Ohrfeige für Polizei

Angeblicher kasachischer Spion freigesprochen

Österreich
18.01.2010 16:44
Der angebliche kasachische Spion, der in eine missglückte Entführung in Wien verwickelt gewesen sein soll, war kein Agent und an dem Versuch, den früheren kasachischen Geheimdienstchef Alnur Mussajew zu verschleppen, nicht beteiligt. Zu diesem Ergebnis sind die Geschworenen am Montag im Prozess gegen den 61-jährigen Ildar A. gekommen. Der Angeklagte wurde von sämtlichen Vorwürfen einstimmig freigesprochen.

Der Wahrspruch kann als schallende Ohrfeige für die Ermittlungsbehörden interpretiert werden, die die Beweislage für ausreichend erachtet hatten, um gegen den Geschäftsmann Anklage wegen geheimer nachrichtendienstlicher Tätigkeit zum Nachteil der Republik Österreich, versuchte Überstellung an eine ausländische Macht und Bestimmung zum Amtsmissbrauch erhoben hatten.

Nach nur etwas mehr als einstündiger Beratung verwarfen die Geschworenen die Anklage zur Gänze. Ildar A., der den Freispruch mit einem knappen "Danke!" kommentierte, wurde unmittelbar nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Er hatte mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft verbracht. Der Freispruch ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.

Anwalt kündigt Entschädigungsklage an
Anton Draskovits, der Verteidiger des "Doch-Nicht-Spions", kündigte nach der Verhandlung rechtliche Schritte an. Er wird für Ildar A. Haftentschädigung einklagen, sagte Draskovits: "Fakt ist, dass mein Mandant auf Basis bloßer Spekulationen über ein Jahr zu Unrecht in U-Haft verbringen musste."

Vom Freispruch selbst zeigte sich der Anwalt keineswegs überrascht: "So wie der parlamentarische U-Ausschuss zu der angeblichen Spionage-Affäre eine reine Polit-Show gewesen ist, war der Prozess eine Anklage-Show ohne Substrat." Der Staatsanwalt habe zwar mit einer ausgeklügelten Powerpoint-Präsentation und großformatigen Schautafeln gearbeitet, aber über die fehlenden Beweise für die angebliche Entführung eines Vertrauten des ehemaligen kasachischen Botschafters in Wien, Rakhat Alijew, nicht hinwegtäuschen können.

Versuchte Entführung im Sommer 2008
Drei Männer, von denen die Justiz nur einen namentlich kennt, sollen am 17. Juli 2008 versucht haben, sich Mussajews zu bemächtigen, der als enger Vertrauter des beim kasachischen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew in Ungnade gefallenen Alijew galt, um den Ex-KNB-Chef nach Kasachstan bzw. in die kasachische Botschaft in Wien zu verschleppen. Ildar A. hätte dabei im Hintergrund die Fäden gezogen sowie während und vor der beabsichtigten Entführung mit einem der Täter telefoniert, lautete der Tenor der Anklage.

Weiters wurde ihm angelastet, den Tätern ein Telefon zur Verfügung gestellt zu haben sowie diese zwei Wochen lang in seinem leerstehenden Haus in Klosterneuburg beherbergt zu haben. Der Verteidiger verwies diesbezüglich darauf, dass in dem Gebäude kein Gas- und Wasser Anschluss vorhanden war. Außerdem legte er eine Bestätigung vor, derzufolge der namentlich bekannte Entführer im fraglichen Zeitraum in einem Viersterne-Hotel in Wien eingemietet war. Was das angeblich zur Verfügung gestellte Mobiltelefon betraf, legte die Verteidigung ihr Augenmerk darauf, dass zwar ein Kaufvertrag bei einer Elektronik-Kette abgeschlossen wurde, dafür aber die Kundenkarte der Ehefrau des Angeklagten benützt wurde: Hätte Ildar A. als Spion ein Handy benötigt, wäre ihm dieser Fehler sicher nicht passiert, machte Draskovits geltend.

Unwissentlich zum Amtsmissbrauch angestiftet
Der Angeklagte selbst hatte während des Verfahrens betont, er habe "aus Gutmütigkeit" einer Bitte von kasachischen Behördenvertretern entsprochen und die aktuellen Anschriften von Alijew und vier weiteren Personen aus dessen Umfeld eruieren lassen. Dass es strafbar war, dafür einen Polizisten zum Recherchieren im Polizeicomputer anzustiften - der Beamte ist dafür längst rechtskräftig abgeurteilt worden -, will Ildar A. nicht gewusst haben. Die Geschworenen glaubten ihm das und sprachen ihn daher auch von der Bestimmung zum Amtsmissbrauch frei.

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