Strache im Interview

ORF, Kosovo: Gehen Sie zu weit, Herr Vizekanzler?

Österreich
18.02.2018 15:55

Der Kosovo als "Teil Serbiens", der ORF als "Ort von Lügen" und als i-Tüpfelchen das Wort "Satire": FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (48) hat diese Woche kräftig ausgeteilt und muss jetzt sogar Kritik vom Bundespräsidenten einstecken. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht der Vizekanzler, derzeit als Sportminister in Südkorea, über Pressefreiheit, Regierungsverantwortung und Antisemitismus.

Es ist schon Abend in Pyeongchang, als Heinz-Christian Strache Samstagmorgen Wiener Zeit auf seinem Handy abhebt. Er sitzt im Auto, auf dem Weg vom Österreich-Haus zurück ins Hotel, und freut sich, ganz in seiner Rolle als Sportminister, über die Erfolge der heimischen Olympiateilnehmer. "Ich habe ja von vornherein auf zwölf bis 16 Medaillen gewettet, aber bei dem Lauf könnten es durchaus noch mehr werden." Nach Südkorea ist er mit einem Economy-Ticket geflogen und hat auf die Business-Class privat aufgezahlt, wie der FPÖ-Chef betont.

Die Rolle als Vizekanzler der Republik hat er am Faschingsdienstag kurz abgestreift. Da holte der FPÖ-Chef zu einem Angriff auf das Aushängeschild des ORF aus. Ein Strache-Posting zeigt Armin Wolf mit einem Pinocchio in der Hand, daneben die Schlagworte "Fake News, Propaganda, Zwangsgebühr", gekennzeichnet mit dem Hinweis "Satire!". Am Aschermittwoch, bei seiner Rede in Ried, legte er noch nach: "Dem ORF glaubt man nicht einmal mehr die Uhrzeit!"

Im Gespräch mit der "Krone" stellt er alles, was er gesagt hat, in einen "größeren Zusammenhang".

"Krone":Herr Strache, Sie sind nicht der Einzige, der scharfe Postings schreiben kann. Christian Kern fragt sich auf Facebook – Stichwort deutsch-nationale, schlagende Burschenschafter -, ob Sie bei den Olympischen Spielen eigentlich Österreich oder Deutschland die Daumen drücken?
Heinz-Christian Strache: Was soll ich auf so einen Unsinn bitte sagen? Ist doch selbstverständlich, dass ich für unser wundervolles Österreich, für Rot-Weiß-Rot die Daumen drücke. Unsere Athleten leisten Großartiges.

Ärgern Sie sich über solche Angriffe?
Wer mich ärgern kann, bestimme ich immer noch selber (lacht). Aus dem Herrn Kern spricht wohl die Frustration darüber, als Bundeskanzler mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte einzugehen, als jemand, der bei seiner ersten demokratischen Wahl gleich eine klare Absage erhalten hat.

Sie haben diese Woche für Schlagzeilen am laufenden Band gesorgt. Erst die Verwirrung um Ihre Kosovo-Aussage, dann der Frontalangriff gegen den ORF, gefolgt von Aschermittwochs-Sticheleien. Gehen Sie zu weit?
Ich gebe zu, dass die Form meiner überspitzten Kritik etwas deftig war. Aber der Inhalt bleibt. Es häufen sich, um es höflich auszudrücken, beim ORF massive Fehlleistungen. Ich nenne nur den Skandal um den bewusst manipulierten und zusammengeschnittenen Beitrag mit dem Tiroler FPÖ-Obmann Markus Abzwerger. Ohne unseren Protest wäre hier die persönliche Existenz eines Menschen vernichtet worden, indem der ORF ihn wider besseren Wissens als Antisemiten dargestellt hat. Kurz davor wurde in einem Bericht über den Transit-Gipfel in München ausgerechnet der österreichische Verkehrsminister Norbert Hofer boykottiert. Das sind Entwicklungen, die mich sprachlos machen, so etwas hat im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nichts verloren. Zum Kosovo: Meine Aussage bezog sich klar auf die Rechtsansicht Serbiens, natürlich trage ich die österreichische Position, dass der Kosovo unabhängig ist, als Vizekanzler mit. Interessanterweise wird bei mir immer alles verkürzt, um die Dinge einseitig darstellen zu können.

