"Am Schauplatz"

Wrabetz verteidigt Doku ++ Video zeigt Bursch bei FPÖ

Österreich
26.03.2010 16:29
Der ORF will das Rohmaterial zur "Schauplatz"-Reportage "Am rechten Rand" weiterhin unter Verschluss halten und nicht an die Behörden aushändigen. "Hier geht es um die Grundfesten der Demokratie und des unabhängigen Journalismus", sagte Generaldirektor Alexander Wrabetz am Freitag. Während der Sendungsverantwortliche für die "Am Schauplatz"-Reihe eine Anzeige gegen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ankündigte, ist im Internet ein Video aufgetaucht, das einen der beiden Protagonisten beim Besuch einer FPÖ-Veranstaltung im Jahr 2009 zeigt.

Strache hatte bei seinen Anschuldigungen stets behauptet, der ORF habe die beiden Skinheads, die "Schauplatz"-Redakteur Eduard Moschitz für die Reportage insgesamt drei Monate lang begleitete, als "Nazi-Statisten" zu der FPÖ-Veranstaltung in Wiener Neustadt hingebracht. Der ORF-Redakteur habe damit für seine Aufnahmen ein falsches Bild von Parteiveranstaltungen erzeugen wollen.

Das YouTube-Video (siehe Infobox), das bei einer Strache-Kundgebung anlässlich der Europawahl 2009 am Wiener Viktor-Adler-Markt aufgezeichnet wurde, zeigt jedoch einen der späteren Protagonisten der ORF-Doku, wie er der Rede des freiheitlichen Parteichefs beiwohnt. Der Urheber der Aufnahme, die am 25. März online gestellt wurde, ist allerdings nicht bekannt. Es dürfte sich bei dem Clip um einen Ausschnitt aus einem längeren Amateurvideo handeln, das sich aber, zumindest auf YouTube, nicht finden ließ.

Anzeige wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch
Der Sendungsverantwortliche für die ORF-Reportagereihe "Am Schauplatz", Christian Schüller, hat indes rechtliche Schritte gegen Strache angekündgt. Er hat vor, Anzeige wegen "übler Nachrede, falscher Zeugenaussage und Anstiftung zum Amtsmissbrauch" zu machen. Letzteres will er deshalb zur Anzeige bringen, weil offenbar Polizei und Staatsanwaltschaft die FPÖ "im Stundentakt über alle ihre Amtshandlungen in dieser Causa" informiert hätten, so Schüller.

Die FPÖ kommentierte die Ankündigung mit einer Aussendung: "Wenn der ORF vorhat, sich weiter ins Unrecht zu setzen, soll er dies tun", meint Generalsekretär Herbert Kickl. Die FPÖ überlege, in Zukunft jedes ORF-Kamerateam, das bei einer freiheitlichen Veranstaltung auftauche, von einem eigenen Kamerateam begleiten zu lassen.

Wrabetz: "Werden Instanzenzug voll ausschöpfen"
ORF-Generaldirektor Wrabetz stärkte den Redakteuren am Freitag den Rücken. Die Herausgabe des Rohmaterials, in dem die Behörden Beweise für neonazistische Wiederbetätigung suchen wollen, würde dem Prinzip der Unabhängigkeit widersprechen. "Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen, und wir werden alle Anträge bei Gericht bekämpfen und den Instanzenzug voll ausschöpfen", kündigte der ORF-Chef an. Sollte der öffentlich-rechtliche Sender dabei nicht Recht bekommen, dann werde man auch die Frage der Strafprozessordnung in der geltenden Fassung thematisieren. Der ORF werde alles tun, um das "verfassungsmäßige Recht der journalistischen Unabhängigkeit und des Redaktionsgeheimnisses abzusichern", so Wrabetz.

Man werde der Staatsanwaltschaft dennoch Vorschläge machen, damit diese nicht bei der Verfolgung von Straftaten behindert wird. Der ORF wolle sicher nicht in irgendeiner Form strafbare Handlungen decken. Dies könne jedoch nicht durch die Herausgabe des Drehmaterials erfolgen. Gut findet der ORF indes den Umstand, dass die bereits im Besitz der Ermittlungsbehörden befindlichen Dreh-Aufnahmen von der FPÖ-Veranstaltung mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in Wiener Neustadt nun von einem vom Gericht bestellten Gutachter überprüft werden. Der von Strache gemachte Vorwurf der technischen Manipulation werde dann endgültig in sich zusammenfallen, glaubt Wrabetz.

Das journalistische Ergebnis der "Schauplatz"-Reportage lobte der ORF-Chef. Die Dokumentation habe großes Interesse beim Publikum hervorgerufen und werde von Experten schon jetzt als sehr gute Sozialreportage gewürdigt. Laut Wrabetz sei die Problematik von Jugendlichen, die ins rechtsextreme Milieu abgleiten, anschaulich dargestellt worden. "Das war gute journalistische Arbeit, die auch jeder allfälligen Beschwerde beim Bundeskommunikationssenat standhalten wird." Die auch aus der ÖVP gekommene Kritik an der journalistischen Vorgangsweise des "Schauplatz"-Teams wies der ORF-Chef zurück. "Das sind Fragen unserer internen Qualitätsstandards und deshalb auch ORF-intern zu beurteilen. Wir brauchen keine Zurufe aus der Politik."

Medienanwältin sieht "verzwickte Situation"
"Das Redaktionsgeheimnis ist sicherlich bedroht", kommentierte die Medienanwältin Maria Windhager den aktuellen Verfahrensstand. Die - nicht sehr reiche - Judikatur zur gegenständlichen Problematik spreche allerdings eher für den Standpunkt der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, verwies Windhager auf eine einige Jahre zurückliegende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Damals hatte sich der ORF unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis geweigert, Filmmaterial über eine Demonstration herauszugeben, in deren Verlauf ein Denkmal beschädigt wurde. Der OGH stellte fest, dass die Verweigerung nicht vom Redaktionsgeheimnis gedeckt war und die extensive Interpretation des Redaktionsgeheimnisses dem Rechtsstaat mehr schade als nütze: Ein "öffentlich wahrnehmbares Geschehen" falle nicht unter das Redaktionsgeheimnis. Bei Filmaufnahmen von einem "allgemein zugänglichen Ereignis" stelle die Herausgabeverpflichtung keine Umgehung des Redaktionsgeheimnisses dar.

Allerdings wurde für die Reportage nicht ausschließlich in der Öffentlichkeit gedreht, sondern auch in den Wohnungen der beiden Hauptprotagonisten. Vom ORF hieß es folglich auch: "In dem Moment, wo Rohmaterial, das zum Teil nie auf Sendung gehen würde, in breitem Umfang gesichtet wird, wird ins Redaktionsgeheimnis eingegriffen." Medienanwältin Windhager hält es trotzdem für wahrscheinlich, dass der ORF das Material herausgeben muss, wenn die Anklagebehörde entscheidet, dass das Material Beweisrelevanz hat. "In Wahrheit führt in der verzwickten Situation, die sich mittlerweile ergeben hat, kein Weg daran vorbei, dass sich das ein Richter anschaut", so die Expertin. Sollte sich der ORF weiter weigern, könnten gemäß Strafprozessordnung Beugestrafen verhängt werden, etwa in Form von Geldstrafen.

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