Top-Ten der "Krone"

Das waren die besten Österreich-Konzerte 2017

Musik
27.12.2017 08:00

Obwohl sich einige richtig große Bands zu uns verirrt haben, waren die wahren Highlights oft im kleineren Rahmen zu finden. Egal, ob bei einer schweißtreibenden Punkshow, intensiven Nostalgiebewältigungen oder einem erfrischend schwungvollen Cover-Set - wir schwelgen noch ein letztes Mal freudig in Erinnerungen und picken unsere Top-Ten-Konzerte chronologisch für Sie heraus. Was waren Ihre Highlights?

(Bild: kmm)

Mungo Jerry, 28. März, Reigen Wien
Von Aachen bis Zypern gibt es kaum einen Menschen, der die erste Strophe von "In The Summertime" nicht fröhlich mitsingen kann. Jeder noch so triste Tag wird durch den umsatzstärksten Sommerhit aller Zeiten erhellt und Ray Dorset brachte ihn mit seiner Kultband Mungo Jerry zu Frühlingsbeginn in den Wiener Reigen. Der hochsympathische Lockenkopf hat aber auch erdigen Blues, kantigen Rock und verspielten Jazz im Repertoire und spielte sich im Zuge des "Vienna Blues Spring" in einen fast dreistündigen Spielrausch, der keinen der Anwesenden unberührt ließ. Manchmal braucht es nur eine Gitarre, Spielfreude und ein gewinnendes Lächeln, um einen Abend legendär zu machen.

Sleaford Mods, 8. Mai, Flex Wien
Punk ist tot, der Britpop siecht dahin und selbsternannte Systemquerulanten wie die Gallaghers oder Paul Weller sind nur mehr ein Abziehbild ihres früheren Selbst. Das Sprachrohr der Arbeiterklasse sind mittlerweile die Sleaford Mods. Die Mittvierziger Jason Williamson und Andrew Fearn hielten auf ihrem famosen Album "English Tapas" der "Generation Instagram" den Spiegel vor und reflektierten den Untergang des uns bekannten Großbritanniens mit poetisch-ordinärem Sprechgesang und repetitiven Beats. Einige hunderte Geschmackssichere wurden im Wiener Flex Zeuge dieser verbalen Revolution, die dadaistisch und anprangert zugleich ist. Die Gesellschaft braucht eben auch die Unbequemen.

Bilderbuch, 18. Mai, Arena Open Air Wien
Wenn sogar Herbert Grönemeyer vor einem auf die Knie geht, dann ist aus dem Hype endgültig ein Stück Popkultur geworden. So geschehen bei den Oberösterreichern von Bilderbuch, die heuer am vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere gleich dreimal das Freiluftgelände der Wiener Arena ausverkauften und einen Triumphzug der Sonderklasse feierten. Am 18. Mai fand das "Mittelkonzert" statt, das aber als allererstes angekündigt wurde. Hier waren die Die-Hard-Fans zu Gast und vielleicht war dieser nach Gras und Bier riechende, voller Sneakers und dekadenter Bühnenexaltiertheit angereicherte Frühlingsabend gerade deshalb noch eine Spur magischer als alle anderen. Maurice Ernst und Co. befanden sich an diesem Abend am Höhepunkt ihrer Kunst. Beim Frequency Festival drei Monate später war die Band bereits deutlich ermattet. Dieser Auftritt ist aber auf ewig abgespeichert.

Hans Zimmer, 6. Juni, Stadthalle Wien
Mehr als 19 Millionen Mal haben sich die Soundtracks des in Hollywood wohnhaften Exil-Frankfurters Hans Zimmer mittlerweile verkauft. Wie kein anderer Kompositeur versteht er es, der Filmtraumfabrik seinen Stempel aus Epik und Innovationsreichtum aufzudrücken. In der Wiener Stadthalle brachte er im letzten Konzertdrittel samt opulentem Orchester und perfekt eingestellter Anlage fast die Wände zum Bröckeln. Die sympathischen Geschichten, die er im humorigen US-Deutsch zwischen den vielen großen Songs erzählte, wären gar nicht nötig gewesen, denn die hervorragenden und drückenden Nummern aus den Filmen "Gladiator", "The Dark Knight" oder "Inception" kennen nicht nur Cineasten. Die klangliche Wucht dieses Auftritts hat so manchen Besucher in seinen Grundfesten erschüttert.

Descendents, 8. Juni, Arena Wien
Als Doktor der Biochemie und Professor für ebenjenen Bereich ist Descendents-Frontmann Milo Aukerman Zeit seines Lebens die Antithese zum bierseligen Punkrock. Immer wieder legte er seine Band aufgrund seiner großen Forschungs- und Lehrleidenschaft auf Eis, bis er sich 2016, im Alter von 53 Jahren, dazu entschloss, seinen Lebensunterhalt ausschließlich als Musiker zu verdienen. Mehr Punkrock geht dann doch nicht und mit "Hypercaffium Spazzinate" veröffentlichten die kalifornischen Szenelegenden ein nahezu perfektes Alterswerk voller Nostalgie, Spielfreude und kompositorischer Frische. Beim ersten Österreich-Konzert nach 20 Jahren feierten Jung und Alt einen Abend voller Melodien, Punk-Riffs und mentaler Schwerelosigkeit - wie das Vollenden eines 1000-Teile-Puzzles.

