Karawanken-Rock

“This Atom Heart Of Ours”

Musik
15.02.2007 23:24
„Deine Heimat ist das Meer, deine Freunde sind die Sterne“, sang einst Freddy Quinn über einen Seebären, der (kehrte er eigentlich wieder?) ewig zwischen den Insel-Paradiesen dieser Welt pendelte. Es gab eine Zeit, da tingelten Naked Lunch ebenfalls zwischen den Kontinenten, den Metropolen; ihre Freunde Melancholie, Hoffnung und Verzweiflung hatten sie stets bei sich. Anders als der Seemann landeten Oliver Welter, Stefan Deisenberger und Herwig Zamernik aber wieder im Hafen. Gestrandet. Mit „This Atom Heart Of Ours“ läuft die MS Naked Lunch erneut aus - im Nebel zwar, aber so gut auf Kurs wie nie zuvor.
(Bild: kmm)

Die Geschichte über das abrupte Ende des internationalen Höhenflugs von Naked Lunch, die an einer Stelle wie dieser oft erzählt wird, ist ein alter Hut. Die Sache ist schlicht gegessen. Sie hatten ihren Teil vom Rock’n’Roll und er kam Nachts und verpasste ihnen ohne Schalldämpfer eine Kugel ins Knie.

„This Atom Heart Of Ours“ gesellt sich in Sachen Albumtitel in eine Pathos-schwangere Runde. Zuletzt stand „Songs For The Exhausted“ auf der Hülle, davor hieß es „Superstardom“. Gemacht wurde das Werk jedoch nicht mehr zwischen New York, San Francisco und London. Der nackte Kalkfels der Karawanken, vor und hinter dem schon so manches Übel das Licht der Welt erblickte, um sich dann wie ein Schatten darüberzulegen, war die Kulisse, das Szenenbild. Hier entstand „Military Of The Heart“ (Video in der Infobox), der Vorzeigesong, den Naked Lunch einen Monat vor dem Longplayer ins Rennen - ja, in welches überhaupt? - schickten. Es klingt ungewöhnlich optimistisch, ungewöhnlich nach John Lennon. „I love my son and I love my daughter / I love my girl and I love my friends / I hope I die right in your arms then / I don’t need an illusion, I don’t need anything.“

Die Melange aus sparsam eingesetzten Drums und üppigen Keyboard-Arrangements beherrscht „This Atom Heart Of Ours“ über weite Strecken hinweg. Nur selten kommt etwas Maggi in die Synthesizer-Suppe, die sich inhaltlich, frei nach dem Süß-Sauer-Prinzip, aus überschwänglichem Mir-is-alles-wurscht-Leichtsinn und elendem Selbstmitleid kreiert. Etwa die Folksongatmosphäre bei „Countrygirl“ oder die Liebeserklärung „Into Your Arms“, um sich werfend mit abgedroschenen Floskeln wie „I wanna live with you forever“ und „I need to cry a million rivers / every teardrop's just for you“, die an dieser Stelle so selbstverständlich neu klingen, als hätten sie Naked Lunch eben erst erfunden. 

Höhepunkt, quasi die abschließende Kaasnudel der ganzen Geschichte, ist zweifellos „Colours“ an vorletzter Position der Tracklist. Der Song stammt aus dem Soundtrack zu Thomas Woschitz' Konzertfilm „Sperrstunde“, der grob umrissen eine Live-Performance der Naked Lunch hinter einer Leinwand war und im Vorjahr Filmfestival-Jurys und heimisches Publikum gleichermaßen begeisterte. Der erste Refrain in „Colours“, der erlösende Moment im Song, an dem sich ein Funken Heiterkeit einschleicht, war bei den Filmkonzerten die Stelle, an der die Leinwand hochgerollt wurde, und die Band sichtbar. Selbst wer „Sperrstunde“ nicht genossen hat, spürt die Erhabenheit, den „Hook“. Mmmh, ja, es hat schon was, sich so gepflegt runterziehen zu lassen. Dem Seemann hätte es gefallen...

10 von 10 atomaren Herzensangelegenheiten


Christoph Andert

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