Am Scheideweg

Zypriotisches Parlament lehnt Zwangsabgabe ab

Wirtschaft
20.03.2013 14:17
Das Rettungspaket für Zypern samt der umstrittenen Zwangsabgabe auf Bankguthaben ist im Parlament in Nikosia auf ganzer Linie durchgefallen. 36 von 56 Abgeordneten stimmten am Dienstagabend dagegen, 19 Mandatare enthielten sich der Stimme, eine Abgeordnete war nicht anwesend. Damit sprachen sich die Parlamentarier trotz des überarbeiteten Pakets eindeutig gegen dieses aus. Die EU-Finanzspritze hing daran, Zypern steht nun am Scheideweg - und die Banken sollen nun sogar bis kommenden Dienstag geschlossen bleiben.

Das Scheitern des Vorhabens hatte sich bereits am frühen Nachmittag abgezeichnet, als Präsident Nikos Anastasiades sagte, das Parlament werde seine Pläne wohl nicht mittragen. "Sie denken, dass es ungerecht ist und gegen die Interessen Zyperns." Nach der Anstimmung erklärte er, die Entscheidung des zypriotischen Parlaments zu respektieren.

Voting in der Infobox: Soll die EU Zypern pleitegehen lassen?

Die Sitzung zu der Sonderabgabe, die an den Finanzmärkten als Tabubruch gewertet wird und Fortschritte in der Schuldenkrise zunichtemachen könnte, war mehrmals verschoben worden. Beim Votum hatte sich dann auch die Regierungspartei des konservativen Präsidenten Anastasiades enthalten - obwohl sie der Zwangsabgabe in Brüssel zugestimmt hatte.

"Warten auf Gegenvorschlag Zyperns"
Nach der Ablehnung des Rettungsplans sieht die Euro-Gruppe die Regierung des Landes am Zug. "Wir warten auf einen Gegenvorschlag mit gleicher Wirkung", sagte ein Euro-Gruppen-Vertreter am Dienstag in Brüssel.

Die Europäische Zentralbank stellte unterdessen die weitere Versorgung des Landes mit Finanzmitteln in Aussicht. Die EZB bekräftige ihre Entschlossenheit, Zypern "innerhalb der bestehenden Regeln nach Bedarf Liquidität zur Verfügung zu stellen", hieß es in einer am Dienstagabend verlautbarten Erklärung. Die EZB ergänzte, sie stehe im Kontakt mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds, den beiden anderen Mitgliedern der Geber-Troika.

Bei Verweigerung sind EU-Zusagen hinfällig
Wenn das zypriotische Parlament - wie in der Abstimmung geschehen - den Beitrag des Landes zum Rettungspaket nun grundsätzlich ablehnt, dann sind auch die Zusagen von EU und IWF hinfällig. Damit würden die Verhandlungen zur Rettung Zyperns wieder bei Null anfangen, sagte OeNB-Chef Ewald Nowotny am Dienstagabend in der "ZiB2". Jetzt noch rechtzeitig eine Lösung zu finden, sei "eine Herausforderung".

Die Euro-Länder würden Zypern aber keinesfalls den Ausstieg aus der Währungsunion nahelegen, versicherte Nowotny. Der kleine Inselstaat, auf den nur 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU entfällt, pleitegehen zu lassen, wäre "ein Experiment, das wir an sich lieber nicht machen wollen". Auch wenn es im Vorfeld eine Diskussion gegeben habe, ob Zypern überhaupt systemrelevant ist.

Der stellvertretende Chef der Regierungspartei, Averof Neofytou, brachte vor der Abstimmung die düsteren Perspektiven Zyperns auf den Punkt: "Wir stehen kurz vor einer ungeordneten Pleite." Das Geld in der zypriotischen Staatskasse reicht nur noch bis Mai.

Banken wohl bis Dienstag geschlossen - manche für immer?
Die Wirtschaft des Landes sprach angesichts der harten Auflagen aus Brüssel allerdings von einem "finanziellen Völkermord". Die zypriotischen Banken waren am Mittwoch bereits den fünten Tag in Folge geschlossen. Wie aus Kreisen der Regierung und der Zentralbank verlautete, soll dies auch bis kommenden Dienstag noch so bleiben. Zudem soll es für unbestimmte Zeit Einschränkungen für Überweisungen ins Ausland geben. Danach befürchtet die Notenbank einen Ansturm auf die Schalter.

Für zwei Großbanken dürften die Probleme allerdings noch schwerer wiegen. Wie der zypriotische Innenminister Sokratis Hasikos mitteilte, sollen zwei Geldinstitute vor dem Abgrund stehen. "Die Geldgeber-Troika akzeptiert unseren Plan B nicht", sagte Hasikos im griechischen TV. Bei einer Telefonkonferenz am Dienstagabend hätten die Troika-Vertreter "im Prinzip gesagt, dass die Bank of Cyprus und die Cyprus Popular Bank voraussichtlich nicht wieder öffnen werden".

