Trotz US-Kehrtwende

Brüssel will an der Netzneutralität festhalten

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16.12.2017 09:22

Trotz der US-Kehrtwende wollen EU-Kommission und die deutsche Regierung an der Gleichbehandlung beim Datenverkehr im Internet festhalten. "Wir werden die Netzneutralität in Europa weiter schützen", twitterte der für den Digitalmarkt zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Andrus Ansip.

Auch die deutsche Regierung nannte den seit 2015 in der EU geltenden Rechtsrahmen wichtig. Die US-Aufsichtsbehörde FCC hatte am Donnerstag die Regel aufgehoben, dass das Internet als öffentliche Dienstleistung eingestuft wird, die allen Nutzern gleichberechtigt zur Verfügung gestellt werden muss.

Wie umstritten das Thema ist, zeigt auch eine Entscheidung der Bundesnetzagentur zur Deutschen Telekom. Die Behörde verlangte von dem Bonner Konzern Änderungen am Angebot "StreamOn" in bestimmten Mobilfunktarifen, mit dem Filme und TV-Serien im Internet genutzt werden können, dafür aber die Datengeschwindigkeit verändert wird. Die Telekom kündigte rechtliche Schritte dagegen an.

EU hat Netzneutralität 2015 rechtlich fixiert
Die EU hatte 2015 beschlossen, dass für die Netzneutralität bestimmte Inhalte durch Netzanbieter nicht blockiert, verlangsamt oder gegen Bezahlung beschleunigt und bevorzugt werden dürfen. "Das Recht, einen offenen Zugang zum Internet ohne Diskriminierung oder Beeinträchtigung zu erhalten, ist im EU-Recht verankert", betonte nun EU-Kommissar Ansip.

Das Prinzip ist nach Ansicht der Brüsseler Behörde auch für neu gegründete Firmen wichtig, um mit etablierten Unternehmen im Netz konkurrieren zu können. Auch die Bundesregierung stellte sich hinter die bestehenden Regeln. "Es gibt den europäischen Rechtsrahmen", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums in Berlin. "Der gilt, und den finden wir weiterhin wichtig".

Nicht jeder ist zufrieden mit der Netzneutralität
Dagegen forderte der Digitalverband Bitkom, in dem unter anderem die Deutsche Telekom und die Post organisiert sind, eine Antwort in Europa auf den US-Kurswechsel. "Mit der jüngsten FCC-Entscheidung kehren die USA zu einer Regelung zurück, die bis 2015 galt und davor über 20 Jahre lang den Rahmen für das Wachstum des Internets gebildet hat", sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

Direkte Auswirkungen auf Europa und Deutschland gebe es zwar nicht, eine globale Signalwirkung sei aber durchaus erkennbar. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollten bei der Auslegung und Anwendung der EU-Verordnung von 2015 die Entwicklungen in den USA bedacht werden. Auch Deutschland und Europa stünden vor der Herausforderung, leistungsstarke Netze aufzubauen.

FCC-Entscheidung ist Triumph der Telekombranche
Die FCC-Entscheidung gilt in den USA als Triumph für Telekomkonzerne wie AT&T, Comcast und Verizon. Die Anbieter von Inhalten wie die Filmindustrie in Hollywood, Facebook und Google hatten sich dagegen für einen Erhalt der 2015 unter der Regierung des demokratischen Präsidenten Barack Obama erlassenen Vorschrift eingesetzt.

Der von Obamas Nachfolger Donald Trump ernannte FCC-Vorsitzende Ajit Pai hatte indes argumentiert, dies behindere den Wettbewerb. Pais Vorschlag, die Regelung abzuschaffen, wurde nun mit einer Mehrheit der in dem FCC-Gremium vertretenen Republikaner gebilligt. Kleinere Startup-Unternehmen fürchten, dass ein Mangel an Vorschriften für sie die Kosten erhöhen könnte oder ihre Inhalte gar nicht mehr über das Internet verbreitet werden.

Aktien von Apple und Microsoft geben nach
Der FCC-Schritt reiht sich ein in mehrere Ankündigungen des Republikaners Trump, Regulierungen seines Vorgängers vom Bankensektor bis hin zum Umweltschutz zurückzudrehen. Vor allem dürfte die Entscheidung nun einen Rechtsstreit nach sich ziehen: Der demokratische New Yorker Generalstaatsanwalt, Eric Schneiderman, kündigte bereits eine Klage mehrerer Bundesstaaten an. Nach der FCC-Entscheidung gaben die Aktien von Apple und Microsoft nach.

Die oppositionellen Demokraten hoffen, dass der Beschluss junge Wähler gegen Trump mobilisiert. Die knappe Entscheidung des FCC habe "einen schlafenden Riesen geweckt", sagte die zu den Demokraten gehörende FCC-Vertreterin Jessica Rosenworcel. Studien zufolge ist jungen US-Bürgern, die weit mehr das Internet nutzen als ältere Amerikaner, ein offenes und freies Netz bei ihren Wahlentscheidungen besonders wichtig.

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