vom "Krone"-Interview mit Monika Lindner:Clip 1 über Abläufe im Team Stronach, Clip 2 über die Höhe der Bezüge und Clip 3 über die Kritik an ihrer Person.

Auch ungeschminkt sieht die Stronach-Abtrünnige und nunmehr freie Abgeordnete nicht so aus, als würde die Empörung, die es von allen Seiten hagelt, sie total fertigmachen. Mit einer Mitarbeiterin an ihrer Seite nimmt sie an einem langen Glastisch Platz. Es wird Kaffee serviert und ein Wasserkrug auf einem Silbertablett. Lindner lehnt meistens entspannt im schwarzen Ledersessel, nur manchmal suchen ihre Hände Halt auf der Stuhlkante.

"Krone": Frau Lindner, wie geht es Ihnen damit, dass in allen Lagern – sogar auf Facebook – gegen Sie Stimmung gemacht wird?
Monika Lindner: Ich würde lügen, wenn ich sage, dass das alles abperlt von mir. Angenehm ist das nicht. Was aber bei all diesen Anwürfen vergessen wird, ist: Ich habe nicht angefangen damit.

"Krone": Sie sind dem Ruf von Frank Stronach in die Politik gefolgt, haben dann zurückgezogen, um nach den Wahlen zu verkünden, dass Sie das Mandat doch annehmen wollen. Warum tun Sie das?
Lindner: Ich bin auf die Liste Stronach gegangen, weil ich sein Programm in vielen Punkten gutheißen konnte. Aber dann bin ich öffentlich denunziert worden, indem ich – und ich wiederhole das ungern – als Speerspitze gegen Raiffeisen und ORF und ÖVP Niederösterreich bezeichnet wurde. Mit den Personen, die dort sind, hatte ich jahrelange freundschaftliche Bindungen. Darum musste ich klarstellen: Das geht nicht, das kann ich so nicht hinnehmen. Und ich bin lange genug im Mediengeschäft, um zu wissen: Dementieren nützt nichts, da muss man einen Akt setzen.

"Krone": War es nicht naiv zu glauben, Frank Stronach hätte Sie nicht genau deshalb umworben?
Lindner: Nein! Ich glaube im Gegenteil, dass diese Aussage nicht im Sinne von Frank Stronach war. Er war ja auch entsetzt.

"Krone": War es ein Fehler, zum Team Stronach zu gehen?
Lindner: Nein. Ich habe ja nach meinem Abgang beim ORF mehrfach durchblicken lassen, dass ich mich gerne politisch engagieren würde. Dass sich nichts ergeben hat, war weiter kein Beinbruch, umso verständlicher müsste es doch sein, dass mich dann dieses doch sehr überraschende Angebot gereizt hat.

"Krone": Warum hat die ÖVP Sie nicht wollen?
Lindner: Das weiß ich nicht.

"Krone": War Ihre Kandidatur für Frank Stronach ein Bruch, oder sind Sie zum Beispiel mit dem ehemaligen Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad und mit dem niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll noch befreundet?
Lindner: Das ist eine sehr persönliche Geschichte. Das möchte ich ungern zum Thema machen. Die Frage müssen Sie den anderen stellen.

"Krone": Und wenn ich Sie frage, ob Sie noch befreundet sind?
Lindner: Dann sage ich: Selbstverständlich!

"Krone": Jetzt haben Sie es sich aber mit allen verscherzt, mit der ÖVP und mit dem Team Stronach.
Lindner: Ja... So schaut es aus. Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht und bis zum letzten Moment damit gewartet. Dass ich jetzt als freie Abgeordnete ins Parlament gehe, ist der steinigere Weg. Ich hab' ihn gewählt, und jetzt werd' ich ihn gehen.

"Krone": Wie, glauben Sie, haben Sie sich dieses Mandat verdient?Lindner: Mein Name war auf der Liste. Frank Stronach wollte diesen Namen haben.

"Krone": Aber Sie haben ja zurückgezogen!
Lindner: Für den Wähler war ich drauf. Und außerdem muss ich eines sagen: Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Menschen das im Detail gar nicht mitbekommen haben.

"Krone": Was kann denn zum Beispiel Ulla Weigerstorfer dafür. Ihr schnappen Sie jetzt den Sitz weg...
Lindner: Dazu kann ich nichts sagen. Dass das diese unglückliche Wendung genommen hat, war nicht mein Fehler.

"Krone": Frank Stronachs Anwalt will Sie jetzt sogar klagen.
Lindner: Das muss man abwarten...

