50 Jahre Karriere

Canned Heat: Die wildeste Rockband aller Zeiten

Musik
29.12.2017 17:00

Seit mehr als 50 Jahren spielen die US-Blues/Boogierock-Legenden Canned Heat bereits live - in Österreich letztmals beim "Lovely Days" 2017 in Eisenstadt. Kaum eine andere Band wurde in all den Jahren von so vielen Schicksalen, Skandalen und Todesfällen gebeutelt, sodass sich die Musik an sich immer hinter dem Ruf und der Legende einreihen musste. Drummer und Band-Lebenserhalter Fito de la Parra gab uns zum 50. Geburtstag ein ausführliches Interview zur Rocklegende und erzählt u.a. von den unzähligen Drogengeschichten, Rock'n'Roll-Infanteristen und dem tödlichen Teufel Blues, der die Band erst so legendär machte.

(Bild: kmm)

Wer behauptet, Rock'n'Roll würde nicht altern, der sollte sich die Geschichte der kalifornischen Blues-Rock-Legenden Canned Heat zu Gemüte führen. In ihrer wechselhaften, gut 50 Jahre andauernden Historie sind insgesamt 14 der gefühlt 100 Musiker verstorben. Manche bezeichnen die Liveshows der immer noch aktiven Vollblutrocker despektierlich als "Geriatrie-Ausflüge" oder "Rentner-Gigs". Natürlich tut man der Band damit Unrecht, denn auch wenn das juvenile Feuer der frühen Tage nur mehr auf Sparflamme lodert, sind die Auftritte des runderneuerten Quartetts noch immer ein Erlebnis. Doch die Geschichte von Canned Heat ist eine, die von Drogen, Familiendramen und Kriminalität erzählt. Kaum eine Rockband musste über all diese Dekaden ähnlich viele Schicksalsschläge hinnehmen, nur um sich abzuputzen, immer wieder neu aufzustehen und weiterzumachen.

Bombastische Frühzeiten
Canned Heats Geschichte ist vornehmlich von zwei Protagonisten geprägt, die längst nicht mehr unter uns weilen. Alan "Blind Owl" Wilson und Bob "The Bear" Hite waren die Kreativköpfe hinter der 1965 ins Leben gerufenen Band, die ihren Namen von Tommy Johnsons 1928er Song "Canned Heat Blues" entnahm und spätestens durch den Auftritt beim legendären Monterey Pop Festival 1967, dem eigentlichen Beginn der Band, in allerhöchste Kritikersphären vordrang. Die durchdringenden Gitarren und die stilistische Mixtur aus bodenständigem Country und erdigem Blues Rock begeisterte auch die Kritiker. Mit dem Anfang 1968 veröffentlichten Kulthit "On The Road Again" gelang dem Quintett endgültig der große Durchbruch. "Going Up The Country" und "Let's Work Together" folgten. Schlagzeuger Fito de la Parra, seit 1967 an Bord und seither das letzte alles zusammenhaltende Glied der Band, erinnert sich mit gemischten Fühlen an die unverfänglichen Frühzeiten zurück.

"Wir waren von Anfang an eine der gefährlichsten Bands der Welt, saßen oft im Knast und verloren viele Tantiemen." Vom großen Erfolg der Single "On The Road Again" sahen Canned Heat keinen müden Cent. "Unser Manager hat uns damals für 10.000 Dollar verkauft, damit wir aus dem Gefängnis kommen. Dafür hat er all unsere Rechte weitergegeben, weil er unserem Blues sowieso keine Chance gab. Sechs Monate später kam der Song und das Label kassierte eine Million Dollar. Bis heute haben sie sicher das Dreifache davon eingenommen. Wir haben alles davon verloren, weil wir eine Outlaw-Band waren und viel zu viel Marihuana rauchten. Zumindest Letzteres machen wir noch immer", lacht der 71-jährige gebürtige Mexikaner. Die Kraft des Blues war ohnehin größer ausgeprägt als monetär orientiertes Karrieredenken.

Erster Todesfall
"Der Blues ist eine primitive Form der Musik, die uns eroberte und unsere Seelen gefangen nahm. Als wir diese Musik entdeckten, waren wir ihr sofort ergeben. Der Blues bedeutet für mich Freiheit und Offenheit für Improvisation. Unsere Mission war es, den Blues auch für weiße Menschen zugänglich zu machen und die kulturellen Ähnlichkeiten zum Jazz aufzuzeigen. Der Blues war und ist nicht wirklich populär. Das muss er aber auch nicht sein, denn er ist standhaft und für die Ewigkeit gemacht." Die damals das gesamte Genre dominierenden schwarzen Künstler waren über die Konkurrenz froh, endlich herrschte ein allumfassender Wettbewerb und Canned Head feuerten ihn schnell von oberster Stelle an. Doch die Band bezahlte 1970 erstmals für den ausufernden Lebensstil. "Blind Owl", schon länger an schweren Depressionen leidend, wurde auf einem Hügel hinter "Bears" Haus tot aufgefunden. Die Diagnose: Eine Barbituraten-Überdosis im Alter von 27, nur wenige Wochen vor dem Tod von Jimi Hendrix und Janis Joplin. Nicht die letzte nachhaltige Erschütterung für die Band.

