Katias Kolumne

U6-Stinkverbot: Reicht die gute Kinderstube?

Wien
19.07.2018 16:41

Die Wiener U-Bahnlinie U6 genießt keinen guten Ruf. Nicht nur Fahrgäste, sondern auch zahlreiche Selbsterfahrungsberichte von furchtlosen Journalisten sprechen von teils anarchischen Zuständen auf der Fahrt zwischen Floridsdorf und Siebenhirten.

So seien die Züge notorisch überfüllt und stinkend, die von ihr bedienten Stationen trostlos und zum Teil mehr Drogenumschlagsplatz als Wartehalle, und Meldungen über Schlägereien und Übergriffe tun ihr Übriges, weshalb laut einer Umfrage die ockerbraune U6 im Vergleich zu den anderen vier U-Bahnlinien die unbeliebteste sein soll. Zumindest dem olfaktorischen Übelstand hat ihr Betreiber, die Wiener Linien, nun mitten im medialen Sommerloch den Kampf angesagt.

Schluss für Eau de Kebab in der U6
Ab September soll nämlich der Verzehr von stark riechenden Speisen in den Zügen der U6 verboten werden. Dazu soll in urösterreichischer, bürokratischer Manier bis zum Herbst eine Auflistung der stinkendsten Speisen erstellt werden, deren Verzehr fortan nicht mehr erlaubt sein soll. Gerüchten zufolge sollen Leberkäse, Pizza, Nudelgerichte sowie Kebab Fixplatzierungen innehaben. Ob Wurstsemmel und Sardellendose eine Nominierung auf der schwarzen Liste ergattern, könnte eine bald startende Umfrage entscheiden.

Wer sich aber sein Kebab in der U-Bahn nicht nehmen lassen will, kann immerhin noch auf alle anderen Linien ausweichen: Das Pilotprojekt gilt nämlich nur für die U6. Strafen soll es zumindest vorerst keine geben. „Mit Appellen sind wir da nicht wirklich weitergekommen und daher werden wir nun erstmals den Schritt eines Verbots gehen“, erklärt die für die Wiener Linien zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ).

Gratis-Deos im Kampf gegen die Achseln der Unwilligen
Diese rückte am Montag dann sogar höchstpersönlich aus, um einem weiteren Übelstand Einhalt zu gebieten: Gegen warmwetterbedingten Schweißgestank wurde den Fahrgästen der U6 ein Gratis-Deo überreicht. Dass sich die Stadt Wien nun auch um die Körperhygieneerziehung ihrer Einwohner sorgt, ließ auch die Journalisten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ grübeln: „Stinken die Fahrgäste etwa?“. Sima betont trotz entsprechender Optik, dass die Aktion „keinesfalls als Beleidigung gedacht war“.

Es stellen sich die Fragen: Haben wir keine anderen Sorgen als Leberkäse-Gestank in der U6? Braucht es tatsächlich Verbote, weil die Wiener es verlernt haben, aufeinander Rücksicht zu nehmen? Soll der Staat nun überall dort eingreifen, wo die Kinderstube versagt hat?

Wenn dem so ist, müssten genauso entsprechende Verbote gegen zu lautes öffentliches Telefonieren angedacht und konsequenterweise auch Gratis-Mundwasser an zahnputzfaule Öffi-Nutzer verteilt werden. Andererseits: Sollte eine Großstadt wie Wien es sich nicht auch locker leisten können, analog zu anderen Metropolen wie Dubai oder Singapur klare Regeln des Zusammenlebens zu definieren? Anscheinend geht es heutzutage nämlich nicht ohne.

Katia Wagner

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