Sieger-Schwede

Volvo XC60 T8: Wie fährt sich das Auto des Jahres?

Motor
05.04.2018 13:00

Der Volvo XC60 ist ein Statement. Klar kann man auch BMW X3 oder Mercedes GLC fahren, aber manchen tragen diese Marken zu dick auf. Volvo hingegen strahlt schwedische Gelassenheit aus, mit klarem Design, nüchtern, vernünftig, trotzdem sexy. Und in seiner Gesamtheit so attraktiv, dass die Juroren des World Car Awards ihn zum Auto des Jahres gekürt haben. Wie lebt es sich mit so einem World Car of the Year eigentlich? Probewohnfahrt im XC60 T8, also dem Topmodell mit 407 PS starkem Hybridantrieb.

(Bild: kmm)

Grundsätzlich sprechen wir hier vom gar nicht so viel kleineren Bruder des Volvo XC90. Auf 4,69 Meter Länge und bei einem Radstand von 2,87 Meter bietet der XC60 hervorragende Platzverhältnisse, auch auf der Rückbank. Der Kofferraum fasst 505 Liter und lässt sich vom Heck aus auf Knopfdruck zu einem 1432 Liter großen ebenen Laderaum umfunktionieren.

Wer schwedisches Wohnen automatisch mit Ikea verbindet, wird schnell neue Seiten an den Skandinaviern entdecken: So geht Eleganz. Herrliche Materialien, ein Armaturenbrett in Lederoptik, reduzierte Formen, kaum Knöpfe und vor allem diese hellen, offenporigen Holzeinlagen, genannt „Drift Wood“, also Treibholz - eine Augenweide!

Die Ernüchterung kommt beim Blick auf das Preisblatt: Hier geht es um schöner Wohnen, nicht um billiger absteigen. Der Testwagen kommt samt Extras (im Wert von knapp 30.000 Euro, inklusive Treibholzblenden) auf fast 96.000 Euro. Im Vergleich ist das dank NoVA-Befreiung trotzdem ziemlich günstig.

Zwei Herzen bedeuten ganz schön Schub …
Der Antrieb des Volvo XC60 T8 teilt sich auf in einen zwei Liter großen Vierzylinder-Benziner mit 320 PS und einen 87 PS starken Elektromotor. Der eine treibt die Vorderachse, der andere die Hinterachse an. Macht in Addition 407 PS. Wer davon wie viel arbeitet, hängt vom Fahrmodus ab - und von der Feinfühligkeit des rechten Fußes. Am Display erkennt man, wie viel Gas man geben kann, bevor der Benziner anspringt. Ähnlich beim Bremsen: Man erkennt, wie weit die Anlage rekuperiert und ab welchem Druck die normale Bremse dazukommt. Außer man schaltet in den Sportmodus, dann wird die Hybrid-Anzeige am digitalen Tachodisplay durch einen klassischen Drehzahlmesser ersetzt.

… aber nicht Sportlichkeit
Pedal to the metal wuchtet die mehr als zwei Tonnen Eigengewicht (DIN) in 5,3 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 (Vmax. 230 km/h). Doch das widerspricht dem Charakter des Schweden, nicht nur weil in dem Fall der Motor ziemlich angestrengt klingt. Der XC60 ist eher fürs Wohlfühlfahren statt für eilige Kurvenhatz gemacht, mit komfortablem Fahrwerk und relativ gefühlloser Lenkung. Das Einzige, was diesem Gedanken etwas entgegensteht, ist die relativ schwer zu dosierende Bremse. Geschmeidiges Fahren ist beim T8 nicht ganz einfach.

Umweltfreundlich? Kommt drauf an…
Wenn man nicht gerade bei Kalibern wie Ferrari einkaufen geht, ist die Entscheidung für einen Hybrid in der Regel von einem Umweltgedanken geprägt. Auch der Volvo XC60 T8 weist (wegen des hybridfreundlichen NEFZ-Zyklus) einen vorbildlichen Normverbrauch von nur 2,1 l/100 km auf. Das heißt aber noch lange nicht, dass er auch tatsächlich umweltfreundlich ist. Aber er kann es sein - kommt ganz rauf an, wie man ihn fährt (und wo der Strom herkommt).

