Elie Rosen:

„Ansehen von Graz in jüdischer Welt angegriffen“

Steiermark
28.08.2020 12:30

Bei einem Arbeitsgespräch zwischen Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Elie Rosen, dem Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Graz, ist der weitere Fahrplan gegen Antisemitismus in Österreich festgelegt worden. Neben einer „nationalen Strategie gegen Antisemitismus“ soll auch eine Stabsstelle im Kanzleramt eingerichtet werden. Rosen war vergangene Woche von einem Antisemiten angegriffen worden. Der Ruf der Stadt Graz habe in der jüdischen Community stark gelitten.

Edtstadler meinte nach den Vorfällen: „Wir haben einen Tiefpunkt der Entwicklungen hier in Graz mit den Anschlägen erlebt. Das muss uns weiter einen Anschub geben, gegen jede Form des Antisemitismus vorzugehen. Einerseits werden wir das strafrechtlich aufklären, zum anderen geht es darum, den Schutz der jüdischen Gemeinde in Graz und in anderen Orten in Österreich sicherzustellen.“

Der Kampf gegen Antisemitismus sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. „Deshalb wird es ab 2021 im Bundeskanzleramt eine entsprechende Stabsstelle geben, mit deren Leitung ich betraut werde, und wir werden schon im Herbst eine nationale Strategie gegen Antisemitismus vorlegen“, kündigte Edtstadler an. Man wolle eine „noch bessere Sensibilisierung von Personengruppen, die mit derartigen Vorfällen zu tun haben“. Das gehe von der Justiz über die Sicherheitsbehörden bis hin zu Einrichtungen, die mit den Opfern zu tun haben.

Weiters soll eine Plattform für Bund, Länder und Gemeinden eingerichtet werden, um auch kleine jüdische Gemeinden bestmöglich einzubeziehen. Die Strategie sieht außerdem eine bessere statistische Erfassung von antisemitischen und antizionistischen Vorfällen vor, denn „viele Vorfälle werden aus Scham gar nicht angezeigt, vielleicht weil man sich schon damit abgefunden hat, dass so etwas passiert, und das kann es nicht sein“. Dem dürfe man nicht zuschauen.

Staatsbürgerschaften als „Geste der Versöhnung“
Als „Geste der Versöhnung“ nannte Edtstadler auch die Möglichkeit der Beantragung der österreichischen Staatsbürgerschaft für im Zweiten Weltkrieg vertriebene Juden und deren Nachkommen. Die Ministerin bestätigte, dass Anträge ab dem 1. September gestellt werden können. Das Besondere ist: Die Antragsteller dürfen ihre aktuelle Staatsbürgerschaft behalten und werden damit Doppelstaatsbürger. Edstadter sagte: „Ich hatte Kontakt mit Überlebenden des Holocaust und habe festgestellt, dass viele den Bezug zu Österreich haben und eine Aussöhnung stattgefunden hat.“ Die Überlebenden wünschen sich auch laut Edtstadler, dass „ihre Kinder und Enkelkinder auch die österreichische Staatsbürgerschaft haben, auch wenn sie heute vielleicht in anderen Ländern der Welt leben“.

„Großer immaterieller Schaden“
Elie Rosen sagte, dass durch die Angriffe auf die Synagoge und die jüdische Gemeinde in Graz „großer immaterieller Schaden“ entstanden sei: „Das Ansehen der Stadt Graz ist in der jüdischen Welt sehr angegriffen.“ Es gab Medienberichte von Russland bis nach Israel: „Das hemmt uns und hindert uns in der Gemeindearbeit, nichtsdestotrotz werden wir uns nicht zurücklehnen. Graz und Österreich hat jüdisches Leben: Wir dürfen uns nicht in die Opferrolle drängen lassen. Es geht darum, die positive Arbeit fortzusetzen und sich für eine aktive jüdische Gemeinschaft in Österreich voll einzusetzen.“ Rosen will das Judentum von der „Morbidität der Schoah“ (hebräisches Wort für Katastrophe, steht für den Holocaust, Anm.) befreien.

Rosen begrüßte die angekündigten Maßnahmen und schilderte, dass es schon im März einen Vorfall gegeben hatte: Damals sei ein Jugendlicher aus antisemitischen Motiven in Graz attackiert worden. „Wir sehen die Entwicklung und das Ansteigen bei den Verbalinjurien. Der Israel-bezogene Antisemitismus hat in Graz Einzug gehalten.“ Der Präsident der jüdischen Gemeinde ist überzeugt, dass es Bewegungen in Graz gibt, die BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen; Anm.) unterstützen. „Das wurde abgetan, aber der Anschlag hat das bestätigt.“

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