In welcher Stimmung haben Sie das Posting gegen Armin Wolf verfasst?
Irgendwann ist man als Mensch zu Recht verärgert und Kritik an den ORF-Entwicklungen ist berechtigt. Das war mein Ausdruck der Kritik.

Aber Armin Wolf hat ja zum Beispiel mit der Kürzung des Tiroler Beitrags überhaupt nichts zu tun.
Meine Satire vom Faschingsdienstag nahm Bezug auf eine Eigenwerbung des ORF, eine Werbung mit Armin Wolf. Der ORF-Tirol-Beitrag wurde außerdem auch in der "ZiB 2" gespielt, und dort ist Armin Wolf, wenn ich richtig informiert bin, stellvertretender Chefredakteur. Eine Entschuldigung habe ich von ihm nicht gehört. (Richtigstellung: Der von Heinz-Christian Strache erwähnte Beitrag wurde vom ORF in keiner der "ZiB"-Sendungen ausgestrahlt, sondern nur im ORF-Tirol.)

Warum haben Sie sich dann bei ihm entschuldigt?
Ich habe ihn kontaktiert, um ihm zu versichern, dass das nicht persönlich gemeint, sondern gegen den ORF allgemein gerichtet war und Kritik und Satire möglich sein muss. Klar, er sieht das anders, und das muss man respektieren.

Satire darf alles, haben Sie auf krone.at gemeint, aber ist Satire ein Stilmittel des Vizekanzlers?
Selbstverständlich darf der Vizekanzler das eine oder andere auch satirisch betrachten. Tucholsky sagte: "Was darf Satire? Alles." Die "Freiheit der Kunst" haben ja nicht die Linken für sich gepachtet. Wir sind außerdem alle Menschen mit Schwächen und manchmal mit Situationen konfrontiert, die Ärger auslösen. Berechtigten Ärger und berechtigte Kritik.

Sogar der Herr Bundespräsident hat Sie quasi verwarnt. Verunglimpfungen sollten in der öffentlichen Debatte keinen Platz haben, Derartiges stelle die Pressefreiheit infrage, sagte er in zwei Interviews. Macht Sie das nicht nachdenklich?
Ich habe größten Respekt vor Presse- und Meinungsfreiheit, aber noch einmal: Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk bewusst die Realität ins Gegenteil verdreht, dann ist es keine Übertreibung, wenn man sagt, dass das Fehlentwicklungen sind, dass sich die Fälle manipulativer und tendenziöser Berichterstattung häufen. Wenn es um die Kritik an meiner überspitzten Satire geht, gebe ich dem Herrn Bundespräsidenten recht. Ich hätte mir aber schon erwartet, dass er auch den skandalösen Anlassfall meiner Kritik anspricht.

Hat Kanzler Sebastian Kurz eigentlich unter vier Augen ein ernstes Wort mit Ihnen gesprochen?
Wir brauchen kein ernstes Wort miteinander zu reden. Ich habe ihm aber diese Entwicklungen noch einmal dargelegt.

Die geplante ORF-Reform wird durch die aufgeheizte Stimmung aber nicht leichter, geben Sie mir da recht?
Ich glaube, dass wir uns in aller Ruhe und Sachlichkeit mit diesen Dingen auseinandersetzen werden. Dazu wird es die Medienenquete geben, die vor dem Sommer beginnt und vonseiten der Bundesregierung vereinbart wurde. Man muss einfach erwarten können, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender neutral und objektiv berichtet. Wie Sie wissen, bin ich auch für eine Abschaffung der ORF-Zwangsgebühren, weil das anachronistisch ist. Es entspricht auch nicht dem Querschnitt der österreichischen Bevölkerung, wenn zum Beispiel in der Personalvertretung eines öffentlich-rechtlichen Senders 80 Prozent rot-grünes Personal sitzt.

Täuscht der Eindruck, dass es Ihnen schwerfällt, von der Rolle des Oppositionspolitikers in die Rolle des Vizekanzlers zu wechseln, der Regierungsverantwortung trägt?
Die Menschen, die mich gewählt haben, erwarten sich, dass ich der Mensch bleibe, der ich bin. Ich werde in keine anderen Rollen schlüpfen. Deshalb setzen wir ein freiheitliches Wahlversprechen nach dem anderen um. Entlastung kleiner Einkommen, Familienbonus, Kürzung der Mindestsicherung für Asylanten, Verschärfung des Sexualstrafrechts, mehr Sicherheit, Stopp der illegalen Migration. Das fordern wir seit zwölf Jahren, und jetzt geht es in die Umsetzung.

