Nationalrats-Farce

Grüne quälen Kollegen mit Abstimmungsorgie

Österreich
21.12.2010 09:03
Mit einer wahren Abstimmungsorgie haben die Grünen im Nationalrat am Montagabend ihre Parlamentskollegen gequält. 23 Abänderungsanträge brachte die Partei zum Auftakt der Budgetberatungen ein – die allesamt namentlich abgestimmt werden mussten. Die Folge: stundenlange Verzögerungen bei der ohnehin schon reichlich spät begonnenen Sitzung. Auch sonst war die Debatte, die erst um 4.17 Uhr endete, nicht gerade arm an Kuriositäten.

Beschlossen wurde nach nicht weniger als 18 Stunden und 17 Minuten mit Koalitionsmehrheit das Budgetbegleitgesetz, das sämtliche Steuer- und Sparmaßnahmen im Rahmen der Haushaltskonsolidierung enthält. Erst andiskutiert wurde das Budget selbst, dessen erste fünf Kapitel bis nach vier Uhr früh durchgenommen wurden.

Debattenbeginn erst um 0.16 Uhr
Allzu hoch her ging es dabei nicht mehr, was angesichts des Debattenbeginns um 0.16 Uhr nicht wirklich wunderte. Am meisten gestritten wurde noch zum Kapitel Inneres, wo sich Ressortchefin Maria Fekter (ÖVP) deftiger Angriffe erwehren musste. Sie habe die Ahnungslosigkeit zum Prinzip erhoben, wetterte etwa BZÖ-Sicherheitssprecher Peter Westenthaler, seine Kollegen von den Grünen und der FPÖ, Peter Pilz bzw. Leopold Mayerhofer, hielten Fekter vor, die Polizei im Stich zu lassen. Auch dass die Kriminalität gestiegen sei, prangerte die Opposition entschlossen an, was die Innenministerin so richtig wach rüttelte. Es müsse wohl an der Uhrzeit und am Vollmond liegen, dass solche Fehlinformationen verbreitet würden, spottete Fekter.

Nicht wirklich von den Sitzen rissen die Debatten zu den übrigen Kapiteln. Beim Bereich Äußeres ärgerten sich die Grünen über die Kürzung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, bei der Justiz forderte die Opposition geschlossen mehr Personal, bei der Debatte zum Kanzleramt bemängelten FPÖ und BZÖ die fehlende Verwaltungsreform und bei der Verteidigung warben Grüne und BZÖ für ein Ende der Wehrpflicht, während die FPÖ genau davor warnte, ehe um 4.17 Uhr die Aussprache plangemäß bis 9 Uhr unterbrochen wurde.

Grüner von Geschwindigkeit verwirrt
Zuvor hatten die Grünen mit ihren 23 Abänderungsanträgen, bei denen namentlich abgestimmt werden musste, die Debatte um Stunden nach hinten verschoben. Schon bei den ersten Abstimmungen kam es zu skurrilen Szenen. Die Schriftführer riefen die Namen der Mandatare im Blitztempo auf. Vor allem das Duo Jakob Auer/Wolfgang Zanger erwies sich als besonders effizient. Auch das Auszählungsteam der Parlamentsdirektion arbeitete im "rekordverdächtigen Tempo", wie Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) anmerkte.

Die Abgeordneten eilten ungewohnt diszipliniert und dynamisch aus den Sitzreihen zur Stimmurne. Manche Mandatare waren von der Vorlese-Geschwindigeit aber offenbar ein wenig überfordert, zum Beispiel Grün-Mandatar Wolfgang Zinggl, der seine Stimme erst verspätet in die Urne schmiss. Riesengeschrei der Abgeordneten, vor allem des BZÖ, war die Folge. Nationalratspräsidentin Prammer stellte klar, dass die Stimme zu spät abgeliefert wurde und daher nicht gezählt wird, was mit Beifall bedacht wurde.

