Katias Kolumne

Der neue Stil des Bundespräsidenten

Österreich
20.12.2017 11:53

Montagvormittag war es nach Wochen der Koalitionsverhandlungen nun endlich so weit. Nach der feierlichen Angelobung der 14 neuen Minister, der zwei Staatssekretäre und des Bundes- und Vizekanzlers stieg aus der Wiener Hofburg türkis-blauer Rauch auf. Habemus Regierung.

"Was ist das für 1 Regierung vong Faschos her", "Klassenkampf statt Vaterland" und "Flüchtlinge bleiben - Hofer vertreiben" waren nur drei der Slogans auf den Bannern der rund 5500 Demonstranten, die in der winterlichen Eiseskälte am Heldenplatz ein Pfeif- und Buhrufkonzert zum Besten gaben, während nur wenige Schritte weiter im ribiselroten Maria-Theresien-Zimmer der Wiener Hofburg Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit gewohnt ruhiger Stimme feststellte: "Es ist in einer Demokratie eben so, dass unterschiedliche Meinungen existieren."

Jene, die bis zuletzt gehofft hatten, der ursprünglich grüne Bundespräsident würde in der letzten Minute noch das Ruder herumreißen, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ verhindern, Herbert Kickl als Innenminister ablehnen oder zumindest mit Thomas-Klestil-gleichem, grimmigen Blick ein Zeichen der innerlichen Ablehnung setzen, wurden an diesem Tag bitter enttäuscht. Bei der Angelobung herrschte insgesamt eine amikal-gelöste Stimmung, der ein oder andere Patzer im Ablauf wurde verzeihlich weggelacht und letztendlich durften auch Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer und Kickl, die Enfants terribles für so manche linksgerichteten Kritiker, die magischen zwei Worte "Ich gelobe" sprechen.

Vom Scheibenwischer zum Bundespräsidenten
Vorbei scheinen die Zeiten der wechselseitigen Stänkereien zwischen dem Ex-Grünen und der FPÖ, die im Bundespräsidentenwahlkampf 2016 ihren Höhepunkt fanden. Unvergessen sind der Van der Bellen’sche Scheibenwischer in einer TV-Konfrontation und die unterirdischen, gegenseitigen Nazi-Beschimpfungen. Die Frage, ob Van der Bellen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ angeloben würde, beantwortete der nunmehrige Bundespräsident nach einigem Hin und Her schlussendlich mit: "Ja, Kruzitürken, wenn mir nichts anderes übrig bleibt".

Übrig geblieben ist, Kruzitürken, Montagvormittag tatsächlich nichts anderes, sind doch ÖVP und FPÖ mit insgesamt 57,44 Prozent der Stimmen bei der gerade geschlagenen Nationalratswahl vom Wähler legitimiert worden, wenngleich sich einige enttäuschte Van-der-Bellen-Wähler eine intensivere Einmengung des Bundespräsidenten gewünscht hätten.

Verwunderlich, was alles möglich ist
Jene eingefleischten Van-der-Bellen-Wähler, die sich noch im Bundespräsidentenwahlkampf - mit Blick auf einen möglichen Wahlsieg von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer - vor einer zu großen Machtbefugnis des obersten Staatsoberhaupts gefürchtet haben, wünschten sich nun absurderweise ein härteres Eingreifen in die Regierungsbildung. Bei einem solchen Gesinnungsschwenk wundert man sich tatsächlich, was nun alles möglich ist.

Mit ruhiger Hand führte Van der Bellen im Vorfeld Gespräche mit den Koalitionspartnern und nahm elegant Einfluss, der für alle tragbar war. Professionell und staatsmännisch verrichtete der einstige fundamentale FPÖ-Kritiker seine Arbeit, ohne sich von Unkenrufen seiner eigenen Wähler beirren zu lassen. So, wie man es sich eben von einem Staatsoberhaupt erwartet. Gesiegt haben letztlich der Pragmatismus und eine neue Nüchternheit - oder, wie unser frisch angelobter Bundeskanzler Sebastian Kurz zu sagen pflegt, ein "neuer Stil". Und der würde dem ein oder anderen Oppositionspolitiker mit Sicherheit auch gut tun.

Katia Wagner

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