Lost in Isolation

Erstmals kein Osterfest in der Kärntner Heimat

Lost in Isolation
10.04.2020 21:00

Das Osterfest steht vor der Tür - aber in diesem Jahr wird alles anders. Erstmals bin ich nicht in meiner Kärntner Heimat - keine Fleischweihe, keine schmackhafte Osterjause, keine Auferstehungsfeier in der Kirche. Also brauche ich einen Plan B. Doch wie soll der aussehen?

Nach meinem ersten Bericht hat mich eine Vielzahl an Reaktionen erreicht. Deshalb habe ich mich entschlossen, einen zweiten Teil anzuhängen. Nachdem ich ja bereits erzählt habe, dass es mein erstes Osterfest sein wird, das ich nicht in meiner Kärntner Heimat verbringen werde, hat mir eine nette Twitter-Userin angeboten, einen selbst gebackenen Kärntner Reindling nach Wien zu schicken. Und auch von meinem Bekanntenkreis kamen Angebote, mir eine originale Kärntner Osterjause zukommen zu lassen.

Aber so leid es mir tut: Ich muss alle lieb gemeinten Vorschläge dankend ablehnen. Denn mir würde dabei einfach das „Drumherum“ fehlen. Zu einem richtigen Osterfest gehört für mich mehr dazu als der bloße kulinarische Genuss. In Kärnten hat Ostern mit all seinen Bräuchen einen ganz besonderen Stellenwert, es ist quasi „das Familienfest“ des Jahres.

Ich bin - was Bräuche und Zeremonien betreffen - ein großer Traditionalist. Da überlasse ich nichts dem Zufall, da muss alles seinen geordneten Ablauf haben. Am Palmsonntag steht in meinem Festtagskalender seit über 30 Jahren die Prozession samt Palmbuschenweihe mit der Tante mit anschließendem Kaffeehausbesuch in der örtlichen Konditorei auf dem Programm. Am Gründonnerstag dürfen Spinat mit Spiegelei nicht fehlen, und natürlich hat auch das gemeinsame Eierfärben seinen Stellenwert. Karfreitag ist seit jeher strenger Fasttag. Da bleibt genügend Zeit, die Osterspeisen von den heimischen Produzenten zu besorgen.

Am Karsamstag geht es morgens um 7 Uhr mit dem Weihschwamm auf einem Drahtgestell zur Osterfeuersegnung vor die Kirche, um Segen ins Haus zu bringen sowie Unheil und Krankheiten fernzuhalten. Nachmittags treffen wir uns dann zur Anbetung beim Heiligen Grab in der Kirche mit anschließender Fleischweihe. Zu Hause werden in der Zwischenzeit der Ostertisch festlich gedeckt und die Osternesterl versteckt, die später gemeinsam gesucht werden. Dann endlich setzen wir uns zu Tisch und genießen die lang ersehnte Osterjause. Meistens gibt es zweierlei Arten von Schinken und Würsten - und da darf eine lebhafte Diskussion um die Qualität des einen oder anderen Gustostückerls nicht fehlen. Ein Glaserl Most und ein Stamperl Schnaps runden den kulinarischen Reigen ab. Den Ausklang bildet dann die abendliche Auferstehungsfeier in der Kirche samt Prozession zum Pfarrhof.

Mein Oster-Tweet aus dem Vorjahr: 

An diesem besonderen Tag hole ich mir natürlich auch meine Lederhose mit dazu passendem Trachtenjopperl und weißem Hemd aus dem Kleiderschrank. Ja, auf den Karsamstag freue ich mich schon wochenlang vorher. Der Ostersonntag steht schließlich ganz im Zeichen der Feier der Festmesse in der Kirche. Allein der Gedanke an die österlichen Köstlichkeiten geben mir die Kraft, mein striktes Fastenprogramm zwischen Aschermittowch und Karsamstag durchzuhalten, das ich mir jedes Jahr auferlege. Nicht nur, um einige Kilos leichter zu werden, sondern auch, um mich ein wenig in spiritueller Genügsamkeit zu üben.

Wenn aber heuer all diese lieb gewordenen Traditionen wegfallen, dann wird es schwer, richtige Osterstimmung aufkommen zu lassen. Wien hat in Sachen Kulinarik außerordentlich viel zu bieten, aber was die Osterjause betrifft, bevorzuge ich die in meiner Heimat hergestellten Produkte. Der schmackhafte Schinken, der frisch gebackene Reindling, die gekochten Selchwürste, die Zunge, die Eier, der Kren - das kann nicht übertroffen werden. Und so ganz ohne meine Lieben zu Hause hätte ich sowieso nur die halbe Freude. 

Die Osterfeiertage sind für mich diesmal ein Arbeitswochenende. Um dennoch so etwas wie Osterstimmung zu verspüren, werde ich die Osterliturgie so gut es geht in den Medien verfolgen. Was die Osterspeisen betrifft, so sieht mein persönlicher Masterplan vor, eines der Oster-Rezepte meines lieben Freundes Christian aus Kärnten nachzukochen. Wie immer auch das Osterwochenende aussehen wird, ob mit Ostermesse via TV oder mit selbst gemachten „Wasserspatzen“ (eine vegetarische Speise aus Mittelkärnten) „à la Wetti“.

Fest steht, Ostern 2020 wird anders. Doch glauben Sie mir: Es gibt bedeutend Schlimmeres. Auch die Tatsache, dass Sommerurlaube heuer wohl gänzlich in Österreich stattfinden werden, anstatt dass man ins Ausland reisen wird können. Schließlich bietet unser Land auch fantastische Möglichkeiten zum Entspannen und Erholen. Auch das wird für viele eine komplett neue Erfahrung werden - mich eingeschlossen. An oberster Stelle stehen derzeit jedoch noch immer die Gesundheit und die Solidarität, seine Mitmenschen und sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Deshalb macht der Appell, auf Familienfeste zu Ostern zu verzichten, auch Sinn. Außerdem steigt jetzt schon die Vorfreude auf 2021. Und in einem Jahr werden wir zurückblicken und sagen: „Ostern 2020 war speziell, aber irgendwie haben wir das auch gut hinbekommen.“

Liebe User, ich wünsche Ihnen ein frohes und geruhsames Osterfest. Bleiben Sie gesund und halten Sie noch ein paar Tage durch. Aber bitte, übertreiben Sie es nicht, wenn ab 14. April die ersten Geschäfte wieder aufsperren. Gehen Sie es langsam an und vergleichen Sie die Situation mit der Phase nach einer Operation: Es sind die kleinen Schritte, die wichtig sind, um am Ende eine vollständige Genesung zu erreichen.

Lost in isolation: Der Großteil unserer Redaktion befindet sich derzeit zu Hause und muss sich - wie alle im Land - in einem völlig neuen Alltag zurechtfinden. Die Herausforderung, Job, Familie und Privatleben unter einen Hut zu bringen, hat eine neue Dimension erreicht. Unsere Erfahrungen und Gedanken zu dieser neuen Realität wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten: krone.at lost in isolation. Alle Artikel unserer Serie finden Sie hier!

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