Bei den Abstimmungen zwischendurch, wo mit Aufstehen und Sitzenbleiben der Wille ausgedrückt wird, gab es ebenfalls einen Wickel. Das BZÖ empörte sich darüber, dass SP-Wehrsprecher Stefan Prähauser nur die Hand hob. Der verteidigte sich mit einer Erkrankung, Prammer verwies auf Bandscheiben-Probleme ihres Parteifreundes und würdigte, dass dieser überhaupt erschienen sei. Nichtsdestotrotz wurde die Sitzung einige Minuten unterbrochen, um auch darüber zu diskutieren.

BZÖ brachte 100 Änderungsanträge ein
Außer den Grünen pochten übrigens auch andere Parteien auf Änderungen beim Budget. Bei der reinen Anzahl der Anträge wurde die Öko-Partei vom BZÖ sogar noch deutlich übertroffen. Das Bündnis war mit 100 Anregungen in die Sitzung gegangen, die allerdings nicht namentlich abgestimmt wurden, da dem Bündnis die für einen entsprechenden Antrag notwendigen 20 Abgeordneten fehlen. Namentlich und damit zeitaufwendig abstimmen ließ dagegen die FPÖ, allerdings nur bei einem Antrag, der sich gegen Privilegien bei Politikerpensionen richtet.

Auffälliger waren die Blauen hingegen, als sich die Abstimmungen zu Beginn wegen der zahlreichen Änderungsanträge verzögerten. Die FPÖ-Mandatare suchten nach Alternativ-Beschäftigungen und übten sich in ihren Bänken sitzend im Weihnachtsgesang. Kultursprecherin Heidemarie Unterreiner begann das fröhliche Trällern, ihr folgte Fraktionskollege Johannes Hübner mit einem umgewandelten Weihnachtsklassiker: "Oh blauer Baum, oh blauer Baum, wie blau sind deine Blätter." Die anderen Klubs hielten sich mit musikalischen Darbietungen zurück.

Strache sieht Koalition als "negatives Christkind"
Am Vormittag hatten FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll vorgeworfen, den Menschen "wie zwei negative Christkinderl" nicht nur den Wintermantel, sondern das letzte Hemd wegzunehmen. "Am liebsten würden Sie noch in die Wohnzimmer der Österreicher einsteigen und die Weihnachtspackerln wegnehmen." Gleichzeitig kenne die Großzügigkeit gegenüber der EU keine Grenzen. Die FPÖ untermauerte dies mit einem Transparent in den Abgeordnetenreihen, in dem "Milliardengeschenke" für Griechen und Iren kritisiert wurden. "Das ist kein rot-weiß-rotes Budget. Sie segeln unter der rot-schwarzen Piratenflagge, unter der Sie die österreichische Bevölkerung ausplündern", so Straches Fazit.

Regierungsspitze verteidigt Budgetmaßnahmen
Die Regierungsspitze verteidigte die zum Beschluss anstehenden Budgetmaßnahmen naturgemäß. Finanzminister Pröll konzedierte, dass die Vorlage vielleicht nicht das absolute Optimum, sondern ein Kompromiss sei und er auch die Druckpunkte und Schmerzen in der Gesellschaft sehe, aber man habe ein verantwortungsvolles Paket geschnürt. Gerade in schwierigen Zeiten gehe es um Verlässlichkeit und Verantwortung.

Bundeskanzler Faymann verwies darauf, wie gut sich Österreich in der Finanzkrise wirtschaftlich bzw. am Arbeitsmarkt geschlagen habe. Zudem betonte der SPÖ-Chef, dass ein Budget Reformen ja nicht abschließe. Klar sei, dass man in Sachen Sparsamkeit und Effizienzsteigerung noch vieles vor sich habe. SP-Finanzsprecher Jan Kai Krainer warb zusätzlich einmal mehr für weitere steuerliche Maßnahmen, etwa für Einschränkungen bei der Gruppenbesteuerung.

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