Tito & Tarantula

“Back Into The Darkness”

Musik
19.04.2008 11:55
Als Salma Hayek in Gestalt der lüsternen Latino-Vampirella Santanico Pandemonium im Titty Twister tanzte und George Clooney seinem Filmbruder Quentin Tarantino die letzte Ölung gab, steuerten sie die Soundkulisse zum trashigen Vampirgrusel bei. Über zwölf Jahre nach "From Dusk Till Dawn" sind Tito & Tarantula noch immer maßgeblich durch ihren Auftritt in dem Streifen bekannt. Mit dem fünften Album "Back Into The Darkness", das am Freitag erscheint, fangen Tito Larriva und seine mittlerweile auf drei fixe Mitstreiter geschrumpfte Wüstenrock-Band den Sound ein, mit dem sie in Robert Rodriguez' Kultstreifen den Aufstieg schafften. krone.at sprach mit Tito über die neue Platte, das Leben in der Wüste und mexikanische Kühe mit fünf Eutern.
(Bild: kmm)

"We've been here at the hate hotel / we're living together, we're living in hell / you know one day it's got to stop / or we'll kill each other for sure / we're monsters, made in Japan..." Die Zeilen aus dem Song "Monsters", dritter Track auf "Back Into The Darkness", lesen sich wie Notizen eines Horrorfilmmachers zu einem neuen Drehbuch. Man addiere noch staubtrockene Gitarren, punchige, unerbittlich langsam und stur vor sich hin marschierende Drums, Senor Larrivas rauchige Stimme dazu - und man erhält das Rezept, mit dem Tito & Tarantula seit Anbeginn ihrer Zeit das Cineasten- und Musikliebhaber-Publikum begeistern.

Tito Larriva hat eine ganz eigene Art, Bildsprache in Songs zu gebrauchen. Morbide und überzogen, trashig, ja manchmal gar okkult wirken seine Texte, die letztendlich in vielen Fällen doch nur ein - ab und etwas gruselig geratenes - Liebeslied sein können. Oder ein Roadmovie: "I've been running on the desert sand / I'm looking for the road to Babylon / what I find is nothing but a lie...", singt er auf "Dust And Ashes" zu einem behäbig pochenden Beat. Oder ein kleiner Horrorfilm: "Murder! He's ready to start the show...", raunt Tito Larriva bei "Murder" ins Mikrofon. Als schauriges Liebeslied für Bonnie-und-Clyde-Pärchen präsentiert sich etwa "Darkness": "The darkness is our lives / nowhere to run, nowhere to hide..."

Wer Filme von Peter Jackson (die vor "Herr der Ringe"), Tarantino, Rodriguez oder im entferntesten Sinn auch Rob Zombie und Alexandre Aja sowie die guten alten Geschichten aus der Gruft mag, wird wahrscheinlich schon längst ein Fan von Tito & Tarantula sein. Wem die Lyrics zunächst wie Passagen aus schlechten Schundheftchen vorkommen, der sollte Tito Larriva noch kurz besser kennenlernen, bevor er ein Urteil fällt. Selbst der ärgste Trash klingt aus seinem Munde plötzlich um ein Eckhaus kultiger...

Übrigens: Tito & Tarantula spielen Anfang Mai vier Mal in Österreich. Und zwar am 2. Mai in Wien/Szene, am 4. Mai in Graz/Orpheum, am 7. Mai in Innsbruck/Treibhaus und am 8. Mai in Dornbirn.

krone.at: „Back Into The Darkness“ – ihr tappt also im Dunkeln?

Tito Larriva: (lacht) Sicher nicht! Wir sind zurück im Partyland!

krone.at: Ach ja? Und wo kommt ihr dann her?

Tito Larriva: Von der Arbeit, woher sonst? (lacht) Und jetzt geht’s raus aus dem Alltag, einmal brav die Zähne putzen und ab ins Partyland! Nein, im Ernst: Der Titel kommt von der Coverzeichnung, von diesem Typ auf dem Fahrrad, der in die Finsternis fährt. Als ich das Bild sah, fiel mir sofort „Back Into The Darkness“ ein. Da waren wir zwar noch mitten im Songschreiben, aber ich spürte, dass uns dieser Titel den richtigen Weg weisen würde. Ich konnte mich dadurch sehr gut auf das konzentrieren, was mir wichtig ist. Und ich glaube, die Dunkelheit ist mir sehr wichtig. (lacht)

krone.at: Du bist also ein Mann, der die Nacht liebt. Würdest du angesichts des Titels sagen, dass das Album „düster“ ist?