Stopp der Zwangsabgabe wird zur Zerreißprobe für Regierung
Der Stopp der Zwangsabgabe im Parlament stellt die eben erst gewählte Regierung von Präsident Anastasiades vor eine Zerreißprobe. Unter dem Druck massiver Proteste hatte das Kabinett die einmalige Abgabe für Bankkunden vor der Abstimmung bereits abgeschwächt. Nach der Änderung sollte das Gesetz Guthaben bis zu 20.000 Euro verschonen. Kontoinhaber mit Beträgen zwischen 20.000 Euro und 100.000 Euro sollten 6,75 Prozent an den Staat abgeben. Beträge über 100.000 Euro sollten mit 9,9 Prozent belastet werden.

Zudem wollte die Regierung den Kontoinhabern die bittere Pille schmackhaft machen: Es werde Kompensationen in Form von Bankaktien geben, hieß es. Denjenigen, die ihr Geld für die nächsten zwei Jahre im Land ließen, würden 50 Prozent der verlorenen Summe in Form von Optionen auf die Gewinne aus vermuteten Gasvorkommen vor der Küste Zyperns versprochen, berichtete das Staatsfernsehen.

Die Euro-Gruppe hatte Zypern am Montagabend außerdem schon zugestanden, den Freibetrag sogar bis auf 100.000 Euro erhöhen zu können. Experten gingen aber davon aus, dass die Regierung bei einer solch großzügigen Regelung nicht die erforderliche Summe von 5,8 Milliarden Euro zusammenbekommen würde, auf der die Euro-Partner bestehen.

"Eine Frage der Ehre, Nein zu sagen"
Das alles reichte allerdings nicht, um die Parlamentarier zu besänftigen. Während der Debatte sagten mehrere Abgeordnete, es sei "eine Frage der Ehre, Nein zu sagen". Der Präsident der Zentrumspartei, Marios Karogian, rief den Parlamentariern zu: "Wir sagen Nein! Und wir sagen Nein für unsere Kinder und Enkel. Vor uns steht nun ein Leidensweg, aber wir werden es schaffen."

Draußen vor dem Parlament skandierten Demonstranten: "Wir werden nicht die Sklaven des 21. Jahrhunderts werden." Sie jubelten, als sie vom Ergebnis der Abstimmung erfuhren. Die Polizei hatte das Parlamentsgebäude weiträumig abgesperrt.

Russland als Rettungsanker?
Ein Rettungsanker für Zypern könnte Russland sein, dessen Bürger in großer Zahl Bankkonten auf Zypern unterhalten. Finanzminister Michael Sarris reiste am Mittwoch laut staatlichem Radio nach Moskau, um sich dort nach Geldquellen umzusehen. Bisher konnte man sich allerdings noch nicht auf eine Verlängerung eines Kredits einigen, wie Sarris nach einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Anton Siluanow in Moskau mitteilte. "Wir hatten eine sehr ehrliche Diskussion, wir haben unterstrichen, wie schwierig die Lage ist", berichtete Sarris. "Es gab keine Angebote, nichts Konkretes. Wir sind aber zufrieden mit einem guten Auftakt."

Zypern hatte Russland um eine Verlängerung eines existierenden Kredits im Volumen von 2,5 Milliarden Euro um fünf Jahre sowie um einen Zinsnachlass gebeten.

Auch Anastasiades versucht sein Glück bei den Russen. Nur wenige Minuten nach der Ablehnung des Rettungspakets telefonierte er mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Das Gespräch dauerte etwa 30 Minuten und betraf die Finanzbeziehungen der beiden Staaten. Laut Staatsfernsehen hätten sich die beiden Männer auf ein Treffen geeinigt.

"Kirche stellt alles zur Verfügung"
Während die Unterstützung aus Russland derzeit noch auf sich warten lässt, ist die Hilfszusage der Kirche dagegen schon fix. "Die Kirche und die Klöster werden für die Rettung des Landes alles zur Verfügung stellen", erklärte der zypriotische Erzbischof Chrysostomos nach einem Treffen mit Anastasiades. "Das gesamte Eigentum der Kirche steht zur Disposition für das Land, um einen Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern." Das Nein des Parlaments zum EU-Rettungspaket sei eine "starke Botschaft, dass man uns nicht zum Narren halten kann", betonte der Erzbischof.

Die Kirche biete an, eine Hypothek auf ihre Besitztümer aufzunehmen, um damit den Kauf von Staatsanleihen zu ermöglichen. Konkrete Zahlen wollte der Erzbischof nicht nennen. Die Orthodoxe Kirche ist der größte Eigentümer von Grundbesitz auf der Insel und hält zudem Anteile an zahlreichen Unternehmen. Die Aktiva werden auf Dutzende Millionen Euro geschätzt.

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