"Krone": Ihr Ex-Kollege Kurt Bergmann hat Ihnen über die Medien ausrichten lassen, Sie sollen Ihr Gehalt von immerhin über 8.700 Euro pro Monat doch "Licht ins Dunkel" spenden, weil Sie ohnehin eine ORF-Pension beziehen. Ihr Kommentar dazu?
Lindner: Ich habe immer gespendet und eigentlich nie jemanden gebraucht, der mir das ans Herz legt.

"Krone": Aber nicht mehr als 8.000 Euro!
Lindner: Nein, denn was mein Gehalt betrifft, das wird draufgehen für meine Politik. Ich muss jene Strukturen herstellen, die notwendig sind, um eine ordentliche politische Arbeit zu leisten. Ich verfüge ja über keinerlei Klubstrukturen, deshalb muss ich Menschen engagieren. Presseleute, Journalisten, juristischen Beistand, einen Wirtschaftsfachmann. Das wird ein größeres Team werden, vielleicht reichen die 8.000 Euro gar nicht.

"Krone": Mit mehr als 18.000 Euro – netto – sind Sie jedenfalls die bestverdienende Pensionistin des Landes. Haben Sie kein schlechtes Gewissen?
Lindner: Ich habe null schlechtes Gewissen. Warum sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? Meine ORF-Pension habe ich mir ja auch über einen Zeitraum von 40 Jahren erarbeitet.

"Krone": Ganz ehrlich - was können Sie im Parlament denn als Einzelne bewirken?
Lindner: Das wird sich herausstellen. Ich habe jedenfalls viel vor. Anliegen, die ich schon seit 40 Jahren habe. Für die kämpfe ich, und deshalb muss ich das auch aushalten. Diese Anliegen kann ich jetzt unabhängig und frei vielleicht auch durchsetzen. Ich unterstehe ja keinem Klubzwang.

"Krone": Wie sieht das in der Praxis aus?
Lindner: Das könnte so aussehen, dass ich in der Frage der Ganztagsschule mit der SPÖ stimme, in Fragen der Verwaltungsreform vielleicht mit dem Team Stronach, in Frauen- und Seniorenfragen vielleicht mit der ÖVP.

"Krone": Verbindet Sie auch mit den Grünen ein Anliegen?
Lindner: Wenn es in der Drogenfrage dort vernünftige Ansätze gibt, warum nicht? Da muss ich mich ehrlich gesagt noch mehr informieren.

"Krone": Werden Sie überhaupt ein Kammerl haben im Parlament?
Lindner: Ich weiß es nicht, ich glaube schon.

"Krone": Wo würden Sie am liebsten sitzen?
Lindner: Weit weg von allen. (lacht)

"Krone":Frau Lindner, könnte es sein, dass Sie es nach Ihrem Abgang vom ORF nicht ertragen haben, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken?
Lindner: Also, um die Bedeutung, die in den letzten Tagen hochgekommen ist, muss sich niemand reißen. Ich auch nicht... Mein Motiv ist ein ganz anderes: Ich bin aus dem bürgerlichen Lager immer wieder angesprochen worden. Die Menschen sind frustriert, weil nix weitergeht, es ist ein Reformstau, in der Bildungspolitik, in der Sozialpolitik, bei dsieren und sich beschweren, manchmal muss man auch was tun. Deshalb tue ich mir das jetzt an.

"Krone": Was müsste passieren, dass Sie Ihre Entscheidung noch einmal überdenken und Ihr Mandat zur Verfügung stellen?
Lindner: Da gibt es nur zwei Dinge. Erstens: Wenn ich mich nicht im gesetzlichen Rahmen bewegen würde. Und zweitens: Wenn ich gesundheitliche Probleme hätte. Aber ... (klopft sich an die Schläfen) ... derweil bin ich noch pumperlg'sund.

Ihre Karriere
Geboren am 25.9.1944 in Gleiwitz, Schlesien, aufgewachsen in Innsbruck. Studium der Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie. Ab 1974 freie Mitarbeiterin beim ORF, ab 1998 NÖ-Landesintendantin. 2002 bis 2006 ORF-Generaldirektorin. Im August 2013 tritt sie als Kandidatin für das Team Stronach an, drei Tage später distanziert sie sich. Am 14. Oktober gibt sie bekannt, ihr Mandat trotzdem anzunehmen. Sie will als freie Abgeordnete ins Parlament. Lindner ist seit 2009 auch Vizepräsidentin des Roten Kreuzes.

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