Statt "Freistunde"

ÖVP: Ethik-Fach als Ersatz für Religionsunterricht

Österreich
08.04.2008 18:10
Schüler, die sich vom Religionsunterricht abmelden, sollen in Zukunft keine "Freistunden" haben, sondern per Gesetz zur Teilnahme an einem so genannten Ethikunterricht verpflichtet werden. Der jüngste Vorschlag der ÖVP zum Thema Schule kommt aus heiterem Himmel, findet naturgemäß Zustimmung bei Kirche und Glaubensgemeinschaften - die SPÖ aber will davon nichts wissen. Es gebe "schulpolitisch dringendere Fragen", sagte SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser.

Durchwegs positiv ist der Vorstoß der ÖVP hingegen von den Glaubensgemeinschaften in Österreich aufgenommen worden. So begrüßte die römisch-katholische Kirche in Österreich das Vorhaben am Dienstag „grundsätzlich“. Seine eigene Forderung sieht der evangelische Bischof Michael Bünker erfüllt. Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft und die Israelitische Kultusgemeinde zeigten sich vorsichtig optimistisch.

„Selbstverständlich kann es sich eine Gesellschaft, für die wertorientiertes Handeln in herausfordernder Zeit immer mehr zu einer Überlebensfrage wird, nicht leisten, auf eine flächendeckende und systematische ethische Bildung der nächsten Generation zu verzichten“, sagte die geschäftsführende Leiterin des Interdiözesanen Amtes für Unterricht und Erziehung, Christine Mann, in der kirchlichen Nachrichtenagentur „Kathpress“. Der von der ÖVP angekündigte „Hauruck-Gesetzesvorschlag“, von dem man auch im SPÖ-Unterrichtsministerium noch nichts gehört hatte, sei allerdings nicht mit Kardinal Christoph Schönborn als dem zuständigen Referatsbischof akkordiert. „Sobald uns der Text vorliegt, können und wollen wir uns kompetent und detailliert äußern“, so Mann.

Bischof Bünker: „Religionsfreiheit muss gewahrt werden“
Bereits vor seinem offiziellen Amtsantritt hatte sich der evangelische Bischof Bünker für einen verpflichtenden Ethikunterricht für jene ausgesprochen, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben. Den jüngsten Vorstoß zur Ausbildung in diesem Bereich sieht er als erfreulich an, auch wenn er sich parteipolitisch dazu nicht äußern möchte. Bünker habe aber auch Verständnis für jene, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben. Die Religionsfreiheit müsse gewahrt bleiben. Auch eine gute Ausbildung für die Lehrer selbst ist dem evangelischen Bischof wichtig.

„Das hier vorgestellte Vorhaben ist prinzipiell nicht neu“, sagte Carla Amina Baghajati, IGGiÖ-Pressereferentin. Vor ungefähr zehn Jahren hätten sich die Religionsgemeinschaften in Österreich schon für einen "Ethikunterricht als Alternative für den Religionsunterricht, nicht als Ersatz" ausgesprochen. Die IGGiÖ wünscht sich eine Einbeziehung der anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften bei der Lehrplanerstellung für den Ethikunterricht, denn die religiöse Dimension könne nicht ausgeblendet werden. Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg von der IKG betonte, dass ein Besuch des Religionsunterrichts die bessere Alternative sei, begrüßte aber die Idee zur Einführung des Ethikunterrichts. Infrage stellt er, ob dieser auch verpflichtend sein solle - "angeboten soll er auf jeden Fall werden". Zum Religionsunterricht selbst meinte Eisenberg, dieser solle von Haus aus niemanden zwingen, die Religion selbst auszuüben. Wichtiger sei es, ethische Werte zu vermitteln.

Ethikunterricht: Für SPÖ gibt es dringendere Fragen
„Schulpolitisch dringendere Fragen“ als den Ethikunterricht gibt es nach Ansicht von SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser. Als Beispiele nannte er die Themenbereiche Lesekompetenz, Sprachförderung und Vorschulbildung. Hier müsse man „auch finanziell die richtigen Prioritäten setzen“. Den konkreten VP-Vorschlag kenne er noch nicht, aber „im Regierungsprogramm ist das jedenfalls nicht enthalten“.

Ablehnend stehen auch die Liberalen dem VP-Vorschlag gegenüber. Sie fordern stattdessen einen verpflichtenden Ethikunterricht als Ergänzung zum Religionsunterricht - und nicht nur als „Ersatzprogramm" für jene Schüler, die sich von Religion abmelden bzw. ohne Bekenntnis sind. Die Schüler dürften nicht gezwungen werden, sich zwischen Ethik und Religion entscheiden zu müssen, so LIF-Bundessprecher Alexander Zach in einer Aussendung. Nicht ganz klar ist ihm auch, wer das Fach unterrichten soll: „Es bedarf mit Sicherheit eigens ausgebildeter LehrerInnen für den Ethikunterricht und nicht die Heranziehung von unterbeschäftigten ReligionslehrerInnen.“

Khol: „Attraktive Kaffeehausstunde“
In den schwarzen Vorfeldorganisationen kann man sich dagegen generationsübergreifend für den VP-Vorschlag erwärmen. Seniorenbund-Obmann Andreas Khol betonte, dass der konfessionelle Religionsunterricht heute nicht mehr alle erreiche. Besonders durch die Möglichkeit der Abmeldung ab dem 14. Lebensjahr sei „diese Stunde oft zu einer attraktiven Kaffeehausstunde geworden“, so Khol in einer Aussendung. Er hofft, dass „der Ethikunterricht den konfessionellen Religionsunterricht stützen wird“. Die VP-nahe Schülerunion plädierte dafür, dass Schüler selbst entscheiden sollten, welchen Unterricht - Religion oder Ethik - sie wählen.

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