Kriegsverbrechen

UNO-Tribunal spricht Kosovos Ex-Premier frei

Ausland
03.04.2008 18:45
Der frühere Kosovo-Premier Ramush Haradinaj (39) ist am Donnerstag vom Haager UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien freigesprochen worden. Von seinen beiden Mitangeklagten wurde Idriz Balaj (36), der Ex-Chef der berüchtigten Sondereinheit "Schwarze Adler", ebenfalls freigesprochen. Der dritte Angeklagte Lahi Brahimaj (38), Haradinajs früherer Stellvertreter bei der kosovo-albanischen "Befreiungsarmee des Kosovo" (UCK), wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Die Anklage warf dem Ex-UCK-Kommandanten Haradinaj sowie seinen beiden Mitangeklagten Kriegsverbrechen im Westkosovo vor. Diese sollen zwischen März und Ende September 1998 begangen worden sein. Haradinaj ist der ranghöchste Kosovare, der in Den Haag angeklagt wurde.

Der serbische Kosovo-Minister Slobodan Samardzic bezeichnete den Freispruch für Haradinaj als eine "katastrophale Entscheidung" des UNO-Tribunals. Viele Zeugen der Anklage hätten im Laufe des Prozesses ihre früheren Aussagen abgeändert, zwei Zeugen seien ermordet worden, erinnerte Samardzic am Donnerstag in einer ersten Reaktion auf das Urteil.

Kostunica: Gerichtsurteil ein "großes Verbrechen"
Mit dem Freispruch für den ehemaligen kosovarischen Premier hat das UNO-Tribunal nach Ansicht des serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica die Gerechtigkeit und alle unschuldigen Opfer des früheren UCK-Befehlshabers verspottet. Dadurch sei an den Serben ein weiteres "großes Verbrechen" verübt worden, hieß es in einer Aussendung Kostunicas vom Donnerstag.

In der Kosovo-Hauptstadt Pristina wurde die Meldung vom Freispruch mit Begeisterung aufgenommen. Tausende Haradinaj-Anhänger strömten mit UCK-Fahnen auf die Straßen und begrüßten die bevorstehende Freilassung des ehemaligen Regierungschefs mit Hupkonzerten.

Tadic: "Große Ungerechtigkeit"
Vor einem Freispruch hatte zuvor schon der serbische Präsident Boris Tadic gewarnt und diesen als eine "große Ungerechtigkeit" bezeichnet. Ein Freispruch würde nach Meinung des serbischen Präsidenten die Serben und sonstigen Nicht-Albaner im Kosovo nicht gerade in der Überzeugung bestärken, dass sie künftig ein sicheres und ruhiges Leben würden führen können, teilte das Kabinett des Staatschefs in einer Aussendung mit.

Alle drei Angeklagten wurden von dem Vorwurf der Verbrechen gegen die Menschlichkeit freigesprochen. Der Gerichtssenat stellte fest, dass die vorgelegten Beweise nicht die Schlussfolgerung zuließen, dass von der UCK die Zivilbevölkerung gezielt angegriffen worden sei. Der Senat nahm ferner den Standpunkt ein, dass im Falle der Ermordung von 30 serbischen Zivilisten am Radonjic-See die Staatsanwälte nur die Tötung von sieben Personen ohne jeden Zweifel beweisen hätten können. Zudem gebe es keine Beweise, dass diese Morde von der UCK begangen worden seien.

Anklage hatte zu wenig Beweise
Die Anklage hatte nach Ansicht des Senats "wenig Beweise" für die Beteiligung der Angeklagten an einem gemeinsamen verbrecherischen Vorhaben präsentiert. Auch die Schlussfolgerung der Staatsanwaltschaft über die Existenz eines gemeinsamen verbrecherischen Ziels - nämlich der Übernahme der Kontrolle über den West-Kosovo durch die UCK - sei nicht zweifelsfrei nachgewiesen worden.

Der Senat stellte allerdings fest, dass die grausame Behandlung im Falle von zwei Zeugen der Anklage, die Brahimaj belasteten, nachgewiesen wurde.

Gericht konstatiert Atmosphäre der Angst
Das Gericht konstatierte zudem, dass der Prozess in einer Atmosphäre verlaufen sei, in der sich die Zeugen nicht sicher gefühlt haben. Auf sie habe sich demnach auch die Stimmung im Kosovo ungünstig ausgewirkt. Von rund 100 Zeugen, die angehört worden waren, wurden 34 besonders geschützt, 18 Zeugen mussten per Gerichtsverordnung zur Aussage verpflichtet werden. Vier Zeugen wollten trotzdem nicht aussagen und wurden der Missachtung des UNO-Tribunals angeklagt.

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