„Krone“ fragt Bischof:

Haben Sie es der Regierung zu leicht gemacht?

Österreich
14.04.2019 13:05

Fünf Tage vor dem höchsten evangelischen Feiertag flammt die Debatte um die Karfreitags-Regelung neu auf. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht der Bischof der Evangelischen Kirche, Michael Bünker, über die Klage beim Verfassungsgerichtshof, seine Rolle bei den Verhandlungen mit der Regierung und ein Zukunftsszenario des religiösen Lebens in Österreich - muslimische Feiertage inklusive.

Das Evangelische Zentrum in Wien-Währing: Im Garten blühen Forsythien, an der Rezeption steht ein Osterstrauß mit bemalten Eiern. Ein dunkler Korpus Christi aus dem 15. Jahrhundert an der weißen Wand zieht die Blicke auf sich. Da hängt Jesus, aber nicht am Kreuz.

Das Büro des Bischofs im zweiten Stock ist schlicht, eine Vase mit Palmkätzchen deutet auf das Osterfest hin. Ans Revers seines dunkelblauen Sakkos hat Bünker ein rot-gelbes, kleines Kreuz gesteckt, es sieht eher wie zwei flüchtige Pinselstriche aus.

„Krone“: Herr Bischof, noch eine Woche bis Ostern. Was ist heutzutage noch der Sinn dieses Festes?
Michael Bünker: Der Sinn von Ostern ist es, uns Mut zu machen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass das Leben das letzte Wort haben wird, nicht der Tod. Dass sich die Dinge letztendlich zum Guten wenden. An diesem Glauben sollten wir immer festhalten, auch wenn vieles dagegenspricht. Ich würde es nicht Optimismus nennen, sondern Zuversicht.

Wie kommt es eigentlich, dass die Evangelischen den Tod von Jesus am Karfreitag feiern und die Katholiken seine Auferstehung am Ostersonntag?
Wir feiern nicht den Tod, wir rücken das Leiden in den Blickpunkt. Daher beginnen die Gottesdienste am Karfreitag schon am Vormittag. Die Kreuzigung Jesu erfolgte zur dritten Stunde, also um neun Uhr, und der Tod dann zur neunten Stunde, also um 15 Uhr. Ich werde in Gols, von dort stammt meine Frau, einen Gottesdienst feiern und dann in der lutherischen Stadtkirche hier in Wien meinen letzten „Kreuzklang“ feiern, ich gehe ja nach dem Sommer in Pension.

Kreuzklang?
Das ist seit vielen Jahren eine musikalische Tradition. Dieses Jahr wird eine besondere zeitgenössische Komposition welturaufgeführt, da freue ich mich schon. Zum Karfreitag gehört immer auch die Musik.

Wie klingt der Karfreitag?
Nach Bachs Matthäus-Passion, zu denen wir die Berichte von der Kreuzigung in den Evangelien lesen und bedenken. Nach Haydns Komposition zu den letzten sieben Worten von Jesus, ein Meilenstein der abendländischen Kulturgeschichte. Haydn sagte ja selber, dass diese Musik auch in den Seelen der Unverständigen Emotionen erweckt.

Die türkis-blaue Regierung hat den Karfreitag als Feiertag ja gestrichen, wer ihn feiern will, muss einen Urlaubstag nehmen. Haben Sie dieser Regelung nun zugestimmt oder nicht?
Nein, ich habe diesem „persönlichen Feiertag“ aus dem Urlaubskontingent nicht zugestimmt. Die Synode unserer Kirche hat in ihrer Resolution vom 9. März den flexiblen Feiertag als denkbar genannt, man hätte das diskutieren können. Aber als zusätzlichen Feiertag. Dass wir aber für die persönliche Ausübung unserer Religion einen Urlaubstag nehmen müssen, ist inakzeptabel.

Warum haben Sie sich dann erst, als es Proteste gab, gegen die Lösung gestellt?
Es hat große Aufregung und Empörung unter den Evangelischen gegeben, das ist richtig. Was mir zunächst wichtig war: Das Schlimmste zu verhindern, nämlich den halben Feiertag, das wäre für uns noch schlimmer gewesen. Die Gespräche haben insgesamt unter sehr großem Zeitdruck stattgefunden. Ich bedaure, wie das abgelaufen ist. Man hätte sich mehr Zeit lassen müssen. Denn es ist ja nicht gesagt, dass eine Erkenntnis des EuGH sofort umgesetzt werden muss. Gerade das heurige Jahr hätte sich gut geeignet, noch zu warten. Weil der 8. Dezember auf einen Sonntag fällt, also wäre wirtschaftlich gar nichts Negatives passiert.