Eine Historiker-Kommission soll nun die Vergangenheit der FPÖ und des Dritten Lagers aufarbeiten. An Wilhelm Brauneder als Kommissionsleiter gibt’s harte Kritik. Er habe selbst an Veranstaltungen im rechtsextremen Milieu teilgenommen und Texte in der rechtsextremen "Aula" lanciert. War er eine gute Wahl?
Dass manche linkslinken Vertreter alles, was nicht links ist, als rechtsextrem bezeichnen, ist eine Realität. Professor Brauneder ist ein äußerst untadeliger Wissenschaftler und eine absolut geeignete Persönlichkeit für diese Aufgabe.

Wird auch Ihre eigene Vergangenheit aufgearbeitet?
Die ist bereits aufgearbeitet. Meine Mitgliedschaft bei der Mittelschulverbindung Vandalia kann jeder selbst bewerten und beurteilen. Dort bin ich mittlerweile Alter Herr.

Eine neue Untersuchung zeigt, dass sich antisemitische Vorfälle in Österreich verdreifacht haben. Worauf führen Sie das zurück?
Das ist leider eine traurige Tatsache. Ihre Ursache findet diese Entwicklung durch die Zuwanderung muslimischer Flüchtlinge. Da gibt es einen unglaublichen Hass. Ich habe selbst erschreckende antisemitische Aussagen in Flüchtlingsheimen erlebt.

Ein Großteil dieser Vorfälle kommt aber aus dem rechtsextremen Milieu.
In der Realität erlebe ich das Gegenteil. Der importierte politische Islam ist für den Anstieg verantwortlich.

Herr Strache, Sie sind auch ein bekennender Gegner des Raucherschutzes, zu dem jetzt das Volksbegehren gestartet wurde. War's nicht doch ein Fehler, das Verbot in den Regierungsverhandlungen nicht festzulegen?
Nein, das war es nicht. 2015 haben fast eine halbe Million Österreicherinnen und Österreicher gegen das allgemeine Rauchverbot in Lokalen gestimmt, das haben Wirtschaftskammer und Rot-Schwarz damals negiert. Auch da muss man den größeren Zusammenhang sehen. Vor Jahren hat man den Gastronomen gesagt, sie sollen in Nichtraucher- und Raucherbereiche investieren. Dann wurde investiert, und diese Regelung wollen wir auch in Zukunft sicherstellen.

Könnte es sein, dass die Stimmung in der Bevölkerung gegen das Rauchverbot mittlerweile gekippt ist?
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das nicht so ist. Die Menschen wollen nicht, dass der Staat alles zwanghaft vorgibt und regelt, sie wollen frei und selbstbestimmt entscheiden. Wir sind mündige Bürger! Keiner wird gezwungen, in einem Raucherbereich zu sitzen.

Kann der Raucher Strache da vielleicht privat und Politik nicht trennen?
Das ist Unsinn. Es geht um die Freiheit! Um die Frage, wo wir mit Zwangsverordnungen hinkommen! Zuerst wird Rauchen verboten, dann Alkohol und dann vielleicht auch noch der Schweinsbraten, weil er ungesund ist. Das ist keine Entwicklung, die ich haben möchte.

Herr Strache, wer ist eigentlich Ihr Korrektiv? Wer kann Sie stoppen, wenn Sie einmal übers Ziel hinausgeschossen haben?
In meinem engsten Umfeld gibt es nur sehr wenige Menschen. Am nächsten steht mir meine Ehefrau. Sie ist gleichzeitig auch meine wichtigste Beraterin.

Heinz-Christian Strache - nach 27 Jahren in der Regierung:
Geboren am 12. Juni 1969 in Wien. Mit 15 Lehre als Zahntechniker, mit 21 geht er in die Politik. Erst wird er FPÖ-Bezirksparteiobmann in Wien-Landstraße, dann Wiener Landesparteiobmann. Als Jörg Haider 2005 das BZÖ gründet, wird er FPÖ-Bundesparteiobmann. Bei den Nationalratswahlen 2017 wird die FPÖ mit 26 Prozent knapp hinter der SPÖ (26,9 Prozent) drittstärkste Kraft. Er wird  Vizekanzler in der türkis-blauen Koalition. Privat ist Strache seit 2016 mit Philippa verheiratet, er hat zwei Kinder aus seiner ersten Ehe.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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