Milliardenindustrie

Das Mega-Geschäft mit dem blauen Dunst

Österreich
15.12.2017 15:04

Kein EU-Staat zog ein verschärftes Nichtrauchergesetz jemals zurück, Österreich dürfte mit der Rücknahme des generellen Rauchverbotes in der Gastronomie hier der erste wirkliche Ausreißer sein - was seit Tagen für emotionale Diskussionen sorgt: Wahlfreiheit und Eigenverantwortung trommeln die einen, gesundheitlich ein "Wahnsinn" die anderen. Ein Blick auf die Industrie rund um die (un-)verzichtbare Zigarette.

Allein im Jahr 2016 wurden Tabakwaren im Wert von 3,057 Milliarden Euro in Österreich verkauft, Gesundheitsmaßnahmen und Verteuerungen der Zigarettenpackerln sind aber auch in der Branche zu spüren. Generell klagen die Konzerne und Tabakvereinigungen über die vielen Steine, die ihnen die Gesundheitspolitik in Europa und in den USA in den Weg legt. Schockbilder, Gegenkampagnen, Werbeverbote - seit den 50er-Jahren wurden in 40 Staaten Haftungs- und Strafprozesse gegen die Tabakindustrie geführt, die meisten davon in den USA, die aktuell in großem Stil andauern.

Tabakumsätze astronomisch, aber rückläufig
All dies wird mit viel Interesse von internationalen Tabakkonzernen verfolgt, von denen nach diversen Zusammenlegungen und Aufkäufen nur noch drei große übrig sind. Die Umsätze dort sind nach wie vor astronomisch, wenn auch rückläufig: Philip Morris schloss 2016 mit 26,6 Milliarden Dollar (rund 22,5 Milliarden Euro) an Nettoumsatz ab, British American Tobacco mit 20 Milliarden Dollar (rund 17 Milliarden Euro) und Japan Tobacco International - dazu gehört auch Austria Tabak - mit 18 Milliarden Dollar (rund 15 Milliarden Euro). In der Hitliste der weltweit führenden Konsumgüterhersteller sind die drei unter den Top 20.

Jahrelang gaukelten Tabakkonzerne mit allen möglichen Studien und Expertisen vor, dass besorgniserregende Erkenntnisse und Studien von Medizinern und Organisationen gar nicht so der Wahrheit entsprächen. Fast alles ist mittlerweile widerlegt - doch geraucht wird noch immer.

Länderliste mit Raucher-Erkrankungen
Das weiß auch die Weltgesundheitsorganisation WHO, die eine Liste mit jenen Ländern erstellt hat, in denen die meisten Raucher an den Folgen des Tabakkonsums schwer erkranken. Die gute Nachricht: Österreich ist auf den hinteren Rängen.

Für die Tabakkonzerne wird es auf Dauer gesehen trotzdem eng. Hunderttausende Arbeitsplätze und Produktionsstätten auf der ganzen Welt hängen von ihnen ab. Drei Milliarden Dollar (rund 2,5 Milliarden Euro) steckte allein Philip Morris in die Forschung und Umsetzung von "gesünderen" Zigaretten, als Konkurrenz ist die E-Zigarette stark im Kommen.

Mächtige Tabaklobby
Das Jahr 2012 war so etwas wie ein Wendepunkt in einem Geschäft, das undurchsichtiger als fast alle anderen ist. Zu diesem Zeitpunkt verhandelten EU-Abgeordnete über eine verschärfte Tabakrichtlinie - unter anderem die sogenannten Schockpackungen und die riesigen Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln. Was folgte, war ein beispielloser Aufmarsch einer Armada von Lobbyisten, die das Schlimmste für die Tabakkonzerne abwenden sollten. Die Bemühungen dazu gingen von der Essenseinladung zum Nobelfranzosen, Hintergrundgesprächen mit der guten Flasche toskanischem Rotwein bis zu Karibikreisen für die Familie.

Tabaklobby sorgt immer wieder für Skandale
Einem Abgeordneten wurde ein besonderes Naheverhältnis vorgeworfen. Im Herbst 2012 trat Gesundheitskommissar John Dalli nach Vorwürfen, er soll von einem Deal mit Lobbyisten profitiert haben, zurück. Seither müssen die Tabakkonzerne ihre "offiziellen" Ausgaben für Lobbying darstellen.

2014 geriet auch der österreichische Abgeordnete Othmar Karas (ÖVP) als damaliger Vizepräsident des Europäischen Parlaments ins Visier von Lobby-Wächtern, die ihm angebliche enge Kontakte zu Philip Morris vorwarfen. Karas wies das stets vehement zurück.

Millionen für positive "Grundstimmung"
Was eine positive "Grundstimmung" den Tabakkonzernen wert ist, zeigen Zahlen aus Brüssel: British American Tobacco gab 2015 2,49 Millionen Euro für fünf Lobbyisten aus, Japan Tobacco International 2016 rund 1,74 Millionen Euro für sieben Mitarbeiter und Philip Morris 2015 rund eine Million Euro für neun Lobbyisten.

Michael Pichler, Kronen Zeitung/krone.at

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