ÖVP unter Druck

VP-naher Verein greift das Verbotsgesetz an

Österreich
24.03.2010 15:19
Ein politisches Forderungsschreiben des Wiener Akademikerbundes von Ende 2009 an mehrere ÖVP-Ministerien hat die Volkspartei jetzt gehörig unter Druck gebracht. In dem am Mittwoch publik gemachten Brief aus dem parteinahen Verein wird neben der Abschaffung der Fristenlösung und der Aufhebung des Gleichbehandlungsgesetzes auch die ersatzlose Streichung des NS-Verbotsgesetzes gefordert. Der VP-Klub und die Parteispitze distanzierten sich, die Wiener ÖVP hat AB-Landesobmann Josef Müller aus der Partei ausgeschlossen.

Der Österreichische Akademikerbund ist ein offen ÖVP-naher Verein, von der Volkspartei als unabhängige Vorfeldorganisation anerkannt, und setzt sich aus mehreren Landesorganisationen zusammen. 1953 als Reaktion auf den Bund sozialdemokratischer Akademiker gegründet, zählt der Verein heute mehr als 4.000 Mitglieder, von denen nicht wenige Parteimitglieder der ÖVP sind. Bundesvorsitzender ist seit 2005 der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler, Wiener Landesobmann ist laut Akademikerbund-Website der Senatsrat Josef M. Müller.

Fiedler distanzierte sich am Mittwochnachmittag klar von den Forderungen des Wiener Landesvereins. Er wolle nun klären, wer für den Inhalt des "ominösen Briefs" verantwortlich sei, und ob das eine Sache Einzelner oder der ganzen Landesgruppe sei. Bei der Delegiertenkonferenz am Freitag werde man das Thema natürlich behandeln, auch einen Ausschluss der Wiener Organisation.

Welle an Distanzierungs-Aussendungen
Über den Brief selbst ist, bis auf die eingangs genannten Forderungen, wenig bekannt. Die Pressestelle des ÖVP-Parlamentsklubs bestätigte gegenüber krone.at am Mittwoch den kolportierten Inhalt, konnte das Schreiben selbst jedoch nicht vorlegen. Der Brief stammt jedenfalls vom November 2009. Im Laufe des Vormittags gab es Dutzende Presseaussendungen aus der ÖVP: Generalsekretär Fritz Kaltenegger stellte fest, dass Forderungen wie die Aufhebung des NS-Verbotsgesetzes "im direkten Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Österreichischen Volkspartei stehen und zutiefst von der ÖVP abgelehnt werden". Kaltenegger forderte Fiedler auf, sich sofort und unmissverständlich davon zu distanzieren.

Aus dem ÖVP-Klub hieß es: "In der Österreichischen Volkspartei gibt es keinen Platz für derartiges Gedankengut. Wir distanzieren uns unmissverständlich von Forderungen des Wiener Akademikerbundes. [...] Derartiges Gedankengut wird von uns in der ÖVP nicht geduldet", werden ÖVP-Chef Josef Pröll und Klubobmann Karlheinz Kopf in einer Aussendung zitiert. Man prüfe derzeit "alle rechtlichen und statutarischen Möglichkeiten, um in dieser Angelegenheit für eine restlose und kategorische Bereinigung zu sorgen".

AB-Landesobmann aus Partei ausgeschlossen
Die neue Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek bezeichnete die Forderungen des Wiener AB als "haarsträubend", die Positionen seinen "völlig jenseitig" jener der ÖVP. Probleme mit der Wiener Landesorganisation gebe es schon lange, "jetzt reicht es einfach", so Marek. AB-Landesobmann Josef M. Müller, der den Brief unterzeichnet haben soll, wurde noch am Mittwoch wegen schädigendem Verhaltens aus der Partei ausgeschlossen.

Auch Seniorenbund-Obmann Andreas Khol verurteilte die Position des Wiener AB und warf Müller vor, "kein Ersttäter" zu sein. So sei dieser bereits durch "andere rechtsextreme Äußerungen", insbesondere zur Europäischen Union, aufgefallen. Diese hätten Khol auch dazu bewogen, vor Jahren aus dem AB auszutreten.

Aktionen gegen Wiener Landesgruppe in Vorbereitung
Marek plant weitere Aktionen gegen die Landesgruppe als Ganzes: "Jegliche Infragestellung des verfassungsrechtlich verankerten Verbotsgesetzes ist eine brandgefährliche Verschiebung der Grenzen nach rechts, die wir nicht dulden." Die ÖVP Wien werde dem Verein den Status als Vorfeldorganisation aberkennen, kündigte Marek an. Noch am Mittwoch werde ein entsprechender Antrag an alle Funktionäre gehen. "Ich will als Wiener ÖVP mit diesem Akademikerbund nichts mehr zu tun haben."

Wissenschaftsministerin Beatrix Karl, Obfrau des Steirischen Akademikerbundes, kündigte an, dass ihre Landesgruppe bei der Delegiertenversammlung am Freitag den Ausschluss der Wiener fordern werde und erwartet sich dabei die Unterstützung der anderen Landesorganisationen. "Rechtsextremes Gedankengut hat in der Gesinnungsgemeinschaft des Akademikerbundes keinen Platz." Auch Karl verlangte von Fiedler "deutliche Worte".

Scharfe Kritik von Wiener SPÖ und Grünen
Vor allem für die (wahlkämpfende) Wiener SPÖ erweist sich der AB-Brief am Mittwoch als gefundenes Fressen: Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas ortete "dringenden Aufklärungsbedarf". "Der liberale Lack der Wiener ÖVP ist ab!", meinte der Verbandsvorsitzende der Sozialistischen Jugend, Wolfgang Moitzi, der im Titel seiner Aussendung von einem "ÖVP-Akademikerbund" sprach. "Es ist höchste Zeit, dass ÖVP-Bundesparteiobmann Josef Pröll Farbe bekennt, wie seine Partei, die ÖVP, zu zentralen demokratischen Grundwerten der Republik Österreich steht", attackierte der Wiener SPÖ-Landesparteisekretär Christian Deutsch die ÖVP-Spitze.

Auch die Grünen sahen die ÖVP-Spitze gefordert: Bundessprecherin Eva Glawischnig sagte in ihrer Wortmeldung zur Aktuellen Stunde im Nationalrat: "Herr Minister Pröll, ich fordere von Ihnen Klartext und Wahrheit ein." Zu dem skandalösen Schreiben brauche es eine klare Stellungnahme und Distanzierung der Parteispitze. Die Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou warf der ÖVP Nachlässigkeit vor: "Offensichtlich ist der Wiener Akademikerbund ein Ort extremistischer Strömungen. Das muss der ÖVP bekannt sein, auch weil es nicht das erste Mal ist, dass der Wiener Akademikerbund in dieser Hinsicht auffällt. Erst vor wenigen Monaten hatte der Wiener AB einen Brief mit unverhohlen rassistischem Inhalt verschickt, der auch mir zugegangen ist. Spätestens hier hätte die ÖVP begreifen müssen, dass es einen rechtsextremen Fleck gibt und eingreifen müssen."

FPÖ und BZÖ schweigsam
Vonseiten der FPÖ und des BZÖ gab es am Mittwoch hingegen keine Wortmeldung. Dabei hatte sich erst Anfang März hat die freiheitliche Bundespräsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz aufgrund starken öffentlichen Drucks eidesstattlich zum Verbotsgesetz bekennen müssen.

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