Erster Roman:

TV-Star Andreas Kiendl auf der Spur der Provinz

Steiermark
17.09.2019 09:00

Im Grazer Theater am Bahnhof hat Andreas Kiendl einst seine Schauspielkarriere begonnen. Seitdem stand er für unzählige TV-Serien und Kinofilme vor der Kamera. Nun wagt sich der gebürtige Deutschlandsberger in ein neues Metier: Soeben ist sein erster Roman erschienen: Im „Krone“-Interview erzählt er von „Leibnitz“.

„Krone“: Wie ist es gekommen, dass Sie ein Buch schreiben? Ein Mangel an Beschäftigung wird es als gefragter Schauspieler nicht sein, oder?
Andreas Kiendl: Genau das ist das Missverständnis bei der Schauspielerei. Ich habe in den letzten drei Jahren wenig gedreht, das wirkt in der Wahrnehmung oft anders, weil dauernd Wiederholungen im Fernsehen laufen. Irgendwann war klar, ich muss etwas für mich und für meine Seele tun, und da habe ich dann zu schreiben begonnen.

Alle Figuren im Buch scheinen ihr Leben zu erleiden, Christian und Claudia stecken in einer schwierigen Beziehung, die sich verschärft, als Claudias Mutter ausbricht und nach Kanada geht.
Mein Bild von der Geschichte ist eine Spirale, die sich zusammenzieht. Es sind Figuren, die sich abgefunden haben mit dem, was sich für sie ergeben hat. Sie sind dem „So gehört sich das“ gefolgt und haben ein paar falsche Entscheidungen getroffen, und dann sitzen sie in der Falle und sind nicht in der Lage, den Mut aufzubringen, das zu ändern. Sondern sie warten darauf, bis sich etwas tut - und das hat mich interessiert. Darum ist das Buch auch voller Fluchtversuche - in den Alkohol, in eine Affäre, in einen All-inclusive-Club in Hurghada.

Warum gerade Leibnitz? Sie sind aus Deutschlandsberg, wäre Ihnen das nicht näher gewesen?
Meine Panik ist ja, dass meine Nachbarn, Freunde und Verwandten sich in diesem Buch wiedererkennen und nicht begeistert sind. Weil die Geschichte ist dunkel und die Figuren sind keine Sympathieträger. Nichtsdestoweniger war der Grundgedanke: Ich will was schreiben, wo ich mich auskenne, und Leibnitz ist Deutschlandsberg sehr ähnlich. In beiden Gegenden spielt der Weinbau eine große Rolle und das führt zu einem gewissen anerkannten Alkoholismus, der weiter verbreitet ist als in Nicht-Weinbau-Gebieten. Aber sonst ist Leibnitz ein reiner Statthalter für eine Kleinstadt, das könnte auch in Baden-Württemberg spielen.

Was interessiert sie an der Kleinstadt?
Die Kleinstadt ist ein unbefriedigendes Hybrid - du bist nicht alleine in der Natur, sondern hast Nachbarn, die dir ins Wohnzimmer schauen, aber du bist auch nicht in der Stadt, die anonym ist. In der Kleinstadt finde ich auch das Spiel mit Sein und Schein spannend, jeder kriegt mit, welches Auto man fährt und dass man jetzt einen Pool baut. Aber was hinter der Fassade passiert, hinterfragt man dann doch nicht. Vor allem in der Steiermark: Die Steirer haben so eine eigenartige Duldsamkeit - man hält viel aus und frisst viel in sich rein. Ich hab auch in Tirol gelebt, die gehen viel mehr hausieren mit ihren Gefühlen und glauben grundsätzlich, dass sie richtig liegen. Die Steirer glauben zuerst einmal, sie liegen falsch und müssen sich beweisen.

Als Schauspieler denkt man ja in Dialogen. War es schwierig, Prosa zu schreiben?
Bei mir war’s eher umgekehrt, ich habe mir mit den Dialogen schwer getan, obwohl man als Schauspieler natürlich ein gutes Gefühl dafür hat, wie Gespräche so ablaufen. Schreiben ist auch ein Gefühl der Allmacht, das war für mich neu, als Schauspieler arbeitet man sonst ja mit vorgegebenen Welten, hier habe ich meine eigene Welt geschaffen. Und beim Romanschreiben habe ich genossen, dass man all das tun darf, was man beim Drehbuch niemals tun dürfte: Zum Beispiel strotzt das Buch vor Ambivalenzen. Das wäre im Drehbuch mit Held und Antiheld und Plotpoints ganz anders. Deshalb glaube ich, dass mein Buch nicht verfilmbar ist. Und das ist gut, weil das Schreiben ist ab jetzt ein ganz separater Teil meiner Karriere.

Gibt es schon Pläne für eine Fortsetzung?
Ich habe die Grundideen für zwei weitere Geschichten, die in steirischen Kleinstädten spielen könnten - eine davon in Knittelfeld. Aber wie schnell ich dazu komme, weiß ich nicht, weil ich jetzt dann wieder sehr viel drehe - „Schnell ermittelt“, „Soko Donau“ und „Vorstadtweiber“. Aber der Plan und die Lust sind da.

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