Coldplay, 11. Juni, Ernst-Happel-Stadion Wien
Die Rolling Stones versanken im Matsch, Guns N' Roses spielten zwar viele Hits, aber auch gegen massive Tonprobleme an und U2 schrammten einmal mehr an Österreich vorbei. Für die ganz großen Produktionen war das Jahr 2017 gar nicht so ergiebig. Die große Rettung kam in Form von Coldplay, die das Happel-Oval für einen Abend in eine zuckerlbunte Welt des Eskapismus verwandelten. Chris Martin setzte mit einer guten Mischung aus alten Rocksongs und neueren Faserschmeichlern die Herzen von gut 50.000 Fans in Flammen und verwandelte den Gig in ein farbenfrohes Holi-Festival. Mehr oder weniger beabsichtige Textpannen und persönliche Wien-Erlebnisse verstärkten das besondere Gefühl eines Gemeinschaftserlebnisses. So intim kann ein Stadionkonzert sein.

Prophets Of Rage, 16. Juni, Nova Rock Festival Nickelsdorf
Gerade in Zeiten wie diesen würde man eine Band wie die politisch motivierten 90er-Crossover-Legenden Rage Against The Machine dringend brauchen. Mit Sänger Zack de la Rocha wird sich die Combo aber nicht mehr einig, wodurch man eben Public Enemys Chuck D und Cypress Hills B-Real das Mikro in die Hand drückt, um all die legendären Klassiker wie "Killing In The Name", "Bullet In Your Head" oder "Bulls On Parade" wieder aufleben zu lassen. Klar, das alles ist nichts anderes als eine All-Star-Coverband, aber mit unendlicher Spielfreude und dem Herz am richtigen Fleck. Beim Nova Rock brachten Tom Morello und Co. das Gelände zum Beben und beschworen sogar den Regengott herauf. Ein wohl einmaliges Vergnügen, denn das diesen Herbst veröffentlichte Album mit Eigenkompositionen kann die hohe Qualität der großen Klassiker nicht halten.

Nick Cave & The Bad Seeds, 1. November, Stadthalle Wien
Kaum zu glauben, dass Nick Cave, der kulturell wohl vielseitigste und eindringlichste Pop-Künstler der letzten 30 Jahre, diesen Herbst bereits seinen 60er feierte. Mit den famosen Bad Seeds gab er ausgerechnet zu Allerheiligen eine legendäre Seelenmesse in der Wiener Stadthalle, bei der sogar die dort so oft fragile Akustik mitspielte. Cave reift wie Wein. Seine Songs werden immer besser, seine Performances immer eindringlicher und die krude Mischung aus Nähe und Distanz zu seinem Publikum immer einzigartiger. Er umarmt die Menschen, wenn er es will und hält Abstand, wenn es der Song verlangt. Musikalisch pendelte die zweieinhalbstündige Show zwischen schmerzhafter Vergangenheitsbewältigung, polternden Instrumentalstakkatos und hoffnungsfrohen Momenten. Ein Wirbelsturm der Emotionen, der bei manchem Fan noch Tage später für Gefühlsimplosionen sorgte.

Zola Jesus, 21. November, Fluc Wanne
Man kann nur erahnen, gegen welche Dämonen Nika Roza Danilova alias Zola Jesus beim Schreibprozess zu ihrem neuen Album "Okovi" anzukämpfen hatte. Das Electropop/Goth-Meisterwerk ist nicht nur eines der spannendsten, sondern auch intensivsten und persönlichsten Alben des Jahres 2017. Sie verarbeitete darauf ihre Depressionen und Suizidversuche in ihrem Freundeskreis. Ihrer hervorragenden Backingband und der visuellen Unterstützung ist es mitunter zu verdanken, dass sie diese private Abhandlung samt alter Songs und fröhlicherer Nummern kathartisch in der randvollen Fluc Wanne vermitteln konnte. Manchmal darf Musik auch wehtun.

Black Rebel Motorcycle Club, 4. Dezember, ORF Radio-Kulturhaus
Gewiss, es war eine elitäre Veranstaltung, zu der nur geladene Gäste und Gewinner Zugang hatten, doch das soll die Genialität dieses Abends nicht schmälern. Der Black Rebel Motorcycle Club, am Vorabend noch mit Schweiß, Blut und Tränen die Wiener Arena rockend, ließ sich zur Überraschung aller an seinem Day Off für einen live mitgeschnittenen Akustik-Gig überreden. So wurden die Gitarrenkracher der nikotingeladenen Lederjackencowboys zu einem manchmal unsicheren, nicht immer fehlerfreien, aber stets heißblütigen Gebräu zusammengefasst, das auch den Musikern selbst neue Facetten entlockte. Nicht von dieser Welt: Peter Hayes zerbrechliche Stimme und die grandiosen Songs "Haunt" und "Echoes", die ab Anfang Jänner am neuen Studioalbum zu hören sind.

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