Achtung, Österreich!

David Stec: „Fans in Polen sind viel verrückter!“

Fußball International
09.09.2019 06:01

Legionär oder Nicht-Legionär? Gar nicht so leicht zu sagen, wenn man David Stec heißt, Österreicher mit polnischen Wurzeln ist und dann erst recht für Pogon Szczecin in Polens Fußball-Oberhaus spielt. Im Gespräch mit sportkrone.at macht der Ur-St.-Pöltner unter anderem klar, dass Polens Ekstraklasa für ihn nicht unter Österreichs Bundesliga zu stellen ist, er Pogon Szczecin in Österreich in der Meistergruppe sähe und er erzählt zudem, wieso er in Polens Fußball-Stadien immer wieder an Rapid erinnert wird…

krone.at: David, Du bist in Wien als Sohn polnischer Eltern geboren, als Fußballer beim SKN St. Pölten großgeworden - und jetzt spielst Du in der alten Heimat Deiner Eltern. Fühlst Du Dich selbst eigentlich als Legionär hier bei Pogon Szczecin?
David Stec: Ich bin zwar ein Legionär, aber so richtig fühlen tue ich mich nicht so - eben wegen der Sprache hier. Und ja, wirklich aufgewachsen bin ich eigentlich in Wien, nur was den Fußball anbelangt, bin ich ein St. Pöltner. Dort hab‘ ich meine ersten Schritte im Profi-Bereich gemacht…

krone.at: Wie ist es eigentlich bei Dir zu dem Engagement in Polen gekommen? Polnische Wurzeln gut und schön, aber dann auch tatsächlich hierher zu wechseln, das sind schon auch zwei Paar Schuhe…
Stec: Seit ich klein war, wollte ich immer schon hier in Polen spielen, weil meine Eltern hier herkommen und die Hälfte meiner Familie hier in Polen wohnt. Mit Pogon Szczecin hat sich dann eben die Chance ergeben, die haben schon früh Kontakt mit mir aufgenommen - auch der Trainer. Wie man weiß, ist der Trainer ja auch in Wien geboren...

krone.at: Wir sprechen von Kosta Runjajic…
Stec: Genau! Er war ein wichtiger Grund dafür, dass ich hierher gewechselt bin. Ich hatte viele Gespräche mit ihm und am Ende habe ich mich dann für Pogon Szczecin entschieden.

krone.at: Wie darf man sich das Niveau hierzulande vorstellen, etwa im Vergleich mit Österreichs Bundesliga?
Stec: Ungefähr gleich vom Niveau her - es geht hier aber ab und zu ein bisschen härter zu, was die Zweikämpfe angeht.

krone.at: Und sonst?
Stec: Als ich noch in St. Pölten war, haben die Klubs der Bundesliga jedes Jahr viermal gegeneinander gespielt. Hier ist es das erste Mal, dass ich nur zweimal pro Jahr gegen eine Mannschaft antreten muss - außer in den Play-offs am Saisonende…

krone.at: In Österreich halten wir es inzwischen relativ ähnlich…
Stec: Ich weiß... (lacht)…Ich verfolg‘ die Liga eh noch immer. Jetzt find‘ ich’s besser - außer vielleicht, dass die Punkte in Österreich geteilt werden. Das könnte man wieder abschaffen. Hier in Polen war das auch so, aber nach ein oder zwei Jahren haben sie das geändert, weil durch die Punkteteilung die Leistung eines Teils der Saison entwertet wurde!

krone.at: In taktischer Hinsicht wäre mein Eindruck der vergangenen Wochen, Monate und Jahre, dass hier in Polen die Offensive doch ein bisschen mehr in den Fokus gerückt wird als in Österreich. Oder täuscht der Eindruck?
Stec: Das kommt drauf an, gegen wen und wie man generell spielt. Wir zum Beispiel versuchen sehr offensiv aufzutreten… (überlegt) Aber generell gibt es solche und solche Mannschaften. Es ist aber schon so, dass es auch wirklich oft Partien gibt, da ist man schon 3:0 hinten und gewinnt am Ende mit 4:3...