Tito Larriva: Nicht unbedingt. Es hat schon etwas Finsteres, aber im positiven Sinne. Es sind die verschiedensten Moods auf diesem Album, aber ein roter Faden verbindet sie - die Dunkelheit, das Mysteriöse, ein bisschen Horror, ein bisschen Fantasy.

krone.at: Ihr habt im Studio bei den Aufnahmen zu „Back Into The Darkness“ wie ein großer Clan gelebt. Wie lange hat’s gedauert?

Tito Larriva: Alles in allem? Drei Monate. Inklusive aller Vorbereitungen, Proben, Songschreiben und inklusive der Energie, die wir hineingesteckt haben. Im Studio waren wir deshalb wie ein Clan, weil wir zwischen drei, vier kleinen Touren aufnahmen. Sobald wir einen Konzertblock gespielt hatten, gingen wir ins Studio. Wir nahmen die ganze Energie von der Bühne mit in den Aufnahmeraum. Die Tourneen – wir waren in der Ukraine und all solchen verrückten Ländern – waren dabei fast schon Mittel zum Zweck, uns anzuheizen. Aufgenommen haben wir in Deutschland in einem winzigen Ort. Dort gibt es kein Kino, keine Diskotheken, nur eine kleine Bar – und die hatte wenig zu bieten.

krone.at: Die meisten kennen Tito & Tarantula von der legendären Performance im „Titty Twister“. Seid ihr noch dieselbe Band?

Tito Larriva: Absolut! Es ist naturgemäß sehr schwer, sich von etwas wegzubewegen, das du bist. (lacht) Wäre ich in New York City geboren und würde ich mich bloß wie ein Mexikaner benehmen, wäre das eine andere Geschichte. Aber die ganze Band ist aus dem Südwesten und hat Latino-Blut in sich. Auf „Back Into The Darkness“ mach wir uns unsere Herkunft ganz stark bewusst – nicht zuletzt auch deswegen, weil nur mehr Steven (Hufsteter, Anmk. mit ihm spielte Tito schon in einer seiner ersten Bands „Cruzados“) von meinen langjährigen Gefährten dabei ist. Mit Stevie schrieb ich damals „After Dark“, das war unser erster gemeinsamer Song. „Back Into The Darkness“ beschreibt also auch den Weg zurück zu unseren Wurzeln, den Stevie und ich wieder gefunden haben.

krone.at: Du hast vorhin Horror- und Fantasy-Elemente in euren/deinen Songs erwähnt. Ist das nicht etwas ur-mexikanisches, Monster, Aberglaube, Geister und all dieses Zeugs?

Tito Larriva: Ja, da hast du recht. Bei mir persönlich kommt das aber auch daher, dass ich ein großer Fan von Monsterfilmen bin, eigentlich schon als kleiner Junge war. Ich habe ja lange in Hollywood gelebt und mein halbes Leben mit Film (als Filmmusikschreiber und auch als Schauspieler, Anmk.) verbracht. Das beeinflusst meine Songs schon ungemein. Steven ist ebenfalls seit Kindheit an Filmfan und hat auch lange in L.A. gelebt. Wir betrachten unsere Songs aus einer cineastischen Perspektive. Zusätzlich zu diesen ganzen Einflüssen kommt dann auch noch, dass ich meine Kindheit in der Wüste verbracht habe.

krone.at: Meinst du mit Wüste jetzt eine öde Gegend oder tatsächlich staubiges, trockenes Ödland?

Tito Larriva: Ich meine die Wüste, in der es fast nichts gibt, außer Hitze, Steine und Sand. Was ich dir jetzt erzähle, hört sich für dich vielleicht wie aus einem Film an, aber ich war es gewöhnt, unser Haus von Steppenläufern (die dürren Sträucher, die in jedem guten Western durch die Dorfstraße, vorbei am Saloon und sich duellierenden Cowboys geweht werden, Anmk.) säubern zu müssen.Nach jedem verdammten Sandsturm schickte mich mein Vater nach draußen, um dieses Zeug wegzuschaffen!

Wenn wir Kinder einmal etwa Lebendiges in der Wüste gefunden hatten (Tito wurde in Mexiko geboren, lebte als Kind kurz in Alaska und dann in El Paso, Texas, Anmk.), packten wir es meistens gleich in ein Einmachglas, so ungewöhnlich war das. Ich hatte als kleiner Junge eine Eidechsen-, Ameisen- und eine Käfer-Sammlung. Wenn sich etwas in der Wüste bewegt, kannst du das über Meilen fühlen, so dermaßen gar nichts ist dort zu finden. Wenn du in so einer Gegend groß gezogen wirst, tickst du anders als andere.

krone.at: Brauchst du die Wüste als Inspiration, als Lebensquell, als Wohlfühlort? Ich komme zum Beispiel aus dem flachen Teil Österreichs und kann überhaupt nicht mit Bergen, was für einen Österreicher jetzt nicht gerade rühmlich ist…

