Gewaltsame Proteste

Iran: Wut über Benzinpreis und Inflation eskaliert

Ausland
17.11.2019 15:14

Im Iran gibt es seit Freitag gewaltsame Proteste gegen die Rationierung und Verteuerung von Benzin sowie die grassierende Inflation. Dabei setzten Demonstranten Tankstellen und öffentliche Einrichtungen in Brand. Nach offiziellen Angaben wurden mittlerweile rund 1000 Menschen verhaftet, es gibt auch Berichte über Tote und Verletzte. Nun berät das Parlament über die Entwicklung. Ursprünglich wollte es eine Rücknahme der Regierungsentscheidung erzwingen, was vom Regime jedoch abgelehnt wurde. Dieses ortet ausländische Kräfte hinter den Unruhen, kappte das Internet und warnte die Demonstranten vor weiterer Gewalt.

Wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise hatte die iranische Regierung in der Nacht auf Freitag Benzin rationiert und zugleich die Preise für Kraftstoff erhöht. Viele Iraner befürchten, dass dies die wegen der US-Sanktionen entstandene Wirtschaftskrise noch verschlimmert und der Lebensstandard weiter sinkt. Sie fordern daher eine umgehende Aufhebung der Beschlüsse, die in mehreren Städten zu heftigen Protesten führten, die auch am Sonntag andauerten.

Regime sieht ausländische Kräfte am Werk und droht Demonstranten
Irans oberster Führer, Ayatollah Ali Khamenei, verurteilte die Proteste. „Die politische Führung des Landes hat eine technische Entscheidung getroffen, die umgesetzt werden muss“, sagte er am Sonntag. Er könne zwar nachvollziehen, dass einige Menschen verärgert seien, aber Beschädigungen und Brandstiftungen seien das Werk von Unruhestiftern, die „vom Ausland gelenkt“ würden.

Das staatliche Fernsehen beschuldigte „feindliche Medien“, das Ausmaß der Demonstrationen zu übertreiben und dazu Fehlinformationen und falsches Videomaterial in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Generalstaatsanwalt Mohammad Jafar Montazeri sagte dem Staatsfernsehen, die Demonstranten, die Straßen blockierten und sich Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften lieferten, stammten „sicher aus dem Ausland“.

Innenminister Abdolreza Rahmani Fasli warnte die Demonstranten vor einem Einschreiten der Sicherheitskräfte, falls öffentliches Eigentum zerstört werde. „Wir haben bisher Zurückhaltung bewiesen und die Proteste geduldet“, sagte er. Sollten die Angriffe auf staatliches und persönliches Eigentum jedoch anhalten, würden die Sicherheitskräfte ihre „Pflicht erfüllen und wieder für Ruhe sorgen“. Das Regime hat bis Sonntag zwei Tote bestätigt, bei einem handelt es sich demnach um einen Polizisten. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur FARS wurden rund 1000 Menschen festgenommen, die mehr als 100 Banken und mehrere Kaufhäuser in Brand gesetzt hätten.

Der exiloppositionelle Nationale Widerstandsrat des Iran meldete unter Berufung auf lokale Augenzeugen, Revolutionsgarden hätten insgesamt acht Protestierende in den Städten Sirjan, Behbahan, Karaj, Shiraz, Khorramshahr und Marivan getötet. Außerdem seien zahlreiche Demonstranten verletzt worden.

Internet abgeschaltet, keine verlässlichen Informationen
Diese Angaben sowie weitere Berichte über Tote und Verletzte ließen sich zunächst nicht überprüfen. Genaue Informationen über die aktuelle Lage sind nicht verfügbar, da die meisten Menschen im Land seit Samstagnachmittag keinen Zugang zum Internet mehr haben. Dieses wurde laut Telekommunikationsministerium auf Anweisung des Nationalen Sicherheitsrats „limitiert“.

Regierungen autoritär regierter Länder haben bereits wiederholt das Internet teilweise oder ganz abgeschaltet, damit sich Demonstranten bei Unruhen nicht absprechen und Bilder von Ausschreitungen und Polizeigewalt nicht verbreitet werden können.

Inflation, Arbeitslosigkeit und Korruption machen Iranern zu schaffen
Wegen der US-Sanktionen ist die nationale Währung Rial schon seit Monaten nur noch die Hälfte wert, Inflation sowie Arbeitslosigkeit und Korruption steigen weiter. Die Parlamentsabgeordneten wollen nun in einer Sondersitzung beraten, wie verhindert werden kann, dass der Beschluss der Regierung zu einer weiteren Inflationswelle und noch mehr Protesten im Land führt.

Die Behörden versichern dagegen, dass die zusätzlichen Einnahmen sinnvoll verwendet würden. Die Anhebung des Benzinpreises soll demnach etwa 2,5 Milliarden Dollar (rund 2,3 Milliarden Euro) pro Jahr in die Kassen des Staates spülen, mit denen 18 Millionen Familien oder etwa 60 Millionen Iraner mit geringen Einkommen unterstützt werden sollen.

Machthaber befürchten Neuauflage der Unruhen im Jahr 2017
Die geistlichen Herrscher des Iran bemühen sich, eine Neuauflage der Unruhen im Jahr 2017 zu vermeiden. Damals gingen Menschen in 80 Städten im ganzen Land gegen schlechte Lebensbedingungen auf die Straße, einige von ihnen forderten den Rücktritt hoher schiitischer Geistlicher. Nach offiziellen Angaben wurden bei den Protesten 22 Menschen getötet.

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