Auf dem Heimweg von der Krone-Redaktion in Wien 19 nach Hause, über die Tangente bis in Wiens südlichen Speckgürtel, habe ich die 30 Kilometer bei sparsamer Fahrweise ohne einen Tropfen Sprit zurückgelegt - und die (zu Fahrtbeginn komplett geladene) Batterie war noch zu einem Viertel gefüllt. Dass Volvo 45 Kilometer rein elektrische Reichweite angibt, ist also gar nicht so übertrieben wie erwartet.

Andererseits: Wer ganz normal aufs Gas steigt, saugt die Akkus ruckzuck leer. Dann wird der Schwede zum Trinker und der Verbrauch deutlich zweistellig. Längere Autobahnfahrten, zumal auf deutschen Autobahnen mit entsprechendem Tempo, führen dann bei nur 50 Liter Tankvolumen öfter an die Tankstelle, als man sich das in einem luxuriösen Auto wünscht. Schade, denn mit den 71 Litern des Pendants (T6, gleicher Benzinmotor, ohne Elektromotor) wäre das Leben leichter. Insgesamt bin ich (mit hin und wieder anstecken) auf einen Durchschnittsverbrauch von neun Liter auf 100 Kilometer gekommen, vernünftig gefahren, ohne zwischenzeitliche Tempoexzesse.

Elektrisch ohne Heizung
Wer seinen Hybrid gerne als Elektromobil nutzt, sollte zwei Dinge wissen: Die Sitzheizung ist nicht gerade die schnellste. Und vor allem: Geheizt wird nur, wenn der Benzinmotor warm ist. Da kann man lange den Touchscreen mit den Fingern voll tapsen und die Temperatur hochzuregeln versuchen.

Hightech leicht gewöhnungsbedürftig
Das gesamte Bediensystem, das auf dem großen, senkrechten 12,3-Zoll-Touchscreen basiert, stammt aus dem XC90 und ist nicht unkompliziert. Es wirkt unaufgeräumt, mit vielen zu kleinen Schaltflächen und überhaupt ist zu viel integriert. Man muss sogar für die Umluftschaltung ins Menü.

In Sachen Assistenzsysteme spielt der Volvo (teils optional) alle Stückln, die verfügbar sind, angefangen beim teilautonomen Fahren auf der Autobahn bis zur automatischen Notbremse. Die ist allerdings nervös bis übervorsichtig und löst manchmal eine Vollbremsung aus, wenn man eigentlich ganz normal auf ein vor einer Einmündung wartendes Auto zu bremst. Um 1200 Euro extra gibt es ein sehr empfehlenswertes Head-up-Display, dessen Geschwindigkeitsanzeige allerdings zu weit links (und damit außerhalb der Blickachse des Fahrers) angeordnet ist.

Unterm Strich
Was lernen wir aus alledem? Nur weil ein Auto als das beste von allen gekürt wird, heißt das noch lange nicht, dass es für jeden Fahrer und für jeden Zweck auch die beste Wahl ist. Man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass ein Plug-in-Hybrid von Haus aus einen Kompromiss darstellt. Volvo hat beim XC60 sehr viel richtig gemacht. Auch beim T8. Außerdem ist das SUV der Bestseller der Schweden, zudem das sicherste Auto bei den EuroNCAP-Crashtests 2017. Ganz Volvo.

Übrigens: Wer jetzt ein bereits produziertes Modell des Volvo XC60 T8 kauft, bekommt das hier beschriebene Fahrzeug. Wer ihn hingegen neu bestellt, bekommt ein Exemplar aus dem Modelljahr 2019 geliefert, und das hat wegen der geänderten Abgasvorschriften leicht andere Motordaten. Der Benziner leistet nicht mehr 320 PS, sondern nur noch 303 PS, die Systemleistung liegt statt 407 PS bei 390 PS.

Warum?
Großartiges Design
Viel Platz
Gute elektrische Reichweite

Warum nicht?
Zu kleiner Tank
Gefühllose Lenkung

Oder vielleicht …
… Audi Q5,BMW X3, Range Rover Velar, Mercedes GLC - der auch als Plug-in-Hybrid

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(Bild: kmm)



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