Cannes-Festival

Goldene Palme geht nach Rumänien

Kino
28.05.2007 19:01
Die Goldene Palme des Filmfestivals in Cannes geht zum ersten Mal nach Rumänien. Der 39 Jahre alte Filmemacher Cristian Mungiu erhielt den Hauptpreis der 60. Filmfestspiele am Sonntagabend für sein Abtreibungsdrama "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage". In einem insgesamt starken Wettbewerb hatte der Rumäne schon sehr früh zum Kreis der Favoriten gehört.

US-Legende Jane Fonda übergab den Hauptpreis, nachdem sie selbst eine Goldene Sonder-Palme erhalten hatte. Der Österreicher Ulrich Seidl, der mit seinem Film "Import Export" im Wettbewerb vertreten war, ging bei der Preisvergabe leer aus.

Der deutsch-türkische Regisseur Fatih Akin nahm mit seinem Ensemblefilm "Auf der anderen Seite" den Preis für das beste Drehbuch entgegen. Auch die Ökumenische Jury würdigte den 33 Jahre alten Hamburger mit ihrer Auszeichnung. Erfolgreich war auch der deutsche Nachwuchsregisseur Jan Bonny (28) mit seinem Debütfilm "Gegenüber". Für das packende, realistische Ehedrama erhielt er einen Preis in der Regie-Nebenreihe.

Der Große Preis der Jury ging an die japanische Regisseurin Naomi Kawase für "Mogari no mori" (Der Trauerwald). Die iranische Comic-Zeichnerin Marjane Satrapi ("Persepolis") und der Mexikaner Carlos Reygadas ("Stellet Licht") teilen sich den Preis der Jury. Die Auszeichnung als bester Regisseur nahm der New Yorker Künstler Julian Schnabel ("Le scaphandre et le papillon") in Empfang.

Die Koreanerin Jeon Do-yeon ("Secret Sunshine") und der Russe Konstantin Lawronenko ("Izgnanie") wurden als beste Darsteller geehrt. Einen Spezialpreis zum 60. Geburtstag des Festivals gab es für den Amerikaner Gus Van Sant, der in diesem Jahr mit "Paranoid Park" im Wettbewerb war.

Rumänischer Preisträger überglücklich
Hoch erfreut bedankte sich Mungiu für die Palme und strahlte: "Für mich ist das wie ein Märchen." Vor sechs Monaten hätten sie noch nicht gewusst, wie sie das Geld für den Film zusammenbringen könnten. "Ich hoffe, dass diese Goldene Palme eine gute Nachricht für die kleinen Filmemacher in kleinen Ländern ist", sagte Mungiu. "Denn es scheint so, dass man endlich keine großen Budgets mehr braucht und keine großen Stars für eine Geschichte, der alle Welt Gehör schenkt."

Goldene Palme an Film über Kommunismus und Abtreibung
Der Siegerfilm ruft Erinnerungen an den extrem realistischen und fein beobachtenden Stil der Brüder Dardenne wach, die in Cannes schon zwei Goldene Palmen gewonnen haben. Mungiu erzählt eine Geschichte aus seiner Heimat gegen Ende des Kommunismus. Die junge Studentin Gabita lässt ihr Kind illegal abtreiben und muss dafür zusammen mit ihrer Freundin Otilia einen schrecklichen Preis zahlen. Die junge Frau und ihre beste Freundin suchen in einem schäbigen Hotelzimmer die Hilfe eines illegalen "Engelmachers".

Mungiu beschränkt sich auf diesen einen Tag der Abtreibung und erzeugt eine Atmosphäre von extremem Stress und Verzweiflung, die unter die Haut geht. Seine Bilder hallen lange nach. "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage" hat unter anderem der Fernsehsender Arte koproduziert.

Alain Delon rief zu Gedenken an Romy Schneider auf
Wie schon bei der Eröffnungszeremonie führte die in Frankreich lebende deutsche Schauspielerin Diane Krüger auch durch die Abschlussgala. Krüger, die unter anderem als schöne Helena in dem Film "Troja" bekannt geworden ist, setzte ganz auf einen zeitlos klassischen Look und trug ein royalblaues, schulterfreies Abendkleid, das mit glänzenden Steinchen bestickt war.

Ein anderer deutsch-französischer Filmstar wurde zum Abschluss in Cannes auf besondere Art gewürdigt: Alain Delon rief das Publikum im Festivalpalais dazu auf, seine frühere Freundin Romy Schneider zu ehren, die vor genau 25 Jahren am 29. Mai 1982 in Paris gestorben ist. Doch nicht mit einer Schweigeminute: Für die "wunderbare Romy" gab es 25 Sekunden Applaus.

