Was ist barbarisch?

Debatte in USA über “beste” Hinrichtungsmethode

Ausland
01.10.2007 07:16
In den USA ist eine neue Debatte um die Todesstrafe entbrannt - aber nicht darüber, ob sie abgeschafft werden soll. Es geht vielmehr um die "beste" Hinrichtungsmethode. Denn mit der Giftspritze in der bisherigen Form könnte es bald vorbei sein. Voraussichtlich im Sommer nächsten Jahres wird der Oberste Gerichtshof der USA darüber entscheiden, ob Exekutionen mit dem tödlichen Chemikalien-Cocktail als grausame und ungewöhnliche Bestrafung gegen die Verfassung verstoßen. Zuvor hatten bereits neun Bundesstaaten nach Einsprüchen von Todeskandidaten alle Hinrichtungen ausgesetzt, bis geklärt ist, ob und wie qualvoll das Sterben durch die Nadel ist.

Der "Erfinder" der Giftspritze selbst hat inzwischen Zweifel. "Es ist vielleicht an der Zeit, das (die Injektion) zu ändern", sagte Dr. Jay Chapman kürzlich in einem Interview. "Es gibt zu viele Probleme, die entstehen können." Chapman hat auch eine Idee, wie man solche Probleme vermeiden könnte: durch die Guillotine. Das sei die einfachste Methode, und er hätte nichts dagegen, wenn sie eingeführt würde, zitierte ihn der Sender CNN. "Der Person wird der Kopf abgeschnitten, und das ist das Ende."

Drei Mittel führen zum Tod
Für Gary Gilmore kam das Ende durch die Kugel. Er war der erste Häftling, der nach Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA 1978 exekutiert wurde. Mit der Wahl zwischen dem elektrischen Stuhl und dem Erschießen konfrontiert, entschied er sich für Letzteres. Jay Chapman war damals der leitende Gerichtsmediziner in Oklahoma. Ein Befürworter der Todesstrafe, hielt er gleichwohl die Hinrichtung durch den Stromschlag und durch Schüsse für barbarisch. So stimmte er denn zu, als ihn regionale Politiker baten, nach einer "humaneren" Tötungsmethode zu suchen. Das Ergebnis: eine Injektion mit drei verschiedenen Mitteln.

Im Laufe der nächsten 25 Jahre wurde die Giftspritze bei Exekutionen in 37 Bundesstaaten gang und gäbe. 1.099 Hinrichtungen hat es seit Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA im Jahr 1976 gegeben, davon 928 durch den Giftcocktail. Zunächst wird den Todeskandidaten das Barbiturat Thiopental zur Betäubung eingespritzt, dann Pancuriumbromid zur Lähmung der Muskeln mit Ausnahme des Herzens, das dann mit Kaliumchlorid zum Stillstand gebracht wird.

Kritik an der Giftspritze
Schon 2005 warnten indessen Ärzte, dass diese Art von Hinrichtung häufig mit extremen Schmerzen verbunden sei. In vielen Fällen sei die verabreichte Dosis des Betäubungsmittels zu gering, um den Verlust des Bewusstseins zu erreichen, hieß es in einer im britischen Fachmagazin "Lancet" veröffentlichten Studie, die auf Obduktionen Hingerichteter basierte. Seitdem haben weitere Untersuchungen den Verdacht bestätigt, dass manche Gefangene bei vollem Bewusstsein langsam ersticken, ohne ihre Schmerzen herausschreien zu können.

„Es wirkt nicht, es wirkt nicht“
Im vergangenen Jahr dauerte es 90 Minuten, den verurteilten Doppelmörder Joseph Clark in Ohio hinzurichten. "Es wirkt nicht, es wirkt nicht", stöhnte er wiederholt. Am drastischsten ist jedoch der Fall Missouri: Hier stellte sich nach dem Hinrichtungsaufschub für einen Häftling heraus, dass der zuständige Mediziner nur die Hälfte der vorgeschrieben Menge an Betäubungsmittel für den Delinquenten vorbereitet hatte. Bei weiteren Nachforschungen wurden ähnliche Fehler bei vollzogenen Hinrichtungen entdeckt. Der Arzt gab zu, dass er an Legasthenie leide und Probleme mit Zahlen habe.

Neuer Vorschlag: Kohlenmonoxid-Vergiftung
Um Probleme bei der Hinrichtung zu vermeiden, plädiert Michael Rushford von der Criminal Justice Legal Foundation - das ist eine Organisation, die die Todesstrafe befürwortet - für ein Vergiften mit Kohlenmonoxid. Das sei "einfach, schnell und schmerzlos", zitiert ihn CNN. Ginge es dagegen nach dem Gouverneur von Texas, alljährlich der Bundesstaat mit den weitaus meisten Exekutionen, dann könnte bedenkenlos weiter wie bisher gespritzt werden. Rechnen Justizexperten damit, dass in der nächsten Zeit ein Staat nach dem anderen seine Hinrichtungen bis zur Entscheidung des höchsten Gerichts aussetzt, so denkt der Republikaner Rick Perry nicht im Traum daran. "Wir machen mit unserer Interpretation des Gesetzes weiter, so lange das (höchste) Gericht uns nicht andere Anweisungen gibt", so der Gouverneur.

In Justizkreisen wird indessen erwartet, dass es längerfristig bei der Giftspritze bleibt - mit einer gerichtlichen Auflage, sicherzustellen, dass keine "unnötigen" Schmerzen verursacht werden.

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