Nur Alibi-Aktionen?

Atomkraft-Gegner: Regierung “spuckt jedem ins Gesicht”

Österreich
14.03.2011 11:35
Österreichische Atomgegner üben im Schatten der nuklearen Störfälle in Japan heftige Kritik an Bundeskanzler Werner Faymann und Umweltminister Niki Belakovich. Sie würden sich auf Alibi-Aktionen beschränken, die Anti-Atom-Politik Österreichs sei "verlogen und heuchlerisch". Berlakovich wird dabei die Geheimhaltung einer Studie zum deutschen AKW Isar 1 und eine "Schweigeklausel" im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen im slowakischen AKW Mochovce vorgehalten. Österreich importiert fünf Prozent seines Strombedarfs aus Atom-Ländern.

Der ÖVP-Minister und der SPÖ-Bundeskanzler würden der Bevölkerung ein aktives Auftreten gegen Atomkraftwerke in der Umgebung von Österreich vorgaukeln, kritisierte Peter Rosenauer von "Resistance for Peace" am Montag. "Mit diesem Verrat an der Bevölkerung spuckt der Minister jedem besorgten Elternteil symbolisch ins Gesicht", findet er. Spätestens am Beispiel Japan müsse erkannt werden, dass es weltweit keine sicheren AKWs oder Atommülllager gebe. Erdbeben seien beispielsweise im slowenischen Krsko und dem deutschen Neckar-Westheim auch nur eine Frage der Zeit.

Atomkraftwerke und Atomwaffen seien "Verbrechen an der Menschheit". Politiker, die AKWs betreiben, planen oder verharmlosen, müssten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, forderte Rosenauer. Auch Berlakovich diene offensichtlich den Interessen der Atom-Lobby und gefährde somit die Sicherheit von Generationen.

Schweigeklausel für Mochovce?
Elvira Pöschko von der "Antiatom-Szene" sprach indes von einer Schweigeklausel, die Vertreter aus dem österreichischen Umweltministerium im April 2010 bei einem bilateralen Treffen zu Sicherheitsmängeln im slowakischen AKW Mochovce - unter anderem ging es um die fehlende Schutzhülle - unterzeichnet haben sollen. Dafür sei Berlakovich direkt verantwortlich.

Der Energie-Experte Radko Pavlovec, der damals oberösterreichischer Anti-Atom-Beauftragter war, schloss sich dieser Kritik an: "Bis heute wurden überhaupt keine Informationen über dieses zentrale Sicherheitsproblem veröffentlicht."

Studie über Isar 1 soll veröffentlicht werden
Manfred Doppler vom "Anti-Atom-Komitee" verlangte von Berlakovich, "die von ihm geforderte Transparenz auch selbst zu leben" und die Veröffentlichung einer Studie zum bayerischen Reaktor Isar 1, "die von den Österreichern bezahlt wurde, der Öffentlichkeit aber vorenthalten wird", auf den Tisch zu legen.

Der oberösterreichische Grünen-Politiker und Umweltlandesrat Rudi Anschober, der das auch bereits mehrmals verlangt hatte, findet es "unerträglich", dass die Studie unter Verschluss bleibe, weil die deutsche Seite keine Freigabe zur Veröffentlichung gegeben habe. Anschober, ebenfalls Mitglied des "Anti-Atom-Komitees" dringt ebenso wie Doppler darauf, dass nach dem Unfall im japanischen Fukushima nun sämtliche Siedewasser-Reaktoren, zu denen auch Isar 1 zählt, vom Netz genommen werden.

Volksbegehren-Plattform kritisiert Berlakovich
Die Plattform "Atomstopp Oberösterreich", die das Volksbegehren "Raus aus Euratom" initiiert hat - und aus Sicht der jetzigen Lage um eine Woche zu früh damit begann -, hat ebenfalls heftige Kritik an Umweltminister Berlakovich geübt: Dass dieser die Euratom-Mitgliedschaft verteidige und darauf verweise, Österreich könne dadurch Sicherheitsstandards durchsetzen, sei eine "unerträgliche Verzerrung", so Sprecher Roland Egger und Gabriele Schweiger.

Euratom schaffe die Voraussetzungen für den Aufbau einer mächtigen Atomindustrie, warnen die beiden NGO-Sprecher. "Dass wir mit unseren Steuergeldern diese Risikotechnologie mitfinanzieren dürfen, ist unerträglich." Die EU-AKW-Sicherheitsrichtlinie sei "nichtssagend". Statt Kontrollen seien lediglich angekündigte Überprüfungen vorgesehen, kritisierte die Plattform.

Grüne wollen europaweit mobilisieren
Auch die Opposition fordert die Regierung zum Handeln auf: Die Grünen haben sich am Montag als Konsequenz aus der Katastrophe in Japan für einen weltweiten Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen. Ein erster Schritt müsse die sofortige Stilllegung europäischer Risikoreaktoren sein, so Bundessprecherin Eva Glawischnig. Die Grünen in sämtlichen EU-Ländern wollen sich europaweit akkordiert gegen die Atomkraft stark machen.

Vor allem müssten nun Siedewasserreaktoren, solche ohne Schutzhüllen und auf Erdbebenlinien sowie besonders alte Anlagen stillgelegt werden. Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner sprach von menschlichem Zerstörungswerk. "Was muss noch passieren, bis klar ist, dieses Monster ist nicht beherrschbar?", fragte er.

Auch FPÖ und BZÖ fordern Atom-Ausstieg
Für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist durch die Ereignisse in Japan einmal mehr belegt, "dass Nuklearkraftwerke ein völliger Irrweg sind". Leider hätten die verantwortlichen Politiker und Energiekonzerne 25 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl offenbar noch immer nichts dazugelernt, kritisierte er. Europa müsse jetzt ernsthaft mit dem Ausstieg aus der Atomenergie beginnen.

BZÖ-Chef Josef Bucher fordert in seiner Funktion als Kärntner Bündnisobmann eine gemeinsame Initiative von Land und Bund für eine rasche Schließung des AKW Krsko in Slowenien, 100 km vor der Grenze. BZÖ-Umweltsprecher Robert Lugar kritisierte die Atomstromimporte nach Österreich. Minister Berlakovich tue sich durch Beschwichtigungen und Worthülsen hervor.

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