Ohrfeige für Trudeau

Liberale büßen in Kanada absolute Mehrheit ein

Ausland
22.10.2019 14:44

Kanadas Premierminister Justin Trudeau kann seine liberale Regierung trotz einer deutlichen Schwächung und dem Verlust der absoluten Mehrheit fortführen. Mit 157 errungenen Sitzen in Ottawa blieb die Regierungspartei des 47-Jährigen bei der Parlamentswahl deutlich unter ihren 184 Mandaten von 2015 - für eine absolute Mehrheit wären 170 Sitze nötig gewesen.

„Wir werden zusammen vorwärtsgehen in eine bessere Zukunft“, sagte Trudeau Dienstagfrüh in einer Ansprache vor Anhängern in Montreal. Sein Team werde für alle Kanadier kämpfen. Zwei Minister aus Trudeaus Kabinett verloren ihre Sitze in westlichen Bundesstaaten, wo die für die Wirtschaft des Landes wichtige Öl- und Energiebranche über die Umweltpolitik der Regierung klagt.

Das Ergebnis bedeutet, dass die Liberalen zum Regieren nun die Duldung kleinerer Parteien brauchen und sich aktiv Mehrheiten suchen müssen, beispielsweise bei den Sozialdemokraten oder dem erstarkten regionalen Bloc Quebecois. Minderheitsregierungen sind in Kanada nicht Ungewöhnliches, haben in der Regel aber eine kürzere Halbwertszeit als Kabinette, die sich auf eine absolute Mehrheit stützen.

Trudeau versichert Kritikern: „Eure Stimmen werden gehört“
An seine Kritiker gewandt sagte der 47-jährige Trudeau, er habe ihre Enttäuschung vernommen und werde sicherstellen, dass ihre Stimmen gehört werden. Die liberale Regierung werde fortsetzen, was sie in den vergangenen vier Jahren begonnen habe. Dazu gehörten der Kampf gegen den Klimawandel und gegen die Waffengewalt.

Konservative erhielten die meisten Stimmen
Der konservative Spitzenkandidat Andrew Scheer gab sich kämpferisch gegenüber Trudeau: „Seine Führung ist angeschlagen und seine Regierung wird bald vorbei sein“, sagte er. Und wenn sie falle, würden die Konservativen bereitstehen. „Wir sind die Regierung in Lauerstellung.“ Die Konservativen lagen aufgrund des Direktwahlsystems mit 121 Mandaten deutlich hinter den Liberalen, obwohl sie insgesamt die meisten Stimmen erhielten.

Der Anführer des Bloc Quebecois, Yves-Francois Blanchet, streckte den Liberalen unter Vorbehalt die Hand aus: Die Regionalpartei könne mit jeder Regierung kooperieren. „Wenn das, was vorgeschlagen wird, gut für Quebec ist, dann wird der Bloc Quebecois es unterstützen“, meinte er. Die Partei der frankophonen Minderheit errang mit 32 Sitzen im Parlament (2015: vier) einen großen Sieg.

Sozialdemokraten versprechen „konstruktive Rolle“
Jagmeet Singh von den Sozialdemokraten, die mit 24 Sitzen (2015 waren es 44) hinter den Erwartungen zurückblieben, versprach eine „konstruktive und positive“ Rolle. „Wenn die anderen Parteien mit uns zusammenarbeiten, haben wir eine unglaubliche Chance, das Leben der Kanadier so viel besser zu machen.“

Angst vor politischer Instabilität
Finanzmarktexperten befürchten unterdessen, dass Kanada in die politische Instabilität abgleiten könnte. Alles werde davon abhängen, wie stabil das neue Bündnis sein werde, sagte etwa Greg Taylor, Portfolio-Manager bei Purpose Investments in Toronto.

Skandal um „rassistisches“ Verhalten
Zudem sorgte der Premier in den vergangenen Monaten mit kleineren Skandalen für Aufmerksamkeit. Dabei ging es unter anderem um ein altes Foto von ihm, das ihn vor 20 Jahren mit dunkel geschminktem Gesicht - verkleidet als Aladdin - auf einer Party zeigte. Der Ministerpräsident entschuldigte sich für sein „rassistisches“ Verhalten.

Auch musste sich der für Toleranz und Offenheit stehende Trudeau Vorwürfen stellen, er habe seinen Einfluss zugunsten des Baukonzerns SNC-Lavalin genutzt, um diesen in einer Korruptionsaffäre zu schützen. Die Ethikkommission des Parlaments rügte ihn dafür.

Trump gratuliert via Twitter
US-Präsident Donald Trump gratulierte Trudeau zu seinem „hart erkämpften Sieg“, mit dem Kanada gut bedient sei. „Ich freue mich darauf, mit Ihnen an der Verbesserung unserer beiden Länder zu arbeiten“, schrieb Trump Dienstagfrüh auf Twitter.

Schon vor der Wahl im flächenmäßig zweitgrößten Land der Welt hatte sich abgezeichnet, dass Trudeau seine absolute Mehrheit im Parlament verlieren könnte. Rund 27 Millionen Bürger waren in dem G7-Staat dazu aufgerufen, neue Abgeordnete zu wählen.

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