krone.at: Klingt ein bisschen nach Unordnung…
Stec: Vielleicht nicht gerade Unordnung, aber weil man guten Fußball spielen und den Fans etwas zurückgeben, ihnen etwas zeigen will, spielt man auch offensiver. Und dadurch entstehen hinten ab und zu eben auch Lücken…

krone.at: Wie würde sich Dein Ex-Klub St. Pölten hier schlagen - und was für eine Rolle könnte Pogon in Österreich spielen?
Stec: Ich glaub‘, Pogon Szczecin würde in Österreich sicher im oberen Play-off spielen… (überlegt) Aber es ist schwer zu sagen, weil wir noch nie gegen eine österreichische Mannschaft angetreten sind (lacht) Und umgekehrt hab‘ ich mit St. Pölten noch nie gegen eine polnische Mannschaft gespielt. Die Ligen sind einfach ein bisschen anders...

krone.at: Abgesehen vom Sportlichen, wie darf man sich denn die Stimmung bei den Partien in der Ekstraklasa Polens vorstellen? Ruhig zugehen soll es hier ja eher selten…
Stec: Es ist so, dass die Fans hier in Polen verrückter sind und dadurch ist die Stimmung auch besser in den Stadien. Man spürt das auf dem Spielfeld total, das bekommt man mit.

krone.at: Kann man da im Vergleich mit Österreich irgendeinen Vergleich anstellen?
Stec: (überlegt kurz) Ja, in vielen Stadien ist die Stimmung so wie bei Rapid - also richtig gut, über 10.000 Fans bei jedem Spiel. Dann gibt’s zwei Viertel der Liga, da geht‘s dann so zu wie zum Beispiel bei Austria Wien. Aber generell positiv verrückt. Also ich find die Stimmung gut! (grinst)

krone.at: Wie schauen die sportlichen Ziele von Pogon Szczecin hier in der polnischen Ekstraklasa aus? In der vergangenen Saison hat man es in der 16er-Liga in die Meisterrunde und dort dann auf Platz 7 geschafft…
Stec: Also das erste Ziel ist jede Saison, es in die Meistergruppe zu schaffen. Und man hat’s in den letzten Jahren gezeigt, dass man immer wieder dabei sein kann. Letztens wäre auch locker ein Europa-League-Startplatz für uns drinnen gewesen, aber leider haben wir im Endeffekt zu viele Punkte unnötig hergeschenkt.

krone.at: Wie schaut’s bezogen auf die Vorsaison bei Dir aus, David? Zufrieden mit dem ersten Jahr in der Ekstraklasa?
Stec: Also ich persönlich bin zufrieden, ich spüre, dass ich mich weiterentwickelt habe! Ich hab‘ nicht jede Partie gespielt, aber das ist normal, wenn man die Liga wechselt und in eine ganz neue Mannschaft kommt. Für mich war die Saison sehr zufriedenstellend, auch wenn es bei mir wie bei jedem anderen Spieler immer etwas gibt, das ausbaufähig ist. Aber ich bin ein Typ, der immer hart arbeitet und immer Gas gibt! Mein Konkurrent auf der rechten Außenbahn ist halt auch ein Guter...

krone.at: Und das bedeutet?
Stec:
...dass wir uns gut ergänzen. Manchmal braucht der Coach eher jemanden wie mich und dann wieder einen anderen Spielertyp. Ich glaub‘, wir sind zwei verschiedene rechte Verteidiger, die sich gut ergänzen. Überhaupt ist unser Kader sehr, sehr stark, auf jeder Position doppelt besetzt…

krone.at: Der „normale“ österreichische Fußball-Fan schaut auf Ligen wie jene in Deutschland, England oder Spanien - hast Du keine „Angst“, hier in Polen vom Radar zu verschwinden, vielleicht auch von jenem des Teamchefs?
Stec: Nein, da hab‘ ich keine Angst! Wenn man die Leistung bringt und gute Statistiken aufweist, kann man es von jeder Liga aus ins Nationalteam schaffen. Es ist ja so, dass es aus der Ekstraklasa jedes Jahr viele Transfers in richtig gute Ligen gibt...

