"Stiefmutti Europas"
Polen: Barbusige Merkel mit Kaczynski-Zwillingen
„Die Stiefmutti Europas“, steht auf dem Wprost-Titel. In dem Bericht dazu werden Deutschland „postkoloniale Reflexe“ vorgeworfen. 60 Jahre nach Kriegsende seien „die Deutschen immer noch nicht in der Lage, Polen partnerschaftlich zu behandeln“. Hintergrund der Sticheleien: Polen hatte beim EU-Gipfel mehr bzw. eine gleich bleibende Stimmkraft in der Union zu seinen Gunsten gefordert - und Deutschland bzw. Merkel hatten dagegen bis zuletzt rebelliert.
Die ursprüngliche Version des EU-Vertrages (ehemals „EU-Verfassung“) hätte dem Land weitaus weniger Macht in der Union zugestanden. Deswegen gab es auch die nächtlichen Verhandlungen am Wochenende, bei denen Polen (aus sicht der restlichen EU-Länder) so lange stur blieb, bis man von Merkel, die die Polen zwischenzeitlich sogar ausgrenzen wollte, umfangreiche Zugeständnisse erhielt und den Gipfel mit einem Mandat für eine Regierungskonferenz, auf der der endgültige Reform-Vertrag dann beschlossen werden soll, beendete.
Ein Argument Polens für das Mehr an Stimmen lautete sinngemäß, dass das Land heute eine weitaus höhere Bevölkerung hätte, wenn der 2. Weltkrieg nicht gewesen wäre. In Deutschland fasste man dies als Provokation auf. In „Wprost“ heißt es hingegen, deutsche Politiker und deutsche Medien hätten einen „Frontalangriff“ gegen Polen geführt. Deutschland sei „von unserem Anwalt zu unserem Ankläger“ geworden.
„Passt Polen nach Europa?“
Das Magazin - für seinen nicht ausgewogenen Blick auf den westlichen Nachbarn bekannt - steht mit dieser Auffassung inzwischen nicht mehr allein. „Man gewinnt den Eindruck, dass (die deutschen Politiker, Anmk.) die Fähigkeit verloren haben, das Interesse Deutschlands vom Interesse Europas zu unterscheiden", kommentierte die Zeitung „Rzeczpospolita“ den Gipfel. Kritische Stimmen an die eigene Adresse gab es auch. „Passt Polen nach Europa?“ fragte „Newsweek Polska“.
In Berlin war man dagegen bemüht, den Streit mit Polen tiefer zu hängen. Man werde die „engen und freundschaftlichen Beziehungen“ mit Polen verstärkt ausbauen, ließ Merkel, die schon im eigenen Land vergleichbare Magazintitelseiten hinnehmen musste, wissen. Zuletzt war Merkel vom bitterbösen Satire-Blatt „Titanic“ bei ihrem Antritt als erste Kanzlerin Deuschlands verunstaltet worden. Man hatte ihr per Fotomontage Natascha Kampuschs violettes Kopftuch aufgesetzt, der Titel dazu lautete: „Kohls Mädchen packt aus: ‚Ich musste Kanzler zu ihm sagen!’“
„Zusammenarbeit mit Augenmaß“
Während der dramatischen Tag-und-Nacht-Verhandlungen im Brüsseler EU-Ratsgebäude hatte die deutsche Kanzlerin zunächst die Reißleine gezogen und Polen öffentlich mit einer Isolierung im weiteren Reformprozess (Reform = Vertrag = Ex-Verfassung) gedroht. Mit neuen Zugeständnissen wurde schließlich eine Einigung gefunden. „Diktat der deutschen Politik“, war zwischenzeitlich noch ein milderer Kommentar aus Warschau gewesen. Inzwischen heißt die Devise in Berlin: „Nicht nachhaken!“ Die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen seien vor dem Gipfel schwierig gewesen und sie würden auch nach dem Gipfel schwierig bleiben, analysieren Regierungsexperten. Deshalb sei „Zusammenarbeit mit Augenmaß“ die richtige Antwort.
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