Prekäre Verhältnisse

Zahl der Wiener Sozialfälle seit 2000 mehr als verdoppelt

Wien
28.12.2010 15:05
In der Bundeshauptstadt Wien hat sich die Zahl der Bezieher von Sozialhilfe-Leistungen seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Waren damals noch 42.754 Personen betroffen, haben im Jahr 2009 bereits 100.031 Menschen Unterstützungen in Anspruch genommen. Das geht aus dem ersten Wiener Sozialbericht hervor, der am Dienstag von Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SP) präsentiert wurde. Einer der Gründe für den Anstieg: Die Zunahme der prekären Beschäftigungsverhältnisse.

Das zeigt sich laut dem Bericht auch an der Struktur der Sozialhilfebezieher in Wien, die sich deutlich verändert hat. Der Anteil der Menschen mit einem Einkommen, das nur aus Sozialhilfe besteht, ist gesunken - von 20 auf 13 Prozent im Jahr 2008 (für die Detailanalyse liegen noch nicht alle Daten des Jahres 2009 vor). Die klassischen "Vollbezieher" werden somit immer weniger.

Hingegen ist der Anteil der sogenannten Richtsatz-Ergänzungsbezieher, also der Menschen, deren Einkommen nicht ausreicht und die auf Zuzahlungen angewiesen sind, von 50 auf 67 Prozent gestiegen. Dazu zählen unter anderem Menschen, die Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe oder auch Kindergeld beziehen. Aber auch die "Working Poor" sind häufig in dieser Kategorie zu finden.

Zwei Drittel der Bezieher haben nur Pflichtschulabschluss
Es sind dies etwa jene, die mit Jobs im Niedrigstlohnbereich oder mit Teilzeitarbeit ihr Auskommen fristen müssen. Diese Gruppe wird eher größer: Denn laut Sozialbericht gibt es kaum mehr "einfache" Arbeitsplätze für Menschen mit geringen Qualifikationen. Sie werden stattdessen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse gedrängt. Tatsächlich verfügen zwei Drittel der volljährigen Beihilfenbezieher nur über einen Pflichtschulabschluss.

Die Abhängigkeit von der Entwicklung der Beihilfen zu jener des Arbeitsmarktes zeigt sich in fast gleichlaufenden Veränderungsraten. Steigt die Arbeitslosigkeit, tut dies auch die Anzahl der Bezieher. Jedoch: Sinkt erstere, ist damit nicht notwendig ein gleichlaufender Rückgang der Sozialhilfe-Inanspruchnahmen verbunden. Dieser fällt geringer aus, was unter anderem an der Schwierigkeit liegt, nach langer Arbeitslosigkeit wieder einen ähnlich guten Job zu finden.

Realeinkommen in Wien sinken
Dazu kommt, dass das Leben in Wien teuer ist: Der Sozialbericht weist darauf hin, dass in der Bundeshauptstadt die Realeinkommen im Vergleich zum Rest des Landes sinken. Dies deutet "primär auf ein höheres Preisniveau hin", heißt es. Besonders armutsgefährdet sind alleinerziehende Menschen und Mehrkindfamilien.

Im Wiener Rathaus geht man davon aus, dass 2010 ein weiterer Anstieg der Inanspruchnahmen erfolgt. Was nicht zuletzt am völlig neuen System liegt: Denn der Trend, so hieß es, wird durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung verstärkt. Diese habe aufgrund höherer Mindeststandards und der einfacheren Zugangsmöglichkeit zu einer Ausweitung des Anspruchskreises geführt.

Sozialstadträtin Wehsely plädierte am Dienstag angesichts der steigenden Kosten für Sozialmaßnahmen dafür, über weitere Vermögenssteuern nachzudenken. Sie sprach sich etwa dafür aus, die Erbschaftssteuer wieder einzuführen - mit einem Freibetrag von 500.000 Euro. Bekräftigt wurde zudem die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer.

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