krone.at: Etwa den Herrn Krzysztof Piatek, der von Cracovia Krakau zu Genoa und dann zum AC Milan gewechselt ist…
Stec: Zum Beispiel! Also nein, ich hab‘ keine Angst, weil hier sehr viele Scouts aus den Top-Ligen herkommen, sich die Spiele anschauen und immer wieder sehr gute Spieler aus dieser Liga große Transfers machen.

krone.at: Sollte sich der österreichische Fußballfan langsam auch ein bisschen mehr nach Polen orientieren?
Stec: Schwer zu sagen... (lacht)... Man kann schon ab und zu hinschauen, weil jetzt immerhin drei Österreicher in der Ekstraklasa spielen. Ein Blick auf Pogon Szczecin lohnt sich sicher… (lacht)

krone.at: Wir plaudern hier gerade in der großen und urigen, allerdings auch bereits sehr angejahrten Heimstätte von Pogon Szczecin miteinander - einem Stadion, das es bald nicht mehr geben wird. Schade drum?
Stec: Ja, dieses Stadion hat so ein eigenes Feeling gehabt, als ich hierhergekommen bin...

krone.at: Das ist für unsere Leser ein bisschen schwer darstellbar, weil wir hier jetzt eine Baustelle haben…
Stec: Ja, schon vor dem Sommer haben sie mit einem Totalumbau begonnen. Hier wird jetzt ein ganz neues Stadion für über 20.000 Zuschauer errichtet. Der Verein und die Stadt investieren sehr viel - wie überhaupt im polnischen Fußball viel Geld für neue Stadien ausgegeben wurde und wird. Wo man auch hinfährt, gibt‘s neue Stadien...

krone.at: Apropos SKN St. Pölten: Gibt’s noch Kontakt zur alten Heimat in die niederösterreichische Landeshauptstadt?
Stec: Ja, klar! Ich bin mit manchen Spielern regelmäßig in gutem Kontakt und ich verfolge die Mannschaft und die Liga weiterhin. Ich glaub‘, das macht jeder, wenn er von seinem Heimatklub irgendwo hinwechselt. Der SKN ist ein Klub, der mir sehr viel gegeben hat, der mir die Chance gegeben hat, im Profi-Fußball Fuß zu fassen und mich zu zeigen. Es war immer sehr familiär und ich hab‘ nur positive Erinnerungen an diesen Verein.

krone.at: Wie ist es eigentlich um die Medienlandschaft in Polen bestellt? Im Frühjahr ist da ja mal eine Geschichte bis nach Österreich durchgedrungen, wonach du gegen St. Pölten geschimpft hättest…
Stec: Also mir ist gar nichts bekannt von so einem Vorfall! Ich hab‘ nie Probleme mit St. Pölten gehabt - und ich glaub‘, sie haben auch mit mir keine Probleme gehabt. Sie haben mir damals wegen der Vertragsverlängerung immer Zeit gegeben, damit ich mich entscheiden kann. Wir haben immer offen miteinander geredet - ich hab‘ mich gefühlt, als würd‘ ich Vater-Sohn-Gespräche haben, wenn wir über die Vertragsverlängerung geredet haben. Also ich weiß nicht, von wo das herkommt…

krone.at: Zum Abschluss noch ein Ausflug auf die Nationalteam-Ebene: Am 9. September kommt es in Polen zum „Rückspiel“ in der EM-Quali zwischen Polen und Österreich. Wie schätzt Du die Stimmungslage hier im Lande ein?
Stec: Man weiß, dass wir in Österreich eine sehr starke Mannschaft haben und man nimmt sie auf jeden Fall genauso ernst wie vor dem ersten Spiel. Aber die Leute hier wollen sicher einen Sieg sehen, die Stimmung wird sehr gut, das Stadion wird zu 100 Prozent ausverkauft sein. Mein Tipp ist, dass es sehr ausgeglichen sein wird, wahrscheinlich gibt‘s ein Unentschieden…

Hannes Maierhofer (in Szczecin)

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(Bild: KMM)



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