"Drogen waren damals üblich und akzeptiert", erklärt de la Parra, "wir wollten böse und tough sein, in derselben coolen Welt wie unsere Blues-Idole leben." Schon früh waren Canned Heat von gefürchteten Bikergangs wie den Banditos oder den Hells Angels, die die Band eine Zeit lang sogar managten, umgeben. Harte und synthetische Drogen waren am Menüplan genauso präsent wie Bier und Burger. 1981, als sich die Musikwelt längst gedreht hatte und Canned Heat eine solide, aber eben nicht übermäßig erfolgreiche Boogie/Blues-Rockband waren, erlag wenig überraschend "Bear" Hite im Alter von 38 Jahren einer Heroin-Überdosis. Während seine Kollegen gerade ohne ihn im Palomino von Los Angeles konzertierten, verstarb er backstage im Van. Dass ein Mitglied nicht live auftrat, war zu dieser Zeit nicht unüblich. Durch die vielen Drogenexzesse gingen Canned Head immer wieder dezimiert auf die Bühne, hielten das im Laufe der Zeit für einen Normalzustand.

Skandal in Österreich
Nach dem Ableben Hites übernahm de la Parra endgültig das Kommando und hält das Schiff bis heute über Wasser. "Ich holte über die Jahre großartige Musiker wie Henry 'The Sunflower' Vestine, Mike 'Hollywood Fats' Mann oder Robert Lucas in die Band. Unglaublich, dass sie alle starben. Mit Robert und Larry gibt es eine ganz besondere Geschichte, die bei euch in Österreich passierte. Ich glaube es war bei einem Auftritt von uns in der Red Box in Mödling, als sie sich auf der Bühne gegenseitig mit dem Umbringen bedrohten." De la Parra, selbst kein Kind von Traurigkeit, war immer das vernünftigste Glied in einer wechselnden Band exzentrischer Individuen. Damals fehlte er - wenig überraschend. "In Mödling war ich nicht dabei. Wegen irgendeiner Drogengeschichte durfte ich damals nicht nach Österreich einreisen. Der ganze Abend war ein Reinfall. Der Promoter machte im Vorfeld kaum Werbung, es kamen nur eine Handvoll Leute und ohne mich regieren auf und abseits der Bühne ohnehin nur Streit und Chaos. So führte eben eins zum anderen und sie prügelten sich fast aus der Venue."

De la Parra und Gitarrist Larry "The Mole" Taylor sind eine der letzten Legenden, die live in Woodstock musizierten. "Unser Manager war so klug, uns zum Sonnenuntergang aufs Line-Up zu hieven, was grundsätzlich der beste Zeitpunkt ist. Dort herrschte Chaos und Anarchie und wir waren die einzige Band, die ihr gesamtes Equipment parat hatte. Unsere Roadies sind zwölf Stunden lang vom Fillmore East dorthin gefahren. Alles in den Truck, eine Dosis Speed und ab die Post. Fast alle anderen steckten in den Schlammlawinen fest und verspäteten sich. Die Roadies sind die Infanterie des Rock'n'Roll, sie hätten viel mehr Respekt verdient, denn ohne sie würde nichts gehen." Trotz des Tumults hat de la Parra durchwegs gute Erinnerungen an das Festival. "Es war ein Statement unserer Generation. Wir wollten Frieden, Liebe, Aufmerksamkeit und Gleichberechtigung für Frauen und Minderheiten. Wir wollten eine bessere Welt, sind aber gescheitert. Die Welt heute ist schlimmer als je zuvor. Vor allem, seit dieser Trump-Motherfucker an den Hebeln der Macht sitzt - vergiss ja nicht, mich genauso zu zitieren!"

Familientragödie
Das letzte, noch lebende Woodstock-Urgestein von Canned Heat erlitt ein besonders bitteres Schicksal. Harvey "The Snake" Mandel kuriert gerade seinen Krebs, der vor vier Jahren bei ihm diagnostiziert wurde. Doch das ist längst nicht alles. "Mein Buch 'Living The Blues' endet mit dem Tod von Vestine vor 20 Jahren, doch wenn ich eine aktualisierte Neuauflage schreibe, wird es bestimmt ein Kapitel namens 'The Mandel Tragedy' geben. Er wurde bislang 27 Mal operiert. Um alle Spuren des Tumors beseitigen zu können, haben sie ihm quasi die Augen rausgeholt und wieder eingesetzt - wie in einem Horrorfilm. Was der Mann erlebte, endet aber nicht hier. Sein Sohn erschoss sich, während er mit ihm telefonierte. Er wollte ihn davon abhalten und hörte dann den Schuss - mit derselben Waffe, mit der sich davor schon seine Frau richtete. Ich kann nicht fassen, mit welchen Dämonen manche Menschen in ihrem Leben kämpfen müssen."

Aufhören ist für de la Parra auch nach all den Tragödien kein Thema. "Lemmy Kilmister, Buddy Rich oder Gene Krupa - sie alle spielten weit über das normale Pensionsalter hinaus und starben in ihrer Profession. Ein echter Musiker kennt keine Pension. Wir sind keine Anwälte oder Ärzte. Die Sucht nach der Musik lässt einen nicht los." Canned Heat - die vielleicht böseste, aber auf jeden Fall vom Schicksal am meisten geprüfte Band der Rockgeschichte. "Die Geschichte unserer Band war nie eine des Glücks, sondern immer ein großer Kampf. Wir hatten immer eine dunkle Wolke über uns, die uns unsere ganze Karriere über begleitete. Vielleicht gerade deshalb, weil wir den Blues spielen - er ist nicht umsonst die Musik des Teufels."

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