Flammende Reden

Sondergemeinderat zu Thema “Armut” einberufen

Wien
02.12.2008 16:25
Die Namen Leon, Anna und Edi haben sich am Dienstag wie ein roter Faden durch den Sondergemeinderat zum Thema "Armut" gezogen, der auf Betreiben der Grünen zusammengetreten war: Die Grüne Klubobfrau Maria Vassilakou appellierte mit den Lebensgeschichten der drei betroffenen Kinder an das soziale Gewissen der SPÖ - ein Ball, den SP-Mandatarin Tanja Wehsely später aufnahm.

"Neben Leon, Anna und Edi leben weitere 100.000 Kinder an und unter der Armutsgrenze leben", beschied auch Vassilakous Parteikollege David Ellensohn. Dies sei eine "Sauerei", für die sich die gesamte Politik schämen müsse. Zumindest solle doch gelten: "Wenigstens Essen für alle."

"Denken Sie nicht länger nach, handeln Sie"
Vassilakou forderte erneut von der SPÖ-Regierung Konzepte, die Armut abzuschaffen - wie einst im Roten Wien: "Es ist Zeit, zu dieser Vision zurückzufinden." Zu den Grünen-Vorschlägen zählen unter anderem ein mit 20 Millionen Euro dotierter Sondertopf für armutsgefährdete Schulkinder und eine Anhebung der Bewertungsgrenzen. "Denken Sie nicht länger nach, handeln Sie", forderte Vassilakou in Richtung SPÖ.

Nahrung für Magen, Hirn und Herz
Aussagen, die SPÖ-Mandatarin Tanja Wehsely sichtlich verärgerten: "Das ist - ich sage nicht Sauerei - sondern gelinde gesagt eine Frechheit." Wenn eine Stadt wie Wien im Budget über eine Milliarde Euro in die Armutsbekämpfung investiere, könne man nicht behaupten, sie tue nichts. "Leon, Anna und Edi: Wir stehen für Nächstenliebe und Gerechtigkeit", beschied sie den drei von Vassilakou genannten Fallbeispielen. Die SPÖ sei seit dem Anbeginn der Bewegung gegen Armut eingetreten. In den städtischen Kindergärten bekämen die Kleinen Nahrung für den Magen, für das Hirn und für das Herz.

Anhebung der Sozialhilfe um 3,4 Prozent
Die SPÖ habe die Bevölkerung bereits alleine gelassen, konstatierte dagegen FPÖ-Klubchef Eduard Schock: "Es werden immer mehr Menschen Opfer des Systems." So sei die beschlossene Anhebung der Sozialhilfe um 3,4 Prozent bestenfalls eine Inflationsanpassung. Für die Grünen lautete die Schock-Empfehlung hingegen: "Wenn Sie wirklich etwas für die Armen, für die Kinder tun wollen, dann müssen Sie mit uns für einen Zuwanderungsstopp eintreten."

ÖVP-Sozialsprecher Wolfgang Aigner betonte, dass es bei der Armutsbekämpfung um Hilfe zur Selbsthilfe gehe. Zwischen den verschiedenen Fraktionen dürfe es keinen Wettlauf gemäß dem Motto "Darf's ein bisschen mehr sein" geben. So müsse die Sozialhilfe unterhalb von 1.000 Euro bleiben, "sonst zahlt sich das Arbeiten nicht aus."

Insgesamt 137.000 Menschen manifest arm
Aus den im Zuge der Armutskonferenz veröffentlichten Daten aus der aktuellen EU-SILC-Erhebung geht hervor: "In Wien sind 137.000 Menschen manifest arm. Das heißt, die Betroffenen können sich abgetragene Kleidung nicht ersetzen, die Wohnung nicht angemessen warm halten, keine unerwarteten Ausgaben tätigen, sie weisen einen schlechten Gesundheitszustand auf, leben in überbelegten, feuchten, schimmligen Wohnungen", beschreibt Sozialexperte Martin Schenk die Situation. "Armut macht krank, Armut macht einsam. Armut nimmt Zukunft." 68.000 Personen können ihre Wohnung nicht angemessen warm halten, 95.000 sind mit wichtigen Zahlungen im Rückstand.

139.000 armutsgefährdet
Zusätzlich zu den über 137.000 manifest Armen können weitere 139.000 Personen als armutsgefährdet bezeichnet werden. "Ein Viertel der Armutsbevölkerung sind Kinder. Ihre Eltern sind alleinerziehend, erwerbslos, weisen physische bzw. psychische Beeinträchtigungen auf oder haben Jobs, von denen sie nicht leben können.", so Schenk.

"Vieles hat sich mit den modernen Sozialstaaten geändert. Hunger und Frieren gibt es nicht mehr als Massenphänomen. Aber auch heute leben in Millionenstädten wie Wien 137.000 Menschen unter schwierigsten sozialen Bedingungen.", erklärt Schenk. Das Risiko abzustürzen, ist gestiegen, auch für Leute, die es sich in ihrem Leben nie gedacht hätten.

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