Rückzahlungen
Isländer erteilen “Icesave”-Gesetz Totalabfuhr
Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir sagte im Fernsehen, das Ergebnis komme "nicht unerwartet". Das Gesetz sei nach weiteren Verhandlungen der vergangenen Wochen mit den Niederlanden und Großbritannien ohnehin bereits obsolet gewesen, und die Volksabstimmung habe dies lediglich bestätigt. Nach Meinungsumfragen vor dem Referendum waren 70 bis 80 Prozent Nein-Stimmen erwartet worden.
Die sozialdemokratische Regierungschefin hatte noch am Vortag die Bürger dazu aufgerufen, nicht zur Abstimmung zu gehen und angekündigt, selbst nicht daran teilzunehmen. Die Beteiligung an der Abstimmung lag eine Stunde vor Schließung der Wahllokale in Reykjavik allerdings immerhin bei über 54 Prozent.
Staatspräsident Olafur Ragnar Grimsson hatte das vom Parlament mit großer Mühe verabschiedete sogenannte "Icesave-Gesetz" nicht beurkundet und so Anfang Jänner verhindert, dass es in Kraft trat. Nach Protesten der Bevölkerung gegen das Gesetz verlangte er die Volksabstimmung. Es war das erste Referendum seit der Unabhängigkeit Islands von Dänemark im Jahr 1944. Stimmberechtigt waren rund 228.000 Bürger.
"Island über Gebühr gehänselt"
Noch vor Wahlschluss am Samstag verteidigte Grimsson sein Vorgehen erneut: "Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass Sie sich bei der Wahl zwischen der Demokratie und den Finanzmärkten für die Demokratie entscheiden müssen", sagte Grimsson in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP in seiner Residenz nahe der Hauptstadt Reykjavik.
In den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten hätten die Finanzmärkte die Vorherrschaft gehabt, und die Demokratie sei demgegenüber ins Hintertreffen geraten. Im Übrigen habe die Ansetzung des Referendums bereits den positiven Effekt gehabt, dass die Milliarden-Entschädigung auf den Prüfstand gestellt worden sei. Zahlreiche Experten seien dabei zu dem Schluss gekommen, dass die Briten und Niederländer "Island über Gebühr gehänselt" hätten.
Isländer demonstrieren für mehr Mitspracherecht
Streitpunkt mit London und Den Haag sind die Zinsenbedingungen für die Rückzahlung der Schulden Islands aus den im Zuge des Banken-Crashes im Herbst 2008 geplatzten Konten von rund 343.000 britischen und niederländischen Kunden der Online-Bank Icesave, eine Tochter der damals verstaatlichten Landsbanki. Großbritannien und die Niederlande hatten mehr als 300.000 ihrer Bürger mit den 3,9 Milliarden Euro entschädigt und wollen das Geld nun beim isländischen Staat eintreiben.
Die Isländer sind mehrheitlich der Ansicht, dass ihnen der nun abgelehnte Deal aufgezwungen wurde. Außerdem fragen sie sich, weshalb sie für die Versäumnisse ihrer früheren Regierung zahlen sollen. Im Stadtzentrum von Reykjavik demonstrierten am Samstag etwa 1.000 Isländer und forderten ein größeres Mitspracherecht in der Angelegenheit.
Bislang keine Einigung in Sicht
Inzwischen ist es bei weiteren Verhandlungen in London bisher nicht gelungen, ein neues Abkommen mit den beiden Gläubigernationen auf die Beine zu stellen. Bereits zwei im Vergleich zu den Regelungen des "Icesave"-Gesetzes jeweils für Island günstigere Angebote sind auf dem Tisch gelegen: Die Gegenseite lehnte diese aber ab. Das isländische Außenministerium teilte am Samstagabend in einer Aussendung mit, die Arbeit an einer für alle Beteiligten Seiten akzeptablen Lösung werde fortgesetzt.
Schon kommende Woche wolle man weitere Gespräche mit London und Den Haag über eine neue Rückzahlungsvereinbarung führen. Denn auf dem Spiel steht für Island nicht nur der Verhandlungsbeginn über den nach der Finanzkrise angestrebten EU-Beitritt, sondern vor allem auch die Weiterzahlung internationaler Milliardenkredite, die für die Aufrechterhaltung der angeschlagenen Wirtschaft und Staatsfinanzen notwendig sind.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.