Ernster Freitag mit Hollywood-Altstar und französischem Kino
Der Freitag wurde von düsteren Streifen dominiert, einer davon der US-Film „We Own The Night“ mit Altstar Robert Duvall - ein Streifen, der seine Dynamik durch dunkle Machenschaften der Russen-Mafia in New York gewinnt und mit einer Besetzungsliste, die sich sehen lassen kann: Joaquin Phoenix, Mark Wahlberg, Robert Duvall und Latino-Erotikon Eva Mendes. Ein Nachtclubbesitzer - Phoenix („Walk The Line“) -, dessen Lokal fest in der Hand des kriminellen Ostens ist. Eine offene Rechnung, die auf Kosten seines Vaters und Bruders - Duvall und Wahlberg -, beide Polizisten, beglichen werden soll. Ein fataler Gewissenskonflikt. (Christina Krisch)

Lust und Qual auf Französisch: „Une vieille maîtresse“
„Une vieille maîtresse“ („Eine alte Geliebte“), so der spröde Titel von Breillats Festivalbeitrag, hinter dem sich eine brillant in Szene gesetzte Literaturverfilmung verbirgt, nach einem Roman von Barbey d’Aurevilly. Opulent der historische Pomp. Ein junger androgyner Beau (Fu’ad Ait Aattou), zerrissen zwischen seiner schönen Braut, einer blonden Lichtgestalt - und seiner skandalbehafteten Maîtresse. Ein sinnlicher Salon-Reigen rund um eine unmögliche Liaison, die Herz und Haut verbrennt. Einmal mehr gewagt in Bild und Pose, literarisch aber im Ton. (Christina Krisch)

Donnerstag: Lustig, witzig - Clooney
Superstar George Clooney hat am Donnerstag seinem Ruf als Stimmungskanone wieder alle Ehre gemacht. Beim Filmfestival in Cannes sorgte der glänzend aufgelegte Oscar-Preisträger in der Pressekonferenz  zu "Ocean's Thirteen" für außergewöhnliche Lachsalven. Zu einer Frage nach der US-Fernsehshow mit Oprah Winfrey, die in dem Film kurz eingeblendet ist, sagte 46-Jährige: "Ich musste natürlich mit Oprah schlafen, um in ihre Show zu kommen." Und mit einem kurzen Blick auf Regisseur Steven Soderbergh fügte er hinzu: "Wow, das gibt morgen die Schlagzeile." Der Film kommt am 7. Juni ins Kino.

Mittwoch: Gala mit Kylie und Sharon
Den Höhepunkt bei allen Veranstaltungen am Mittwochabend in Cannes markierte ausgerechnet kein Film und keine besonders lustige Pressekonferenz: Ein heißes Ständchen von Popdiva Kylie Minogue und Filmstar Sharon Stone bei einer Charity-Gala begeisterte die Massen - da konnten die am selben Abend gezeigten und noch so guten Filme wie "Go Go Tales" von Abel Ferrara oder Fatih Akins "Auf der anderen Seite" showmäßig nicht mithalten. Die Gäste der "Cinema Against AIDS"-Gala, darunter Stars wie George Clooney, Model Naomi Campbell und Schauspieler Matt Damon, bekamen "The Locomotion" und "Can't Get You Out Of My Head" serviert.

Dienstag: Tarantino gibt Gas!
Quentin Tarantino, gefeierter US-Kultregisseur, präsentierte am Dienstag seinen neuen Streifen „Death Proof“. Der Film ist der erste Teil eines mit Regie-Spezi Robert Rodriguez („From Dusk Till Dawn“, „Sin City“;) gedrehten Epos. In den USA wurden die beiden Macho-Streifen – Tarantino beschreibt die Filme als Hommage an Low-Budget-Horrormovies der 60er und 70er – als ein Drei-Stunden-Epos unter dem Titel „Grindhouse“ gezeigt. Europa sei reif für zwei separate Filme, so Tarantino. Bei uns werden die beiden Streifen im Sommer in die Kinos kommen. Tarantinos „Death Proof“ am 27. Juli, Rodriguez’ „Planet Terror“ am 24. August.

„Death Proof“ ist ein echter Highspeed-Machostreifen, der auf atemberaubende Verfolgungsjagden und völlig „abgefahrene“ Dialoge setzt. Eine Hand voll Mädels mit ebenso scharfen „Karosserien“ bringen Mikes Mörderschlitten zum Glühen: Rosario Dawson, die schon in dem fantastischen Comic-Thriller „Sin City“ in Lack und Leder gewandet tolle Figur machte, Tamiia Poitier, Sydney Poitiers Tochter, die Tarantino auf einen wahren Höllentrip schickt, die zierliche „Kampfblondine“ Zoe Bell, die Uma Thurman in „Kill Bill“ szenenweise doubelte, Mokka-Beauty Vanessa Ferlito und Fernseh-Hexe Rose McGowan („Charmed“), eines der überhaupt schärfsten Hollywood-Babes. (Christina Krisch)

