Gig mit Ambros-Hit

Metallica: Weil Schifoan ist das Leiwandste …

Musik
17.08.2019 09:18

Vor ausverkauftem Haus haben Metallica am Freitagabend mehr als zwei Stunden im Wiener Ernst-Happel-Stadion gespielt und ließen neben allen großen Hits aus fast vier Dekaden Bandgeschichte viel Platz für Humor, Pyrotechnik - und Wolfgang Ambros.

(Bild: kmm)

Wenn er - pompös und maskulin wie eh und je - in der Mitte der Bühne steht, versprüht James Hetfield noch immer das gewisse Etwas. Seit knapp 40 Jahren teilt er mit Drummer Lars Ulrich das Geschäftsmodell Metallica nach strenger Hierarchie. Er ist der Körper und die Physis. Der Meister der schneidenden Riffs und des bellend-aggressiven Gesangs. Ulrich ist das Hirn, die wirtschaftliche Maschinerie, die Metallica überhaupt erst zur mächtigsten Metalband der Welt gedeihen ließ. Mühelos füllen sie die Stadien auch Dekaden nach dem letzten wirklich wichtigen Studioalbum. Die Nostalgie war schon immer ein gutes Geschäft im Musikbusiness, vor allem, wenn Songs wie „Sad But True“ oder „Harvester Of Sorrow“ inhaltlich wie auch musikalisch von einer gewissen Zeitlosigkeit durchzogen sind. Die Kalifornier spielen mittlerweile zwar nur noch alle zwei bis drei Tage, dafür aber jeweils fast zweieinhalb Stunden. Vom gemütlichen Zurücklehnen in der Vorpension kann keine Rede sein.

Pannen passieren
Dass Hetfield zumindest optisch in den vergangenen zehn Jahren 20 Jahre gealtert ist, sollte man ihm nicht zum Vorwurf machen. Niemand vermag im Thrash-Metal-Ambiente viehische Aggression („Master Of Puppets“) so kongruent mit Melancholie („The Unforgiven“) in der Stimme zu verbinden wie der hünenhafte Frontmann. Seine Ansagen schrammen zwar auch im knallvollen Wiener Happel-Stadion nicht an Peinlichkeiten vorbei, aber wenn er sich auf sein Kerngebiet konzentriert und den Zeremonienmeister gibt, ist er nach wie vor unschlagbar. Da kann man auch verschmerzen, dass er zwischendurch den Einsatz auf der Gitarre verpasst oder Ulrich - man ist es als langjähriger Fan ja ohnehin schon gewohnt - das eine oder andere Mal den Rhythmus zerhackt. Besonders auffällig ist das beim genialen Old-School-Kracher „The Four Horsemen“ oder dem großen Bandhit „Seek And Destroy“, die wirklich offensichtlich am Original vorbeihauen.

Dem Metallica-Jünger ist das freilich egal, denn die Party läuft automatisch, wenn die Lieblingssongs aus dem Äther dröhnen. Für jeden ist etwas dabei, jedem wird etwas serviert. Kontrollierte Härte mit etwas Entschleunigung? „The Memory Remains“. Brachiale Thrash-Riffs mit extensiver Pyrotechnik-Nutzung? „Moth Into Flame“. Wütendes Gepolter, das auch nach knapp zwei Jahrzehnten nur den ganz Eingeschworenen bekömmlich runterrutscht? „Frantic“. Hetfield zeigt sich in Wien bestens gelaunt, kommt auch hier und da nach vorne an den Bühnensteg, wo sich Gitarrist Kirk Hammett und Bassist Rob Trujillo ohnehin die meiste Zeit aufhalten. Ulrich macht sich gewohnt gerne zum Kasperl und post souveräner in die Bühnenkamera, als er auf seine Felle drischt, doch bei manchen Songs wähnt man sich an Präzision und Feuer der Frühzeit zurückerinnert. Das Kult-Triple „For Whom The Bell Tolls“, „Creeping Death“ und „Seek And Destroy“ wird gar komplett am vorderen Rand des Bühnenstegs zelebriert. Die Altherrentruppe agiert alles andere als senil und hüftsteif und teilt diesen unermesslichen Spaß mit der enthusiasmierten Fanschar.

Spaß mit Woiferl
Den größten Spaß haben sie ohnehin selbst. Nach dem sperrigen „No Leaf Clover“ ist bei jeder Tourstation Zeit für Hammett und Trujillo, ein einheimisches G’stanzl auszupacken. In Wien entscheiden sie sich - zur Überraschung aller - für den Wolfgang-Ambros-Evergreen „Schifoan“. Nicht nur, dass derartige Versuche in anderen Ländern wesentlich schlimmer endeten, ist neben der adäquaten Instrumentierung durch Trujillo für zusätzliches Lachen gesorgt. Der Bassist übt sich, durchaus nicht ungeschickt, im Wiener Dialekt, und wer den alten Woiferl die letzten Male gesehen hat, weiß, besser hätte er das heute auch nicht hingekriegt. Vielleicht ist gerade das auch die Quintessenz von Metallica anno 2019. Steil auf den 60er zugehend, geht es den Mitgliedern der Band nicht mehr um Härte und scharfkantige Präsenz, sondern um Humor, ein wohliges Gefühl des Miteinanders und eine gemeinschaftlich gute Zeit. Die Bösen sind längst andere - „Seek And Destroy“ wird bei Metallica mit amüsantem Augenzwinkern erledigt.

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