Die Evangelische Kirche hat ja eine Klage geprüft. Ist diese Prüfung abgeschlossen?
Nein, das wird noch ein bisschen dauern. Aber nach Ostern wird sie beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, wahrscheinlich im Laufe des Mai.

Warum?
Die Karfreitagsregelung ist wahrscheinlich ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zwischen den Religionen. Außerdem hat die Regierung ihr öffentliches Versprechen, dass niemandem etwas weggenommen werde, nicht gehalten. De facto wird den Evangelischen und Altkatholischen ihr Feiertag sehr wohl weggenommen.

Haben Sie es der Regierung zu leicht gemacht?
Wenn ich wüsste, wie wir es besser hätten machen können, dann würde ich mir diesen Vorwurf gefallen lassen. Ich bin jedenfalls nicht glücklich damit.

Sind Feiertage überhaupt noch zeitgemäß? Sind sie nicht für den Großteil der Menschen einfach freie Tage, die mit dem Glauben gar nichts mehr zu tun haben?
Das ist in einer zunehmend säkularen Gesellschaft natürlich so. Aber gesamtgesellschaftlich haben Feiertage - egal ob bei Katholiken, Evangelischen, Juden oder Muslimen - ihre Bedeutung und ihren Wert. Sie sind so etwas wie die Stopper im Hamsterrad der ständigen Verfügbarkeit. Wenn das nicht nur individuelle, sondern gemeinschaftlich wahrgenommene Rechte sind, dann dienen sie auch dem Zusammenhalt der Gesellschaft und damit der Gesellschaft als Ganzem.

Wird es Ihrer Meinung nach irgendwann auch muslimische Feiertage geben?
Ja. Wir leben nicht mehr in den Fünfziger Jahren. Damals gab es 90 Prozent Katholiken und 7 Prozent Evangelische. Heute haben wir doppelt soviel Muslime in Österreich wie Evangelische. Und die zweitgrößte Gruppe sind jene Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören. Ein zusätzlicher, flexibler, 14. Feiertag, würde auch den anderen religiösen Minderheiten in unserem Land die Möglichkeit einräumen, einen Feiertag zu definieren.

Die Regierung hat gesagt, es werde keinen zusätzlichen Feiertag geben.
Aber ich bin trotzdem zuversichtlich.

Verstehen Sie die Sorge vieler Menschen vor einer langsamen Islamisierung?
Ich verstehe sie, aber ich teile sie nicht. Da wird sich kein Ungleichgewicht ergeben. Die Zahlen der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Institut für Demographie, belegen, dass es eine Zunahme der muslimischen Minderheit geben wird. Hochgerechnet wird 2050 die Zahl der Katholiken, gerade im städtischen Bereich, etwas zurückgehen, die Zahl der Evangelischen wird in etwa gleichbleiben, die Zahl der Muslime wird etwas steigen, aber auch nicht grenzenlos. Islamisierung halte ich deshalb für stark übertrieben. Aber die Muslime sind eine starke Minderheit und es ist unsere Herausforderung, wie wir mit dieser Minderheit zusammenleben und wie die Muslime ihren Glauben leben und sich gleichzeitig unter den Rahmenbedingungen der liberalen und rechtsstaatlichen Demokratie auch am gemeinsamen Leben beteiligen. Die Religionen, denke ich, sind dafür gerüstet.

Apropos Regierung. Der Pfarrer der Armen, Wolfgang Pucher, hat zu seinem 80. Geburtstag gemeint, diese ÖVP könne man nicht mehr als christlich-sozial bezeichnen. Stimmen Sie ihm zu?
Es gibt einige Entwicklungen, die mich mit Sorge erfüllen. Speziell die Sozialhilfe, die die bedarfsorientierte Mindestsicherung ablösen soll. Die Staffelung bei den Kindern betrifft Zehntausende österreichische Kinder und führt zur Frage, ob Kinder bei uns unterschiedlich viel Wert sind? Die Rahmenbedingungen für Menschen, die von Armut bedroht sind, werden immer enger.

Zugewanderte mit vielen Kindern haben zum Teil mehr Geld vom Staat zur Verfügung als heimische Familien, in denen ein Elternteil oder sogar beide arbeiten gehen. Gestehen Sie der Koalition das Bemühen zu, hier einen Ausgleich schaffen zu wollen?
Das wird in einzelnen Fällen so sein. Aber die Grundidee der Mindestsicherung war ein Sockel, auf den sich jeder, egal woher er kommt, verlassen kann. Meine Gegenfrage wäre: Wieviel bekommt die österreichische Familie mehr, wenn man der anderen Familie weniger gibt? Hier findet eine schleichende Ent-Solidarisierung am Rand der Gesellschaft statt.

