Färöer-Blamage

“Vorbereitung des ÖFB war eine Schande”

Fußball
07.10.2008 21:46
Das Gastspiel des ÖFB-Teams am Samstag auf den Färöern lässt Erinnerungen wach werden - unter anderem an jenen Goalie, der Andreas Herzog und Co. beim 0:1 am 12. September 1990 in Landskrona mit einer weißen Zipfelmütze auf dem Kopf zur Verzweiflung brachte. Mittlerweile fungiert Jens Martin Knudsen als Assistenz-Trainer des noch im Oktober scheidenden Färöer-Teamchefs Jogvan Martin Olsen und möchte in dieser Eigenschaft auch bei einer zweiten Sensation gegen Österreich mit von der Partie sein. Im Interview mit der Austria Presse Agentur spricht der 41-Jährige über seine Erinnerungen an den denkwürdigen Sieg gegen Österreich.

Befinden sich die Einwohner der Färöer schon im "Landskrona-Fieber"?
Knudsen: "Es gibt bei uns eine große Hoffnung, wieder ein gutes Resultat gegen Österreich zu schaffen. Das ist ein ganz spezielles Spiel, es interessiert wirklich jeden bei uns. Die Zeitungen schreiben schon jetzt viel darüber, und ich werde auch oft auf der Straße darauf angesprochen. 6.000 Menschen von 48.000, die auf den Färöer leben, werden im Stadion sein - ich glaube, das ist eine ganz gute Quote."

Wie konnte es damals passieren, dass eine Amateur-Mannschaft in ihrem ersten offiziellen Länderspiel einen WM-Teilnehmer besiegt?
Knudsen: "Der Hauptgrund war sicher die Arroganz der Österreicher. Die haben sich einen Tag vor dem Match das Spiel Dänemark - Wales in Kopenhagen angeschaut und auf ein Abschlusstraining in Landskrona verzichtet. Als wir das im Fernsehen gehört haben, war es noch eine zusätzliche Motivation. Ihre Vorbereitung war damals eine Schande für den Fußball, aber das werden sie sicher nicht noch einmal machen."

Haben die Färöer-Spieler an die Sensation geglaubt?
Knudsen: "Nein. Unser Ziel war es, nicht höher als 0:5 zu verlieren. Deswegen haben wir das Spiel in Fünf-Minuten-Perioden eingeteilt. Jede dieser Zeitspannen ohne Gegentor zu überstehen, wäre ein Erfolg für uns gewesen. Diese Einteilung war vielleicht auch ein Mitgrund für den Sieg, denn als wir in Führung gegangen sind, haben wir nicht an den Sieg gedacht, sondern immer nur daran, die nächsten fünf Minuten zu überstehen."

Ist der Klasseunterschied zwischen Österreich und den Färöern seither größer oder kleiner geworden?
Knudsen: "Ganz sicher viel kleiner. Wir haben technisch viel dazugelernt und sind physisch fast auf dem gleichen Niveau wie die Österreicher. Sie können uns nicht 90 Minuten lang hinten reindrücken und werden gegen uns sicher Probleme haben."

Sie halten also eine neuerliche Überraschung durchaus für möglich?
Knudsen: "Die Österreicher haben eine sehr starke Mannschaft, das haben sie zuletzt mit ihren guten Auftritten bei der EURO 2008 und gegen Frankreich bewiesen. Von 20 Spielen werden sie wahrscheinlich 19 gegen uns gewinnen. Dennoch bin ich optimistisch und schätze unsere Chancen auf einen Punktgewinn auf 20 Prozent."

Wie realistisch ist die Hoffnung Österreichs, sich für die WM zu qualifizieren?
Knudsen: "Wenn man Frankreich besiegt, hat man auf jeden Fall realistische Chancen. Österreich ist so ein Land wie Dänemark oder Norwegen, das alle zwei Jahrzehnte eine gute Mannschaft hat und sich qualifiziert - warum sollte es 2010 nicht gelingen?"

Wie lautet die Zielsetzung der Färöer für die WM-Qualifikation?
Knudsen: "Wir wollen Punkte machen, denn das ist uns in der letzten EM-Qualifikation nicht gelungen. Da dürften unsere Chancen daheim gegen Österreich und Litauen am besten sein."

Werden Sie gegen Österreich mit Ihrer berühmten Zipfelmütze auf der Bank sitzen?
Knudsen: "Sicher nicht. Ich habe angefangen, beim Fußball eine Haube zu tragen, um meine Mutter zu beruhigen, nachdem ich als Jugendlicher eine schwere Kopfverletzung gehabt hatte. Dann ist die Zipfelmütze zu meinem Markenzeichen geworden, aber diese Zeiten sind lange vorbei. Außerdem weiß ich gar nicht, wo die Mütze derzeit ist, ich glaube, sie ist gerade auf dem Weg zurück von der Färöer Ausstellung in Wien zu mir."

Bedauern Sie es, dass Josef Hickersberger nicht mehr auf der ÖFB-Trainerbank sitzt?
Knudsen: "Sehr sogar. Das ist sehr schade, denn es wäre etwas ganz Besonderes gewesen, wenn er dabei wäre. Er hat auf jeden Fall einen sehr guten Job in Österreich gemacht, das hat man bei der EM gesehen. Aber immerhin kommt es zu einem Wiedersehen mit Andreas Herzog, den habe ich seit Landskrona nicht mehr getroffen."

Warum tritt der aktuelle Teamchef Jogvan Martin Olsen nach den beiden Oktober-Spielen zurück?
Knudsen: "Meiner Meinung nach will er ein bisschen Abstand gewinnen, die UEFA-Pro-Lizenz machen und dann vielleicht als Club-Trainer ins Ausland gehen."

Werden Sie sein Nachfolger?
Knudsen: "Sollte die Wahl auf einen Einheimischen fallen, dann
wahrscheinlich auf mich, weil ich von allen hier die meiste Erfahrung
habe. Aber es wird voraussichtlich ein Ausländer verpflichtet, denn
wir brauchen Inspiration von außen. Mein Vertrag als Assistenz-Trainer läuft bis Oktober 2009, und den werde ich auf jeden Fall erfüllen."

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(Bild: KMM)



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