Tito Larriva: Dann weißt du aber ziemlich genau, was ich meine. Die Wüste ist ein extrem friedlicher Ort, an dem du deine Gedanken unendlich weit streuen kannst. Es ist wie eine andere Dimension, in der du dich befindest, vergleichbar mit dem offenen Meer. Du siehst die Dinge anders, weil das Leben in der Wüste anders ist. Aber warte mal – gibt es in bei euch überhaupt Land ohne Berge?

krone.at: Klar, wir verstecken sie bloß, damit die Leute Skifahren gehen! Nein, im Ernst. In der östlichsten Ecke Österreichs, wo Ungarn und die Slowakei angrenzen, ist alles flach. Apropos Osten: Du sagtest, ihr seid durch die Ukraine getourt?

Tito Larriva: Ja, wir haben eine Vorliebe für Länder, in die amerikanische Bands für gewöhnlich nicht reisen. Wir waren in Mazedonien, Kasachstan, Kamtschatka (Vulkan-Halbinsel am östlichsten Zipfel Russlands, die jahrzehntelang Militärsperrgebiet wer waren wir die erste Band weltweit, die das gemacht hat. Er sagte: „Ihr seid die einzigen Wahnsinnigen, die so etwas machen wollten.“ Für einen Gig sind wir 29 Stunden mit dem Zug unterwegs gewesen – und es war kein Erste-Klasse-Abteil! (lacht)

krone.at: Ihr seid die Tour mit dem Zug abgefahren?

Tito Larriva: Mit dem Zug, mit alten und neuen Reisebussen, in Jeeps, mit Propeller-Flugzeugen, die lauter waren, als alles, was ich jemals gehört habe, mit Jets, die aussahen, als würden sie schon beim Abheben in ihre Einzelteile zerfallen – nur Kamele haben wir nicht benutzt! (lacht) Ich weiß nicht, warum wir das machen, es ist wohl die Faszination, die fremde Länder auf uns haben.

krone.at: Kannte man euch dort eigentlich?

Tito Larriva: Du wirst es nicht glauben, aber ja! Wir spielten die ganze Tournee ausschließlich in ausverkauften Venues. Selbst wenn es das kleinste Kaff war, irgendjemand hatte dort schon mal „From Dusk Till Dawn“ gesehen und damit war alles geritzt. Ich bin immer noch unendlich dankbar für diesen Film. Hätten wir nur ein Hitalbum gehabt, wären solche Tourneen gar nicht möglich gewesen. Aber einen guten Film kennt einfach jeder.

krone.at: Es braucht da aber eine gute Chemie innerhalb der Band, wenn man solche Strapazen durchhalten will, oder?

Tito Larriva: Ja. Du musst wie eine Familie sein. Ich vergleiche uns immer gern mit Zigeunern, die keine andere Wahl haben, als gemeinsam durch die Gegend zu fahren und sich jeden Abend das Pferdefleisch zu teilen. (lacht) Da fällt mir ein: In dem russischen Zug hatten wir sogar Pferd. Es gab Pferdesuppe – und wir konnten vor Lachen kaum essen.

krone.at: Ihr lasst aber auch gar nichts aus, oder?

Tito Larriva: Nein, wir hatten von gebratenen Heuschrecken über gedünstete Küchenschaben bis zu Stiereiern wirklich alles. Du nennst es, wir haben’s schon mal gegessen.

krone.at: Das Cover von „Tarantism“, eurem ersten Album, zeigte noch eine Tarantel, ebenso wie „Little Bitch“. Bei „Hungry Sally & Other Killer Lullabies” zierte ein Alien den Titel. Welche Kreatur gibt auf „Back Into The Darkness“ den Ton an?

Tito Larriva: Monster, überall Monster - wie auf dem Karneval. Für mich ist das etwas, das ich mir nicht einfallen lassen muss. Ich lebte es ja in meiner Kindheit. Ich ging mit meiner Familie immer auf den Karneval oder in einen Wanderzirkus, wo man früher auch noch Freakshows sehen konnte. Meine Mutter hatte ein Faible für Menschen mit bizarren Deformationen wie zum Beispiel Zwillinge, die am Kopf zusammengewachsen waren. Ich erinnere mich noch gut an einen Mann, der eine Schildkrötenhaut hatte. Andere Kinder gingen in den Zoo, meine Mutter führte mich zum Schildkrötenmann! (lacht) Diese Bilder bekommst du als kleines Kind aber nicht mehr aus dem Kopf. (überlegt kurz) Brrrr… und da war noch diese Kuh mit fünf Eutern… Mann war das abgefahren! Du siehst, ich hatte einiges an Ausgangsmaterial für eine lebhafte Phantasie.

krone.at: Und ob - Danke, Tito!

Interview: Christoph Andert

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