Also agiert die Kanzlerpartei nicht christlich-sozial?
Wir kennen in der Evangelischen Kirche die sogenannte christliche Soziallehre nicht, wir sprechen von Sozialethik. Die Politik soll für Frieden und Ordnung sorgen, die Parteien sollen sich an den Prinzipien der Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Solidarität, auch Eigenverantwortung orientieren. Sinn- Wahrheits- und Heilsfragen sind nicht Aufgabe der Politik. Aber die ÖVP behauptet nun einmal von sich, in dieser christlich-sozialen Tradition zu stehen, also muss sie sich auch Kritik gefallen lassen, in erster Linie von der römisch-katholischen Kirche.

Ist das Klima, wie viele Kritiker dieser Koalition es sehen, kälter geworden unter Türkis-Blau?
Ich habe den Eindruck, dass das nicht entschieden ist. Im Sinne von Ostern würde ich sagen: Ich bin zuversichtlich, dass sich die positiven Kräfte durchsetzen.

Wie schätzen Sie die Gefahr des Rechtsextremismus ein?
Hier kann man nicht wachsam genug sein. Es ist eine besorgniserregende Entwicklung, die Hand in Hand mit der zunehmenden Polarisierung geht. Immer wenn man ein „Wir“ definiert - egal ob religiös, ethnisch oder kulturell - braucht man andere, von denen man sich abgrenzt und die man manchmal auch ausgrenzt. Bewegungen wie die Identitären sind abschreckende Beispiele dieser unseligen Entwicklung.

Früher bekämpften sich Parteien auch gegenseitig, aber dann gingen sie miteinander auf ein Bier. Ist dieses Miteinander abhanden gekommen?
Ich meine ja, dass gerade christliche Gemeinden solche Orte sein sollten, wo alle willkommen sind, egal welche Partei sie wählen. Aus ihrer Tradition heraus sind die Gemeinden grundsätzlich offen für alle, aber nicht offen für alles.

Herr Bischof, Ihre Amtszeit geht dem Ende zu. Worauf freuen Sie sich in der Pension am meisten?
Darauf, dass der Zeitdruck wegfällt. Auf meine Alm in den Nockbergen. Aufs Fliegenfischen und Bogenschießen.

Was passiert mit Ihnen auf der Alm?
Dort gibt es keinen Strom und kein Wasser. Man muss also Holz hacken, wenn man es warm haben will und Wasser tragen, wenn man sich waschen will. Was uns im Alltag auf Knopfdruck geschenkt wird, muss oben erarbeitet werden. Am Abend ist man rechtschaffen müde und steht dann mit der Sonne auf.

Ihr Vater war auch evangelischer Pfarrer. Mit welchem Gottesbild sind Sie aufgewachsen?
Mit einem freundlichen, positiven, aber auch fordernden Gott. Er war also nicht nur der freundliche alte Herr mit dem weißen Bart, sondern eine Herausforderung. Aber kein bedrückender, finsterer, strafender Gott.

War er immer ein Mann?
In meiner Kindheit und Jugend ja. Durch mein Studium bin ich dann auf die feministische Theologie gestoßen und so haben sich die gelernten Gottesbilder verändert. Heute ist Gott manchmal auch weiblich oder schwarz, manchmal Mann, manchmal Frau. Wir müssen uns auf kein Bild festlegen, weil ohnehin jedes falsch ist.

Wenn Sie an Ostern in Ihrer Kindheit denken, welches Bild taucht dann vor Ihren Augen auf?
Die Palmkatzerl natürlich. Und der Ostersonntagmorgen. Es war noch ganz finster, als wir Kinder aufgestanden sind. Oben am Berg brannten die Osterfeuer noch in der Dämmerung. Später ist die Blasmusik in ihren wunderbaren schwarzen Uniformen durch den Ort gezogen. An ihren Helmen hatten die Musikanten weiße Hahnenfedern. Wenn die Kirchenglocken das erste Mal nach den stillen Tagen wieder geläutet haben, wurden Böller abgeschossen. Das war Ostern. Einfach ein unglaubliches Erlebnis.

Zur Person: Bogenschütze und Fliegenfischer
Geboren am 26. 4. 1954 als drittes Kind eines evangelischen Pfarrers in Leoben, aufgewachsen in der Bergbaustadt Radenthein (Kärnten). Studium der Theologie, ab 1980 Vikar in Wien. Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich (mit 278.221 Mitgliedern viertgrößte Religionsgemeinschaft) seit 2008. Im September geht Bünker in Pension. Verheiratet mit Irene (pensionierte Religionslehrerin), zwei Kinder und zwei Enkelkinder. Seine Hobbies sind Bogenschießen und Fliegenfischen, Bünker spielt außerdem in zwei Bands.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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