Live & erledigt

Neue DVDs von Pete und Amy

Musik
17.11.2007 20:10
Sie sind die Enfant terribles der britischen Musikszene, haben in den täglichen Klatschspalten einen Fixplatz im Layout und bei der Polizeiwache ihres Vertrauens eine Ausnüchterungszelle mit Namensschildchen. Doch in all dem Trubel geht unter, was sie eigentlich sind - begnadete Musiker. Pete Doherty kratzt nämlich statt mit der Kreditkarte über'n Glastisch auch an den Saiten seiner geschundenen Gitarre und Amy Winehouse zuzelt allen Gerüchten zum Trotz nicht nur an einer Flasche Tullamore Dew, sondern hin und wieder auch am Mikrofon. Und wenn die beiden einmal ganz helle Tage haben, dann hört man das auch - zum Beispiel auf ihren neuen Live-DVDs.
(Bild: kmm)

Mit Amy Winehouse oder Pete Doherty zu arbeiten, ist sicher nicht einfach. Das Mastermind der Babyshambles ist berüchtigt für seine Totalausfälle vor Konzerten. Manchmal landet er auf der Polizeiwache, ein anderes Mal geht er einfach zu lang spazieren, verschwitzt den Gig oder tritt ganz wo anders auf. Wenn der Rest seiner Band dann nicht da ist - was soll's? Pete packt die Gitarre aus und spielt alleine. Man konsultiere YouTube für Beweise.

Mit Amy Winehouse auf Tour zu gehen, ist sicher nicht auch nicht einfach. Nicht nur weil sie Schnaps trinkt wie ein Walross Wasser (auch dafür konsultiere man YouTube). Erst vor kurzem hat ihr Konzert-Manager Thomas Stone seinen Job gekündigt, weil er mit Amy und ihrem derzeit in U-Haft sitzenden Ehemann passiv Heroin rauchen musste. Der Göttergatte mit dem schlechten Ruf hat im knallvollen Tourbus "ein Blech geraucht" (= Heroin auf Alufolie verdampft und inhaliert) und den ganzen Tross unfreiwilligerweise an seinem "Glück" teilhaben lassen.

Up The Shambles...
Auf der neuen Babyshambles-DVD "Up The Shambles - Live in Manchester" ist Pete Doherty mit hundertprozentiger Sicherheit nicht nüchtern - aber dafür top in Form. Kein Wunder, die Show wurde auch Ende 2004, kurz vor der Veröffentlichung des Debütalbums "Down In Albion" aufgezeichnet; also bevor Dohertys Katze koksen lernte und er Kate Moss im Voll-Düdelü den Laufpass lallte. Der Babyshambles-Frontmann sieht schrecklich aus, verpasst seine Einsätze (siehe Video "Fuck Forever" oben) und das Licht auf der Bühne ist alles andere als gut. Und trotzdem ist es Rock'n'Roll pur, ohne Kostümwechsel, irre Kamerafahrten oder Feuerwerk und Knallfrösche. Das Songmaterial umfasst bereits das Erfolgsalbum "Down In Albion" sowie ein paar Songs von Dohertys Ex-Band "The Libertines". Als Plus gibt es Backstage-Material (ohne Heroinszenen) und ein paar Solo-Performances von Doherty.
Prädikat: ein schweißgebadetes Frühwerk.

I Told You I Was Trouble...
Amy Winehouses neue DVD besteht aus zwei Teilen. Der Konzertaufzeichnung "Live In London" und der blitzsauberen Doku "I Told You I Was Trouble", die ihren Aufstieg im Musikbusiness anhand von Interviews mit Freunden, ihren Eltern und natürlich Amy selbst erzählt - der Titel der Doku passt aber besser zum Konzert. Die viel zu ordentliche Bühne und der im Gegensatz zu ihren Alben sehr transparente Sound der phänomenalen Live-Band täuschen nur bei den ersten drei, vier Songs eine brave Performance vor. Bei "Back To Black" kommt Amy schon mit Gin Fizz auf die Bühne getrappelt, "He Can Only Hold Her" singt sie mit Unterstützung von Background-Sänger Whiskey-Cola, bei "F*** Me Pumps" verhaut sie die erste Moderation: "You know, this song... this song is about.... about; we'll fuck... let's just play!" Der Alk fließt bei ihr trotz laufender Kamera und gerammelt vollem Konzertsaal zwar nicht in Strömen, aber stetig. Nur: Amy Winehouse weiß (bzw. wusste damals noch) haargenau, wie viel geht, bevor die Stimme versagt und das Hirn den Text nicht mehr richtig ans Mundwerk weitergibt.
Fazit: eine bestechende Gratwanderung.

Kultfaktor Selbstzerstörung
Genau wie bei Doherty respektive Babyshambles ist auch die Winehouse-DVD ein geglückter Schnapp(s)schuss einer sorglosen Stunde. Die Shows zeigen das hohe künstlerische Level der beiden Ausnahmemusiker bei Fast-Nüchternheit und bringen trotzdem noch den Kultfaktor "Sex, Drugs & Rock'n'Roll" rüber. Öffentliche Selbstzerstörung zieht spätestens seit Kurt Cobain. Warum? Weil die betreffende Person natürlicher rüberkommt als unter Glamour und Glitzer. Und weil beide musikalisch gesehen ein Klasse für sich sind, kann man der Anziehungskraft von Doherty und Winehouse nur schwer widerstehen - sei es nun durch Faszination oder Ekel. Fakt ist: Es verkauft sich. Denn wo stünden die beiden, wenn sie nach dem Aufstehen nur Früchtetee trinken würden?

Christoph Andert

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