Premiere für Fatih Akins Beitrag
Der Film „Auf der anderen Seite“ des deutsch-türkischen Regisseurs Fatih Akin handelt davon, wie der Tod ein Geflecht von sechs Menschen verändert und weiße Flecken der Zwischenmenschlichkeit auslotet – in Hafenstädten wie Hamburg etwa, oder Istanbul, Endstation Bosporus-Blues. (Christina Krisch)

Martin Scorsese gründet „World Cinema Foundation“
Der US-amerikanische Regisseur und Oscar- Preisträger Martin Scorsese hat am Diensuren aus der ganzen Welt unterstützt, darunter Fatih Akin ("Gegen die Wand"), Wong Kar-Wai ("In The Mood For Love") und dem diesjährigen Jurypräsidenten der Filmfestspiele in Cannes, Stephen Frears ("The Queen).

Die „World Cinema Foundation“ will künftig beschädigte Filme aus allen Ländern der Welt restaurieren und so wieder einem größerem Publikum zugänglich machen. Außerdem sollen sich die Mitglieder um finanzielle Unterstützung bemühen, um so vor allem Projekten in Afrika, Lateinamerika, Asien und Mitteleuropa helfen zu können.

Montag: Riesenrummel um "Brangelina"
Hollywoods Glamour-Paar Brad Pitt und Angelina Jolie hatte am Montag erstmals gemeinsam die Filmfestspiele in Cannes besucht - und trotz der zahlreichen Fotografen dabei vor allem das Familienleben an der Cote d'Azur genossen.

"A Mighty Heart" von Michael Winterbottom wurde von Jolies Lebensgefährten Brad Pitt mitproduziert und erzählt die wahre Geschichte des US-Journalisten Danny Pearl, der 2002 in Pakistan von Terroristen entführt und Wochen später enthauptet wurde. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch der Witwe Mariane Pearl, die von Jolie gespielt wird.

Österreichischer Beitrag „Import Export“
Einen bitteren Ausflug in die Welt der „abgehängten“ Unterschicht Europas unternahm der Österreicher Ulrich Seidl in „Import Export“. Der „Import“ besteht aus einer hübschen jungen Frau aus der Ukraine, die als Krankenschwester nichts verdient und einen Job mit Internet-Sex nicht ertragen kann. Sie verlässt ihre verrottete Wohnsiedlung und ihr Kind, um als Putzfrau in Österreich eine Chance zu finden. Als „Export“ verfolgt Seidl einen jungen arbeitslosen Österreicher auf der Suche nach Arbeit, Geld und Sinn bis in die Ukraine. Gnadenlos schaut er auf die sexuelle Ausbeutung der osteuropäischen Frauen oder die bizarre Trostlosigkeit einer Altenpflegestation in Wien. Seidls dokumentarische Inszenierungen sind alles andere als erbaulich - doch sie bilden gerade in der irrealen Glitzerwelt von Cannes einen wichtigen Gegenpol.

Sonntag: Roman Polanski sorgte für Missklang
Für einen Missklang sorgte hingegen Regisseur Roman Polanski bei der Pressekonferenz zum offiziellen Geburtstagsfilm "Chacun son cinéma", der am Sonntagabend in einer Galavorführung gezeigt wurde. Genervt nach einigen schlecht vorbereiteten Wortmeldungen aus den Reihen der internationalen Presse, beklagte sich Polanski ("Chinatown") über die "armseligen Fragen". Er beschimpfte die Journalisten pauschal und meinte zu den anderen 31 Regisseuren auf dem Podium: "Lasst uns abhauen." Polanski ging allein.

Michael Moore: "Unmoralisch und barbarisch"
Weniger emotionale, sondern politische Ziele hatten die beiden US-Stars des Wochenendes im Sinn. Leonardo DiCaprio brachte den Dokumentarfilm "The 11th Hour" (Die elfte Stunde) als Sondervorführung nach Cannes und forderte nicht nur US-Präsident George Bush zu mehr Umweltschutz auf, sondern jeden einzelnen Bürger. "Ich glaube, dass der Umweltschutz das wichtigste Thema unserer Generation ist", betonte der 31 Jahre alte Hollywoodstar. Deutlich aggressiver gab sich Oscar-Preisträger Michael Moore. In seinem Dokumentarfilm "Sicko" geißelt er die schockierenden Mängel des profitorientierten Gesundheitssystems seiner Heimat. Als eine Art "Rächer der Versehrten" beschrieb er die Situation als "unmoralisch" und "barbarisch".

Samstag: U2 rockten auf der roten Treppe
Die irische Band U2 hat den Fans und den Filmfestspielen zu ihrem 60. Geburtstag ein besonderes Geschenk gemacht. Vor der Premiere des Konzertfilms "U2 3D" brachten Sänger Bono und seine Musiker um ein Uhr in der Nacht zum Sonntag die Menschenmassen auf den Straßen mit zwei live und gratis gespielten Songs zum Rocken.

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